Wie lange können Betroffene mit Brustkrebs leben?
Die Überlebensrate bei Brustkrebs (Mammakarzinom) ist vor allem davon abhängig, in welchem Stadium der Krebs entdeckt wird und wie aggressiv die Krebszellen sind. Ist der Tumor lokal begrenzt, so können rund 90 Prozent der erkrankten Frauen geheilt werden. Folgende Tabelle zeigt, wie viele Brustkrebspatientinnen fünf beziehungsweise zehn Jahre nach Diagnose der Erkrankung noch leben [1]:
Hinweis: Die Tabelle gibt das Überleben als relative Rate wieder. Die relative Überlebensrate erklärt, wie viele Menschen mit einer bestimmten Erkrankung nach einem definierten Zeitraum nach Diagnosestellung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung noch leben.
Wie oft ist Brustkrebs tödlich?
Sobald Brustkrebs in ferne Organe gestreut hat, sprich Metastasen ausgebildet hat (UICC-Stadium IV), gilt eine langfristige Heilung als unwahrscheinlich. Die Lebenserwartung hängt davon ab, in welchen Organen die Fernmetastasen vorliegen: Mit Knochenmetastasen kann man noch viele Jahre leben, bei Hirnmetastasen ist die Lebenserwartung kürzer. Das Diagramm zeigt die Verteilung der UICC-Stadien bei Brustkrebs-Erstdiagnose (ICD-10 C50) in den Jahren 2015/2016 in Deutschland [2].
In den allerwenigsten Fällen findet man Metastasen im Körper bei Erstdiagnose (Stadium IV). In manchen Fällen bildet sich ein zweiter Tumor nach einer bereits überstandenen Brustkrebserkrankung. Dieser Tumor kann in der gleichen Brust, in den Lymphknoten der Achselhöhle, in der gegenseitigen Brust oder in der Brustwand auftreten. Diese Rückfälle werden als Rezidive bezeichnet und können gut behandelt werden.
Wichtig ist dabei, dass ein komplettes Staging (Stadienbestimmung eines Tumors) mit Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und Knochenszintigramm (nuklearmedizinische Untersuchungsmethode zur Darstellung des Knochenstoffwechsels) durchgeführt wird und Fernmetastasen ausgeschlossen werden. Entsteht der neue Brustkrebs in der gleichen Brust, wo der erste Tumor lag, oder an der Brust wand der operierten Seite, sprechen Ärzt:innen von einem Lokalrezidiv. Da diese Tumore örtlich begrenzt sind, besteht bei ihnen eine langfristige Chance auf Heilung.
Lokalrezidive bilden sich bei rund fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebspatientinnen innerhalb der ersten zehn Jahre nach Erstdiagnose. Häufig werden sie bei Tastuntersuchungen oder im Rahmen der Nachsorge mittels Mammographie, Ultraschalluntersuchung oder MRT entdeckt. „Auch bei Rezidiven mit Metastasen haben wir heutzutage hocheffektive und relativ gut verträgliche Therapien, die das Überleben verlängern“, weiß Prof. Dr. Michael Untch, Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Interdisziplinären Brustzentrums im Helios Klinikum Berlin-Buch.
Prognose und Verlauf einer Brustkrebserkrankung
Laut der interdisziplinären S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms sollen folgende Faktoren standardmäßig erhoben werden, um den Erkrankungsverlauf einzuschätzen und die Therapie festzulegen [3]:
- TNM-Klassifikation (Tumorgröße, Lymphknotenbefall, Vorliegen von Fernmetastasen)
- Resektionsrandstatus (R-Klassifikation)
- feingeweblicher Tumortyp (histologischer Typ)
- die Rezeptoren ER, PR, HER 2
- Grad der Bösartigkeit (histologisches Grading)
- Höhe von Ki-67, einem Marker, der die Zellteilungshäufigkeit misst
- Eindringen des Tumors in Gefäße (Lymphgefäßeinbruch)
- das Erkrankungsalter
Außerdem gelten folgende Faktoren als relevant für die Prognose eines Mammakarzinoms und die Planung des individuellen Therapieschemas:
- molekulare Eigenschaften des Tumors und Rezeptorstatus
- Status der Menopause
- Nebenerkrankungen („Komorbitäten“)
TNM-Klassifikation bei Brustkrebs
Mit dem TNM-Status können Aussagen über die Prognose einer Brustkrebserkrankung getroffen werden. Der positive Zusammenhang zwischen Tumorgröße und dem Überleben beziehungsweise dem Risiko für einen Krankheitsrückfall ist seit vielen Jahren bekannt. Konkret heißt das: Je größer die Geschwulst, desto größer ist auch das Rezidivrisiko. Sind die Lymphknoten (Nodi) von Tumorzellen befallen, so ist der prognostische Wert des Lymphknotenbefalls höher als der prognostische Wert der Tumorgröße. Je mehr Lymphkoten befallen sind, desto höher ist das Rezidivrisiko.
Wachstumsgeschwindigkeit eines Mammakarzinoms
Wie schnell ein Tumor wächst, ist von verschiedenen Faktoren abhängig, die wir im Folgenden erläutern.
Histologisches Grading
Die Wachstumsgeschwindigkeit eines Mammakarzinoms spiegelt sich unter anderem im sogenannten histologischen Grad der Krebszellen wider. Je höher dieser ist, desto schneller teilen sich die Krebszellen und desto aggressiver wächst der Tumor. Die interdisziplinäre S3-Leitlinie empfiehlt die Gradeinteilung nach Elston und Ellis. Demnach werden die Krebszellen in drei verschiedene histologische Grade unterteilt:
- G1: gut differenziert
- G2: mäßig differenziert
- G3: schlecht differenziert
Gut differenzierte Zellen (G1) ähneln den gesunden Zellen am stärksten, ihr Wachstum ist weniger aggressiv. Bei mäßig differenzierte Zellen (G2) spricht man von einer mittleren Bösartigkeit. Diese Zellen teilen sich schneller als in G1 aber weniger schnell als in G3. Schlecht differenzierte Zellen (G3) weisen die größten Unterschiede zu gesunden Zellen auf, sie teilen sich schnell, der Krebs wächst aggressiv.
Proliferationsindex Ki-67
Für die Wachstumsgeschwindigkeit von Mammakarzinomen spielt auch der in den Krebszellen befindliche Tumormarker Ki-67 eine Rolle. Ist das Eiweiß Ki-67 in großen Mengen in den Krebszellen enthalten (mehr als 20 Prozent), so wachsen diese schnell. Liegt ein niedriger Ki-67 Wert vor (maximal 13 Prozent), so wachsen die Krebszellen langsamer.
Neue Marker
In den letzten Jahren hat man neue Marker entdeckt, die bestimmt werden können: Mutationen in den BRCA-Genen für die Therapie mit PARP-Inhibitoren, PD-L1 für die Therapie mit Immunantikörpern (sogenannte T-Zell Checkpoint-Hemmer), PIK3-Mutationen für die Behandlung mit entsprechenden Hemmsubstanzen, den sogenannten PIK3-Inhibitoren. Alle diese Marker werden bei Patientinnen gemessen, die Fernmetastasen haben. Die entsprechenden Substanzen sind für die speziellen Marker zugelassen. Für die Behandlung der Erkrankten ohne Metastasen werden diese Substanzen in internationalen Studien erprobt, an denen unsere Kliniken und Zentren teilnehmen.
Der Resektionsrandstatus (R-Klassifikation)
Der Resektionsrandstatus gibt an, ob der Tumor komplett entfernt werden konnte oder ob am Schnittrand des Gewebes noch Krebszellen erhalten geblieben sind. Der Begriff R-Klassifikation geht zurück auf das englische „residual tumor“, das als „verbliebener Tumor“ übersetzt werden kann. Die R-Klassifikation gibt also das Fehlen oder Vorhandensein eines Resttumors an. Man unterscheidet in:
- RX – ob ein Residualtumor vorhanden ist, kann nicht beurteilt werden
- R0 – kein Residualtumor: der Schnittrand ist frei von Krebszellen
- R1 – mikroskopischer Residualtumor: im Schnittrand sind Krebszellen verblieben, die unter dem Mikroskop sichtbar sind
- R2 – makroskopischer Residualtumor: Im Schnittrand ist Tumor verblieben, der mit den bloßen Augen sichtbar ist beziehungsweise getastet werden kann
Molekulare Eigenschaften des Tumors und Rezeptorstatus
Aufgrund ihrer molekularen Eigenschaften können Brustkrebszellen ganz grob in drei molekulare Klassen unterteilt werden:
- Luminale Karzinome (A und B)
- HER-type
- Basal-Like-Karzinome (rund 80 Prozent davon sind triple negative Tumore)
Die unterschiedlichen Klassen geben zum einen eine Information darüber, wie der Tumor auf eine bestimmte Behandlung ansprechen wird. Andererseits haben sie auch eine prognostische Relevanz: So sind Rückfälle und Fernmetastasen bei luminalen Tumoren seltener, jedoch bleibt das Risiko über viele Jahre gleich hoch. Bei triple negativen Tumoren ist die Gefahr für Rezidive und Metastasen in den ersten drei Jahren nach Erstdiagnose zwar höher, anschließend treten sie aber selten auf [4].
Heilungschancen sind gut
Die Heilungschancen einer Brustkrebserkrankung sind umso besser, je früher der Tumor erkannt und behandelt wird. Folgende Grafik aus dem Bericht „Krebs in Deutschland“ zeigt, wie viele Brustkrebspatientinnen und Brustkrebspatienten fünf beziehungsweise zehn Jahre nach der Erstdiagnose noch leben („Fünf-Jahres-Überlebensrate“ und „Zehn-Jahres-Überlebensrate“). Der Bericht erscheint zweijährlich und wird gemeinsam vom Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut sowie der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister e. V. (GEKID) herausgegeben [2].
Hinweis: Die relative Überlebensrate erklärt, wie viel Prozent der Menschen mit einer bestimmten Erkrankung nach einem definierten Zeitraum nach Diagnosestellung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung noch leben.