Trend zum Kaiserschnitt?
Die Zahl der Kaiserschnittgeburten ist in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen. In Deutschland kommt mittlerweile etwa jedes dritte Kind per Kaiserschnitt (Sectio) auf die Welt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit weit vorne. Im europäischen Ranking sogar auf dem vierten Platz. Ein Großteil der Entbindungen per Sectio ist nicht streng medizinisch indiziert. Vielmehr handelt es sich häufig um Kaiserschnittgeburten, die von den Frauen gewünscht werden.
Im Helios Klinikum Uelzen erkennt Chefarzt Aschalew ebenfalls einen relevanten Trend zum Wunsch-Kaiserschnitt: „Insbesondere sehr junge Mütter, aber auch bei Patientinnen, die bereits einen Kaiserschnitt hatten, wünschen sich eine Sectio", erklärt der Experte. Viele Frauen hätten Angst vor einer natürlichen Geburt und den damit einhergehenden Schmerzen.
Außerdem haben Mehrfachmütter bei einer Geburtseinleitung nach einem Kaiserschnitt ein leicht erhöhtes Rupturrisiko der Gebärmutter (Uterusruptur). Dabei handelt es sich um einen Durchbruch der Gebärmutter, der für Mutter und Kind gefährlich werden kann. Viele Schwangere scheuen dieses Risiko und wählen die erneute Kaiserschnitt-Option.
Gründe für einen Kaiserschnitt
Aus medizinischer Sicht ist ein Kaiserschnitt häufig indiziert, wenn:
- einer Geburt zwei Kaiserschnitte vorangingen
- das Kind in Quer- und Fußlage liegt
- das Kind in Beckenendlage liegt
- mehr als zwei Kinder entbunden werden (Mehrlingsschwangerschaft)
- besondere Erkrankungen vorliegen, die eine normale Geburt nicht möglich machen
- das Kind mehr als 4500 Gramm wiegt (fetale Makrosomie)
Häufige Ursachen für einen ungeplanten Kaiserschnitt
Auffälligkeiten bei der Wehentätigkeit oder der Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindesschlechter Mikroblutuntersuchungswert (MBU-Wert)
- vorzeitige Plazentalösung
- nicht beherrschbare Blutdruckerhöhungen der Mutter
- Krampfanfall der Mutter
- Gesichtslage (mentoposterior) oder Fußlage des Kindes
- Erschöpfung der Mutter
Zudem entscheiden sich werdende Mütter aus Gründen der Planbarkeit, Angst vor einer natürlichen Geburt und Verletzungen im Genitalbereich oder einer anschließenden Sterilisation für einen Kaiserschnitt.
Die Nachteile beim Kaiserschnitt
Ein Kaiserschnitt bedeutet im Vergleich zu einer natürlichen Geburt, auch Spontangeburt, einen längeren stationären Aufenthalt im Krankenhaus. „Zudem müssen die Patientinnen mit Schmerzen nach der Sectio sowie Problemen bei der Versorgung des Kindes und möglicher Geschwisterkinder rechnen“, weiß Chefarzt Aschalew. Eine Kaisergeburt erhöht außerdem das Rupturrisiko (Riss) bei nachfolgenden Schwangerschaften. Dazu können Wundheilungsstörungen der Schnittnarbe kommen, die mit längeren stationären Aufenthalten verbunden sind.
Auch das Baby kann von den Nachteilen einer operativen Entbindung betroffen sein. Denn: Bei einer natürlichen Geburt wird die Bakterienflora im Geburtskanal auf das Baby übertragen, wodurch der Darm und die Haut des Kindes schneller mit wichtigen Bakterien besiedelt werden können. Bei einem Kaiserschnitt kommt das Kind nicht mit der besagten Bakaterienflora in Berührung. Studien zeigen, dass Kaiserschnittkinder deshalb im Laufe ihres Lebens ein höheres Risiko für Übergewicht, Allergien oder Asthma haben.
Natürliche Geburt – die Fakten
Eine spontane Geburt dauert durchschnittlich zwischen vier und 18 Stunden und verläuft in drei Phasen: Eröffnungsperiode, Austreibungsperiode mit Pressphase und Nachgeburtsperiode. Die Schmerzen während der Geburt entstehen durch rhythmische Kontraktionen der Uterusmuskulatur, die während der Eröffnungsphase über einen längeren Zeitraum stärker werden.
Wenn sich die Gebärende eine Schmerzlinderung während der Entbindung wünscht, stehen ihr mehrere Optionen zur Verfügung. Zum einen kann die Frau intravenös ein Schmerzmittel erhalten. Auch Lachgas (Distickstoffmonoxid) über eine Atemmaske kann den Geburtsschmerz lindern und wird in einzelnen Kliniken verwendet. Zum anderen gibt es die Möglichkeit, lokal wirkende Mittel einzusetzen, wie etwa eine Periduralanästhesie (PDA), eine Spinalanästhesie oder einen Pudendusblock. Bei letzterem wird der sogenannte Nervus pudendus betäubt, der den Beckenboden mit Schmerzfasern durchzieht.
Vorteile der natürlichen Geburt
Nach vaginalen Geburten treten bei der Mutter deutlich seltener schwere Komplikationen wie zum Beispiel Infektionen, Blutungen oder Thrombosen auf. Insgesamt ist der stationäre Krankenhausaufenthalt deutlich kürzer. Das Risiko, dass der Mutterkuchen in die Gebärmutter einwächst (Plazenta accreta/increta/percreta), ist zudem signifikant geringer. Wie bereits bei den Nachteilen eines Kaiserschnitts aufgeführt, neigen Kinder nach einer „normalen“ Geburt beispielsweise seltener zu entzündlichen Darmerkrankungen.
Welche Folgen hat die Geburtsform für die Frauen?
„Die Folgen eines Kaiserschnittes beschreiben viele Frauen unangenehmer als die einer vaginalen Geburt", erklärt Dr. Aschalew. Da das Schmerzempfinden einer Frau sehr subjektiv ist, kann man nur auf die Erfahrungen von Patientinnen zurückgreifen, die beide Formen der Geburt erlebt haben. Die Schmerzen nach einer Sectio treten häufig erst nach der Geburt auf, auch noch nach Jahren, was an der Narbenbildung im Bereich der Haut und Unterhaut liegen kann.
Natürliche Geburt nach einem Kaiserschnitt
Eine spontane Geburt nach einem Kaiserschnitt ist möglich, sofern in der vorherigen Schwangerschaft kein T-Schnitt der Gebärmutter oder eine Uterusruptur aufgetreten sind. In der Regel wird ein T-Schnitt horizontal im unteren Bereich der Gebärmutter gesetzt. Bei einer vaginalen Geburt nach einer Sectio muss verstärkt auf die Zeichen einer Uterusruptur geachtet werden. Nach zwei oder mehr Kaiserschnitten raten Expert:innen zu einem erneuten Kaiserschnitt.
Kaiserschnitt oder normale Geburt – die Frau entscheidet
Ob ein Kind per Kaisergeburt oder natürlicher Entbindung zur Welt kommt, kann die werdende Mutter grundsätzlich selbst entscheiden. Hierbei sind die Gründe individuell verschieden und sollten vom jeweiligen Umfeld akzeptiert werden. Allerdings gibt es medizinische Indikationen, die einen Kaiserschnitt notwendig machen, um das Wohl von Mutter und Kind nicht zu gefährden. Letztendlich steht das Wohl von Frau und Baby immer im Mittelpunkt und egal, auf welchem Weg eine Mutter ihr Kind auf die Welt bringt, sie hat Großartiges geleistet.