Wozu dient die Nabelschnur?
Die Nabelschnur verbindet das Baby mit dem Mutterkuchen, der Plazenta. Sie ist circa 15 Millimeter dick, 50 bis 60 Zentimeter lang und spiralförmig gedreht. „In der Nabelschnur verlaufen drei Blutgefäße, die für den Stoffwechsel sowie den Sauerstoffaustausch und somit für die Versorgung des Kindes verantwortlich sind“, sagt Dr. Zoltan Derzsy.
Die Blutgefäße sind in ein gallertiges Bindegewebe, die sogenannte Wharton-Sulze, eingebettet. Durch die besondere und einzigartige Struktur der Wharton-Sulze bleibt die Nabelschnur gleichzeitig flexibel und ist vor Druck oder Abknicken geschützt.
Nabelschnur auspulsieren lassen: Vor- und Nachteile
„Nach der Geburt wird die Nabelschnur in der Regel abgeklemmt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sie noch teilweise auspulsieren zu lassen“, sagt der Pforzheimer Chefarzt.
Für die Mutter hat das Auspulsieren der Nabelschnur keine Nachteile. Durch das spätere Abnabeln wird der Rückfluss vom Blut aus der Plazenta in das Baby ermöglicht. Neugeborene haben dadurch in den ersten Lebenstagen deutlich höhere Hämoglobinwerte (Eisenwerte). Auch sechs Monate nach der Geburt sind die Eisenspeicher dieser Säuglinge noch höher als bei Kindern, die zu früh abgenabelt wurden.
Vorgaben, wann der beste Zeitpunkt zum Abnabeln ist, gibt es nicht. Grundsätzlich sollte dies bei gesunden Babys aber erst nach 60 Sekunden erfolgen.
Vorteile des Auspulsierens
- bis zu 40 Prozent höheres Blutvolumen
- bis zu 60 Prozent mehr rote Blutkörperchen
- erhöhte Eisenvorräte auch sechs Monate nach der Geburt
- höheres Geburtsgewicht bei Frühchen und Säuglingen nach komplizierten Geburten
- mehr Sauerstoff, um schnell selbstständig zu atmen
- höhere Anzahl an Stammzellen für eine verbesserte Immunabwehr
- Lösung des Mutterkuchens komplikationsärmer
Nachteile des Auspulsierens
- Risiko einer Neugeborenengelbsucht, wenn zu spät abgenabelt
- nicht mehr ausreichend Blut vorhanden zum Einlagern von Nabelschnurblut
Frühes Durchtrennen der Nabelschnur
„Aus medizinischen Gründen müssen wir manchmal sofort eine Abnabelung durchführen und können nicht warten, sie auspulsieren zu lassen“, sagt Chefarzt Derzsy.
Gründe für ein frühes Abnabeln
- Nabelschnur liegt um den Hals des Kindes
- gesundheitliche Versorgung des Babys, zum Beispiel bei Frühchen
- Rhesus-negative Frauen, die Probleme mit der Antikörperbildung haben
- Geplantes Einlagern/Einfrieren von Nabelschnurblut
Was passiert mit dem Nabelschnurblut?
Nabelschnurblut ist das Blut des Neugeborenen, das nach der Entbindung in der Nabelschnur und der Plazenta zurückbleibt. Nach der Geburt erhält das Baby den notwendigen Sauerstoff über die eigene Atmung und die Nährstoffe über die Muttermilch, wodurch die Nabelschnur nicht mehr nötig ist.
Chefarzt Dr. Derzsy sagt: „Früher wurden Nabelschnur und Plazenta nach der Entbindung entsorgt. Heute lassen sich aus dem Nabelschnurblut Stammzellen gewinnen, die man einfrieren und lagern kann. Die gewonnenen Stammzellen können bei Patienten, die an einer Erkrankung des blutbildenden Systems leiden, etwa Leukämie, die Blutbildung und das Immunsystem erneuern.“ Denn Stammzellen aus Nabelschnurblut sind noch nicht vollständig ausgereift, sodass ein verringertes Risiko für eine Abstoßungsreaktion besteht.
Nabelschnurblut-Spende
Nach der Geburt besteht die Möglichkeit, das Blut zu spenden. Dazu werden der Mutter am Tag der Entbindung etwa 20 Milliliter Blut entnommen, um Oberflächenmerkmale zu bestimmen und mögliche Infektionskrankheiten zu identifizieren.
Ist das Kind geboren, punktiert der Arzt die Nabelschnurvene und entnimmt mindestens 57 Milliliter Blut zur Stammzellgewinnung. Das Blut kann danach unbefristet in einer Nabelschnurblutbank gelagert werden. Mit der Spende erlischt der Anspruch, später einmal selbst die Stammzellen zu nutzen.
Bei einer gerichteten Spende von Nabelschnurblut dürfen die gewonnenen Stammzellen ausschließlich für ein erkranktes Geschwisterkind oder einen Verwandten ersten Grades genutzt werden.
Gegen eine Gebühr bei einer privaten Firma können Eltern das Nabelschnurblut ihres Kindes auch dort einlagern lassen. Dadurch bleibt der Anspruch bestehen, die Stammzellen für das eigenes Kind zu verwenden..
Lotusgeburt – ohne Abtrennung der Nabelschnur
Die sogenannte Lotusgeburt rückt diese besondere Verbindung stärker in den Fokus. Das Kind wird bei dieser Geburtsform nicht von der Plazenta getrennt. Die Nabelschnur bleibt intakt und fällt zwischen dem fünften und zehnten Tag nach der Geburt von selbst ab.
Die Plazenta wird in dieser Zeit täglich mit Salz, ätherischen Ölen und Kräutern eingerieben, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen und gleichzeitig ein Faulen des Gewebes zu verhindern. Sie kann während dieser Zeit in einem Tongefäß oder einer speziellen Tragetasche als Begleiter des Kindes aufbewahrt werden.
Hinweis der Redaktion: Die im Zitat gewählte männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche und diverse Personen, die ausdrücklich mitgemeint sind.