Ab wann gelten Schwangere als übergewichtig oder adipös?
Übergewicht und Adipositas bestimmen Ärzt:innen mithilfe des Body-Mass-Index (BMI). Dieser setzt die Körpergröße in Bezug zum Körpergewicht. "Ab einem BMI von 25 sprechen wir von Übergewicht, ab einem BMI von 30 ist eine Patientin adipös", erklärt Prof. Dr. Till Hasenberg, Chefarzt für Adipositas und Metabolische Chirurgie im Helios Klinikum Niederberg.
In Deutschland haben rund ein Drittel aller Frauen im gebärfähigen Alter einen BMI von mehr als 25.
Gewichtzunahme während der Schwangerschaft
Das US-amerikanische Institute of Medicine (IOM) und das National Research Council (NRC) haben im Jahr 2009 Empfehlungen für die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft erstellt. Diese orientieren sich am BMI der Frau vor der Schwangerschaft.
Es gelten folgende Empfehlungen:
- Gewichtszunahme bei einer normalgewichtigen Frau (BMI 22-25): 1,5 bis 16 Kilogramm
- Gewichtszunahme bei einer übergewichtigen Frau (BMI 25–29,9): 7 bis11,5 Kilogramm
- Gewichtszunahme bei einer adipösen Frau (BMI ≥ 30): 5 bis 9 Kilogramm
Ist abnehmen in der Schwangerschaft sinnvoll?
Für übergewichtige Schwangere kann es ratsam sein, die Ernährung umzustellen und alte Gewohnheiten zu verbessern, um Erkrankungen wie einen Schwangerschaftsdiabetes zu vermeiden. Ernährungsumstellungen sollten immer eng mit der/dem behandelnden Ärzt:in besprochen werden, um eine ideale Nährstoffversorgung für das Baby und die werdende Mutter sicherzustellen.
„Von Diäten rate ich in jedem Fall ab. Eine Gewichtsabnahme könnte eine Gefahr für das ungeborene Kind bedeuten. Vielmehr sollten Frauen auf eine Kombination aus gesunder Ernährung und Bewegung setzen“, sagt Prof. Hasenberg.
Risiken bei einer Schwangerschaft mit Übergewicht
Mit steigendem Gewicht steigt auch das Risiko für Mutter und Kind. Die Babys von übergewichtigen Frauen neigen dazu, deutlich größer und schwerer zu sein als die Säuglinge normalgewichtiger Frauen. Dies kann die Geburt erschweren. Bei adipösen Schwangeren liegt die Kaiserschnittrate daher deutlich höher.
Zudem ist das Risiko für Missbildungen bei Kindern übergewichtiger Frauen statistisch höher als bei normalgewichtigen Schwangeren. Hinzu kommt, dass die bildgebende Diagnostik wie der Ultraschall bei übergewichtigen Schwangeren erschwert ist.
Vielen dieser Risiken können Schwangere mit Übergewicht allerdings entgegenwirken. Neben einer frühzeitigen Ernährungsumstellung ist eine enge Abstimmung mit der Entbindungsklinik ausschlaggebend.
Zu den bekanntesten Risiken zählen außerdem:
- Schwangerschaftsdiabetes
- Bluthochdruck
- Schlafapnoe (Atemstörungen beim Schlafen)
- Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung)
- Fehlgeburt (vor allem bei BMI größer als 40)
- Nachblutungen
- Wundheilungsstörungen
- Totgeburten
Ernährung und Sport in einer Schwangerschaft mit Übergewicht
Das Thema Ernährung spielt in jeder Schwangerschaft eine Rolle – vor allem, weil Übelkeit oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten häufig als Begleiterscheinungen auftreten. Besonders Frauen mit Übergewicht oder Adipositas sollten ihren Fokus während der Schwangerschaft auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung legen.
„Wichtig ist das Bewusstsein, dass die Frauen nicht ‚für zwei‘ essen müssen, sondern der tatsächliche Energiebedarf im Schwangerschaftsverlauf nur leicht ansteigt“, erklärt der Chefarzt. Der Energiebedarf ist in den letzten Monaten der Schwangerschaft nur etwa zehn Prozent höher als vor der Schwangerschaft. „Der Körper braucht also nur geringfügig mehr Energie - jedoch erheblich mehr Mineralstoffe und Spurenelemente“, so Hasenberg.
Daher sollten schwangere Frauen oder Frauen, die eine Schwangerschaft planen, auf eine abwechslungsreiche Ernährung achten.
Auch körperliche Aktivitäten in der Schwangerschaft sind der Gesundheit von Mutter und Kind zuträglich. Hier ist zu beachten, dass Schwangere ihr sportliches Training vorab immer mit der/dem behandelnden Ärzt:in besprechen und nur mit mäßiger Intensität ausüben sollten. Besonders geeignet sind Sportarten, die große Muskelgruppen beanspruchen.
Dazu zählen beispielsweise:
- Radfahren
- Schwimmen
- Wandern
- Nordic Walking
Nicht zu empfehlen sind:
- neue Sportarten mit ungewohnten Bewegungsabläufen
- aber auch Mannschafts-, Kampf- oder Kontaktsportarten.
Wann spürt eine übergewichtige Frau ihr Baby?
Ab wann eine werdende Mutter ihr Kind spürt, ist sehr individuell. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass es keinen Unterschied in der Wahrnehmung von Kindsbewegungen zwischen übergewichtigen und normalgewichtigen Schwangeren gibt.
„Die Kinder von korpulenteren Frauen haben mehr Platz, weshalb in den ersten Monaten oft gar kein vorstehender Bauch zu sehen ist. Ein Babybauch ist meist erst im letzten Drittel der Schwangerschaft erkennbar“, sagt Prof. Hasenberg.
Vorsorge bei einer Schwangerschaft mit Übergewicht
Bereits vor der Schwangerschaft sollten Frauen mit Übergewicht oder Adipositas an das Abnehmen denken. „Adipöse Frauen haben ein deutlich erhöhtes Risiko ungewollt kinderlos zu bleiben, deshalb sind viele Frauen schon vor dem Kinderwunsch motiviert, ein gesundes Körpergewicht zu erreichen“, so der Experte. Dafürkönnen, je nach Ausmaß des Übergewichts, Ernährungs- und Bewegungstherapien aber auch Adipositas-Operationen zum Einsatz kommen.
Im Schwangerschaftsverlauf müssen sich die Patientin, aber auch die behandelnden Gynäkologen und Hebammen, der besonderen Risiken bewusst sein. Bei schlechten Bedingungen für einen Ultraschall, empfehlen internationale Leitlinien eine häufigere Wiederholung. Vor der geplanten Geburt sollte das Gespräch mit dem Narkosearzt gesucht werden, um auch hier mögliche Risiken zu besprechen. „Vor allem stark adipösen Schwangeren empfehle ich eine Entbindung in einem Perinatalzentrum. Das gilt auch für übergewichtige Frauen, die bereits im Schwangerschaftsverlauf mit Komplikationen zu kämpfen haben", erklärt Chefarzt Prof. Dr. Hasenberg.
Ultraschall bei Schwangeren mit Übergewicht
Eine Ultraschalluntersuchung bei übergewichtigen Schwangeren unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der Untersuchung bei einer normalgewichtigen Frau. „Da die Schallwellen aber auf dem Weg durch das Gewebe abgeschwächt werden, werden die Bilder bei zunehmender Gewebedicke ungenauer“, erklärt Hasenberg.
Einige Studien zeigen, dass eine adäquate Untersuchung bei sehr adipösen Schwangeren schwieriger sein kann als bei normalgewichtigen Frauen. Zudem gelingt eine genaue Bildgebung oftmals erst zu einem späteren Schwangerschaftszeitpunkt. „Spezielle Untersuchungstechniken, moderne Ultraschallgeräte aber auch eine große Erfahrung mit übergewichtigen Schwangeren können diese Schwierigkeiten verringern“, so der Chefarzt.