Angst – was ist das genau?
Beim Empfinden von Angst werden Stresshormone ausgeschüttet. Dadurch ist der Körper in der Lage, bei erhöhter Belastung konzentrierter zu arbeiten. Man handelt instinktiver und ist befähigt, Gefahrensituationen besser zu bewältigen. Wo weder Krieg noch Gewalt herrschen, muss der Mensch nicht mehr täglich um sein Dasein fürchten. Viele Ängste, die ihn einst beim Leben in freier Natur zu erhöhter Achtsamkeit animierten, sind längst überflüssig geworden – gänzlich verschwunden sind sie allerdings nicht.
Angstauslösende Faktoren können körperliche oder seelische Gewalt, sexueller Missbrauch, manchmal aber auch langanhaltender Stress sein. Hunderte von Gedanken kreisen gleichzeitig durch den Kopf, man grübelt, wägt ab und sucht nach Lösungen der anstehenden Probleme – ein Strudel, der Betroffene nicht zur Ruhe kommen lässt.
„Liebevolle Warnsignale“ des Körpers
Nicht immer müssen die Ursachen solcher Ängste gravierenden Ausmaßes sein. Mitunter reicht schon eine Kleinigkeit, um nervös oder panisch zu werden. Auch ein Blick aus schwindelerregender Höhe gen Boden, die Angst vor Spinnen (Arachnophobie) oder der Gedanke an einen bevorstehenden Flug können Ängste auslösen. Doch ganz gleich welche Schrecken die betroffene Person ausstehen muss, der Körper reagiert in diesen Situationen mit einer fast immer gleichen Schutzreaktion. Er sendet „liebevolle Warnsignale”.
Um diese Warnung deutlich anzuzeigen, produziert er Panikattacken, die mit folgenden Beschwerden einhergehen können:
- Atemnot
- Herzrasen oder unregelmäßigen Herzschlägen
- heftigem Schwitzen
- Engegefühl im Hals, das auch Erstickungsgefühle auslösen kann
Auch weiche Knie, Schwindelgefühle und Übelkeit können „Ängstliche“ in solchen Momenten überkommen.
Panikattacken sind körperlicher Stress
Expert:innen wie Dr. Christian Gerhardt, Ärztlicher Leiter der Spezialsprechstunde und Funktionsoberarzt der Psychiatrischen Institutsambulanz im Helios Park-Klinikum Leipzig, schätzen, dass etwa elf Prozent aller Deutschen innerhalb eines Jahres mindestens eine Panikattacke erleiden. Die benannten Symptome, sagt er, steigerten sich dabei innerhalb weniger Minuten. Dr. Gerhardt erklärt: „Panikattacken sind Phasen einer intensiven körperlichen Stressreaktion, die innerhalb weniger Minuten ihr Maximum erreichen. Danach klingen sie im Normalfall selbstständig wieder ab.“
Ein Problem sei jedoch, dass ähnliche Symptome auch bei körperlichen Krankheiten auftreten, etwa einem Herzinfarkt. Von daher glauben viele Betroffene erst einmal an eine körperliche statt eine psychische Ursache ihrer Beschwerden. Der Weg zur Hausärztin beziehungsweise zum Hausarzt oder in die Notfallambulanz erscheint dann nachvollziehbarer als die Abklärung psychischer Anlässe.
Angst akzeptieren
Warum der Körper in Stresssituationen, worunter übrigens auch der leidliche Liebeskummer zählt, so reagiert, hat ursprünglich nur einen Grund. „Eine Angst- oder Panikattacke soll uns schützen. Sie soll den Menschen flucht- oder auch kampfbereit machen“, erläutert Dr. Gerhardt. Sofern dieses Phänomen eine Ausnahme bleibt und sich keine körperlichen Ursachen finden, müsse sich niemand ernstere Gedanken machen. Kritisch werde es erst, wenn diese Fälle des Öfteren auftreten oder die Person bereits Angst vor der nächsten Angstattacke hat und beginnt, sein Leben aufgrund der Beschwerden einzuschränken. Psycholog:innen sprechen dann von einer Panikstörung.
Manchmal jedoch hilft es schon, sich den „dunklen Gedanken“ selbstbewusst entgegenzustellen. „Ein erster Schritt könnte sein, den Gedanken zuzulassen, dass Angst kein zu fürchtender Feind ist. Betroffene können lernen, dass ihr Angsterleben in den eigenen Händen liegt“, erläutert der Experte. Oft helfen bereits allgemeine Verhaltensregeln, etwa das Pflegen eines sinnvollen Wechsels aus Aktivität und Entspannung, ausreichend Schlaf, regelmäßiges Sporttreiben oder die genaue Beachtung von Medikamenteneinnahmen, um der Situation zu entfliehen.
Mit professioneller Hilfe der Angst entgegentreten
Wenn sich die Stressattacken zur dauerhaften Panikstörung ausweiten, ist professionelle Hilfe wichtig. „Hier findet man im Regelfall schwer allein heraus. Nicht selten ziehen sich die Patientinnen und Patienten aus dem gesellschaftlichen Leben immer weiter zurück, büßen einen großen Teil ihrer Lebensqualität ein. Sie scheuen den Weg in die Öffentlichkeit, auch weil sie befürchten, unkontrolliert einen neuen Panikanfall oder in der Attacke keine Hilfe zu bekommen“, berichtet Dr. Gerhardt von den Erlebnissen seiner Patient:innen.
„Panikattacken sind ein Phänomen, das jeden treffen kann. Größten Respekt habe ich deshalb vor denen, die ihrer Angst ins Auge blicken und nach Wegen zur Bewältigung suchen. Derart mutige Menschen treffe ich im Verlaufe meiner Therapiegespräche oft. Das zeigt mir, dass man vor Angst keine Angst haben muss“, betont Christian Gerhardt.