Was wird für die Sicherheit der Patient:innen vor einer Operation getan?
Johannes Rhein: „Bevor eine Patientin oder ein Patient operiert wird, besprechen im Vorfeld die Ärztinnen und Ärzte der Anästhesie mit den Patienten das individuell geeignete Anästhesieverfahren. Ob wir beispielsweise eine Allgemeinanästhesie, auch Vollnarkose genannt, eine Teilbetäubung oder gar eine Kombination von beidem einsetzen, das klären wir in einem ausführlichen Gespräch in unserer Anästhesie-Sprechstunde. Dort befragen wir die Patienten zu Allergien, Vorerkrankungen und zu ihrem allgemeinen gesundheitlichen Zustand. Dann klären wir sie über die Anästhesietechniken und Medikation sowie über mögliche Risiken und Nebenwirkungen auf. Bei all dem ist es uns ein großes Anliegen, zu unseren Patienten ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Ängste und Sorgen vor einer Anästhesie sollten Patienten unbedingt in diesem Gespräch äußern. Ebenso Vorerkrankungen, die vielleicht nicht in der Akte stehen, wie Reiseübelkeit oder Migräne. Mithilfe all dieser Informationen wählen wir das Narkosemittel und die Narkoseart aus, die für den Patienten persönlich am besten ist. Und schließlich sind wir Anästhesisten nicht nur vor, sondern auch während und nach der Operation an der Seite unserer Patienten, betreuen sie und sorgen so für ihre Sicherheit.“
Was ist die Aufgabe von Anästhesist:innen?
Johannes Rhein: „Anästhesisten sind Fachärzte für Anästhesiologie. Oft werden sie auch als Narkoseärzte bezeichnet. Sie arbeiten fachübergreifend mit Kolleginnen und Kollegen aller anderen Fachbereiche zusammen und begleiten die Patienten durch den gesamten Prozess der Anästhesie/Narkose. Das heißt, Anästhesisten überwachen und steuern alle lebenswichtigen Körperfunktionen des Patienten vor und während der Operation sowie anschließend im Aufwachraum. Hierbei werden modernste Geräte und Techniken eingesetzt. Um die Sicherheit unserer Patienten zu garantieren, haben wir ein Team, das nicht nur aus ärztlichem Personal, sondern auch aus hoch qualifizierten Anästhesie-Pflegekräften besteht. Bei größeren Eingriffen oder ausgeprägten Nebenerkrankungen betreuen wir die Patienten nach der Operation auf der Intensivstation weiter.“
Wie erklären Sie sich die Angst der Patient:innen vor einer Narkose?
Johannes Rhein: „Eine Narkose wird nicht von allen Patienten gleich bewertet. Nicht alle haben Angst. Einige Menschen empfinden die Vorstellung, tief zu schlafen und nichts zu spüren, als ausgesprochen beruhigend und werten dies als einen Komfort. Andere wiederum haben oft mehr Angst vor der Narkose als vor dem eigentlichen operativen Eingriff, sind in Sorge nicht mehr aufzuwachen oder während der Operation nicht tief zu schlafen beziehungsweise Schmerzen zu verspüren. Zudem besteht oftmals das Gefühl des Ausgeliefertseins, Kontrollverlustes oder der Scham.
Deshalb ist es unser Ziel, Patienten so zu informieren, dass sie sich von der Qualifikation der anästhesiologischen Betreuung überzeugen können, über den Ablauf aufgeklärt sind und dem operativen Eingriff beruhigt und ohne Sorgen entgegensehen können. Denn letztlich steht die Patientensicherheit für uns an allererster Stelle.“
Welche Beschwerden können nach der Narkose auftreten?
Johannes Rhein: „In der Regel erleben Patienten das Erwachen aus der Narkose als angenehm, fragen oft, ob sie schon operiert worden sind. Seltene Nebenwirkungen können Übelkeit, Frösteln und Halsschmerzen sein. Unsere Pflegekräfte im Aufwachraum überwachen die Patienten und geben ihnen bei Beschwerden in Absprache mit den behandelnden Ärzten entsprechende Medikamente. Mit Übelkeit nach der Narkose beispielsweise haben vor allem Frauen zu kämpfen – oder Menschen, die unter Reiseübelkeit leiden. Weist ein Patient hier Risikofaktoren auf, geben wir bereits während der Narkose ein Mittel, um dem vorzubeugen. Routinemäßig bieten wir unseren Patienten nach der Operation zudem ein Wassereis an – dies reduziert nachweislich den Medikamentenbedarf und stärkt das Wohlbefinden, so schwellen etwa die Schleimhäute ab und der leere Magen wird beruhigt.“
Und müssen Patient:innen Angst vor Schmerzen haben?
Johannes Rhein: „Nein, Patienten brauchen keine Angst vor Schmerzen zu haben. Sie erhalten Schmerzmedikamente nach einem Stufenkonzept. Schon während der Operation verabreichen wir prophylaktisch Schmerzmittel. Nach dem Erwachen können einerseits Injektionen, die wir direkt in die Blutbahn über den liegenden Venenzugang verabreichen, schnell und effektiv helfen. Gleichzeitig werden auch Schmerztabletten verordnet, sobald die Patienten trinken können. Und besonders effektiv sind Teilbetäubungsverfahren. Hierbei werden bei hierfür geeigneten Eingriffen über einen Schmerzkatheter Medikamente direkt in Nervennähe gebracht. Auf diese Weise kann der Patient zusätzliche Medikamentengaben nach Bedarf über eine Pumpe abrufen und so die Schmerztherapie selbst steuern. Diese sogenannte patientenkontrollierte Analgesie wird auch mit Medikamenten über die Vene eingesetzt.“
Haben Sie noch Hinweise? Was sollte unbedingt beachtet werden?
Johannes Rhein: „Wichtig ist, dass die Patienten die Hinweise im Vorgespräch vor der Operation einhalten. Ein besonderes Problem stellt es dar, wenn Patienten vor der Narkoseeinleitung gegessen haben. Denn durch die Anästhetika werden die Schutzreflexe ausgeschaltet und somit auch der Schluck- und Hustenreflex. Es besteht daher die Gefahr, dass Mageninhalt während der Narkose in den Rachen gelangt, eingeatmet wird und eine Lungenentzündung hervorruft.
In der Regel gelten deshalb folgende Empfehlungen: Mindestens sechs Stunden vor der Narkoseeinleitung sollte der Patient keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Klare Flüssigkeiten wie Wasser, fruchtfleischlose Säfte, Tee oder Kaffee ohne Milch können in kleinen Mengen bis zu zwei Stunden vor Narkoseeinleitung getrunken werden. Weitere Details, auch wenn Medikamente eingenommen werden, müssen mit dem Anästhesisten zuvor genau abgesprochen werden.
Weiterhin empfehlen wir Patienten auf Gesichts- und Körpercreme, Make-up, Nagellack und Schmuck zu verzichten. Der Grund: Eine unverfälschte Sicht auf das Gesicht, Finger und die Zehen dienen der allgemeinen Krankenbeobachtung. Wir sehen bereits an der Farbe der Fingerspitzen oder an der Durchblutung der Haut, ob der Patient Störungen hinsichtlich der Sauerstoffversorgung entwickelt. Auch Kontaktlinsen sind untersagt, Brillen nur bei starker Fehlsichtigkeit erlaubt. Über einen herausnehmbaren Zahnersatz oder Hörgeräte sollte der Anästhesist informiert sein. Zudem darf am Tag der Operation nicht mehr geraucht werden.“
Hinweis der Redaktion: Die im Interview gewählte männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche und diverse Personen, die ausdrücklich mitgemeint sind.