Bänderriss am Handgelenk: Neue Operationsmethode für mehr Beweglichkeit
An der Funktionsfähigkeit der Hände kann eine ganze Karriere hängen“, stellt Dr. Nicky Schettler gleich zu Beginn klar. Er ist leitender Oberarzt der Handchirurgie in der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Handchirurgie des Helios Klinikums Erfurt. Seit 2015 führt er eine Langzeitstudie zu einem neuen Verfahren durch. Dabei geht es um die Rekonstruktion des scapholunären (SL-)Bandes mit einer körpereigenen Sehne. So kann die Funktions- und Gebrauchsfähigkeit des Handgelenks nach einem Unfall wiederhergestellt werden. Seine Dokumentationen sollen zeigen, ob die neue Operationsmethode eine dauerhafte Verbesserung für Patient:innen bedeutet.
„Wir führen in unserem Haus etwa fünf bis zehn SL-Band-Rekonstruktionen im Jahr durch. Dafür verwenden wir eine Methode, die 2013 in den USA entwickelt wurde. Sie verspricht eine enorme Verbesserung der Beweglichkeit und Kraft im Handgelenk.“ Vor etwa sechs Jahren hat Dr. Schettler diese im Helios Klinikum Erfurt etabliert: Über einen etwa sieben Zentimeter langen Schnitt wird dabei eine körpereigene Sehne, verstärkt durch einen Karbonfaden, als Bandersatz eingesetzt. Dieser Bandersatz wird mit speziellen Kunststoffankern im Knochen befestigt.
Ein unverzichtbares Band im Handgelenk
Das SL-Band ist ein wichtiger Stabilisator der Handwurzel. Es verbindet das Kahnbein (Osscaphoideum) mit dem Mondbein (Os lunatum) und bildet gemeinsam mit den Unterarmknochen, Elle und Speiche das Handgelenk. In Summe dientdie Konstruktion als Bindeglied und Kraftüberträger zwischen Hand und Unterarm. Das Handgelenk ermöglicht Handbewegungen und trägt damit zur Selbstständigkeit eines Menschen bei.
Diagnose Bänderriss
Reißt das SL-Band durch Verschleiß oder einen Unfall, sollte das umgehend behandelt werden. Besonders Sportler, Musiker und Handwerker gehören zu den Betroffenen, doch auch in Haushalt und Garten lauern Gefahrenquellen. Eine Verletzung macht sich entweder unmittelbar oder aber auch erst nach längerer Zeit bemerkbar – mit anhaltenden Schmerzen und eventueller Bewegungseinschränkung. Röntgenaufnahmen, Computertomographie, Magnetresonaztomographie oder Arthroskopien bringen den Riss dann zum Vorschein. Zu spät erkannt oder falsch behandelt, führt dies zum sogenannten SLAC-Wrist (Scapholunate Advanced Collapse), was im Endstadium eine Handgelenksarthrose mit schmerzhafter Gelenkeinsteifung bedeutet.
Operative Behandlung
Die operative Rekonstruktion des SL-Bandes zählt zu den anspruchsvollsten Operationen in der Handchirurgie. Veraltete Verfahren sind sehr komplex und zwangsläufig mit verlängerten Genesungszeiten und stationären Aufenthalten verbunden. Denn operativ eingebrachte Drähte versteifen das Handgelenk vorübergehend und müssen in einem zweiten Eingriff wieder entfernt werden. 40 Prozent aller Unfallverletzten haben Verletzungen im Hand- und Handgelenksbereich.
Resultat seiner Langzeitstudie
Um die Ergebnisse seiner durchgeführten Operationen zu validieren, führt Dr. Schettler seit 2014 eine von der Landesärztekammer Thüringen genehmigte Langzeitstudie durch. Sein Fazit hat er im Oktober 2020 beim 60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie in Münster vorgestellt. Seine Daten zeigen, dass eine zusätzliche Drahtversteifung überflüssig ist – den Patient:innen kann also ein zweiter Eingriff zur Entfernung des Drahts erspart bleiben. Ebenso wird deutlich, dass nahezu alle Patient:innen, die mit dieser Methode behandelt wurden, nach drei bis sechs Monaten wieder in ihren Beruf zurückkehren konnten.
Patient Karsten Krupp spricht aus Erfahrung
Karsten Krupp aus Schwabhausen arbeitet als Maurer. Der 46-Jährige ist beruflich auf die Funktionalität seiner Hände angewiesen. „Das ständige Heben und Tragen schwerer Bauteile hat meine Handgelenke überlastet. Der Schmerz war teilweise so gigantisch, dass ich nachts nicht mehr schlafen konnte.“ Die bildgebenden Untersuchungen im Helios Klinikum Erfurt brachten es dann zum Vorschein: In beiden Gelenken waren die Bänder gerissen. Krupp entschied sich für eine Operation, durchgeführt von Handchirurg Dr. Nicky Schettler. Bei diesem Eingriff wurde ihm ein Stück körpereigener Sehne aus dem Unterarm entfernt und zur Rekonstruktion des SL-Bandes im Handgelenk genutzt. Im Anschluss musste die Feinmotorik neu erlernt werden. „In der Ergotherapie gab es dafür ganz fiese Spielchen“, fügt Karsten Krupp hinzu. „Ich bin so froh, dass ich mich für die Operation entschieden habe. Es ist, als könnte ich ganze Bäume ausreißen.“