Etwa 30 Blutgruppen-Systeme sind heute bekannt. Für den medizinischen Alltag sind viele von ihnen allerdings relativ unbedeutend, da sie nur bei bestimmten Erkrankungen und dabei notwendigen Bluttransfusionen, wichtig sein können. Die bekanntesten Blutgruppensysteme sind das AB0-System und das Rhesussystem.
Wer entdeckte die Blutgruppen?
Dr. Karl Landsteiner gilt als der Entdecker des AB0-Systems. So stellte der in Österreich geborene Mediziner bei Forschungen im Jahr 1900 fest, dass das menschliche Blut unterschiedlicher Personen oft – aber nicht immer – miteinander verklumpte.
Für die Entdeckung der verschiedenen Antigen-Eigenschaften der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) erhielt er 1930 den Nobelpreis. International verständigte man sich ab 1928 darauf, die Blutgruppen mit „A“, „B“, „AB“ und „0“ zu benennen.
Im Jahr 1940 entdeckte Landsteiner ein weiteres, wichtiges Merkmal, das bis heute vielen Blutspenderinnen und Blutspendern gut bekannt ist: den Rhesusfaktor. Der Name stammt von den Rhesusaffen, bei denen diese Eigenschaft zuerst erforscht wurde.
Welche Blutgruppen gibt es?
„Blutgruppen besitzen unterschiedliche Merkmale auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen, etwa Eiweiß- und Zuckerverbindungen. Diese bilden die körpereigenen Blutgruppenmerkmale oder –antigene und bestimmen die Blutgruppe eines Menschen", sagt Dr. Britt Schwenz , Chefärztin am Institut Labormedizin, Transfusionsmedizin und Mikrobiologie im Helios Klinikum Pforzheim.
Das AB0-System ist in vier Blutgruppen unterteilt: A, B, AB und 0. In Deutschland leben 37 Prozent mit der Blutgruppe A+, dicht gefolgt von der Blutgruppe 0+. Die Blutgruppe AB ist am seltensten vertreten.
Blutgruppenverteilung in Deutschland
Was sind Blutgruppen-Antikörper?
Nicht alle Blutgruppen können miteinander kombiniert werden. Grund sind die Blutgruppen-Antikörper. Hiervon gibt es unterschiedliche Typen. Im ersten Lebensjahr entstehen nach Kontakt des menschlichen Immunsystems mit Bakterien sogenannte Isoagglutinine (Antikörper), wie sie in der Tabelle unten aufgeführt sind. Nach Bluttransfusionen oder in der Schwangerschaft, wehrt sich das Immunsystem gegen Eigenschaften, die es nicht selber besitzt und bildet daraufhin Antikörper.
„Vor jeder Bluttransfusion sucht man zunächst nach Antikörpern im Blutgruppensystem, um eine Abwehrreaktion zu verhindern", so die Pforzheimer Chefärztin. Dies ist auch der Grund, warum Schwangere immer ihren Mutterpass bei sich führen sollten. In diesem sind die Blutgruppe und eventuelle Antikörper eingetragen.
Denn: „Erhält ein Patient oder eine Patientin bei einer Bluttransfusion versehentlich Blut einer anderen Blutgruppe, kann das Blut aufgrund der Antikörper verklumpen", stellt Dr. Britt Schwenz klar.
Wie werden Blutgruppen vererbt?
„Jedes Kind bekommt die Blutgruppeneigenschaften der Eltern vererbt und erhält somit ein Blutgruppenmerkmal vom Vater und ein Blutgruppenmerkmal von der Mutter“, sagt Dr. Britt Schwenz.
Die Blutgruppeneigenschaften A oder B dominieren über die Blutgruppeneigenschaft 0. Heißt: Vererbt ein Elternteil die Blutgruppeneigenschaft B und ein Elternteil die Blutgruppeneigenschaft 0 hat das Kind immer die Blutgruppe B.
Die Blutgruppeneigenschaften lassen sich noch weiter unterteilen: So bedeutet etwa Blutgruppe A, dass die Person entweder die Blutgruppeneigenschaft "A0" (mischerbig) oder die Blutgruppeneigenschaft "AA" (reinerbig) hat.
Übersicht Blutgruppen der Eltern und mögliche Blutgruppe Kind
Was ist der Rhesusfaktor?
Das Rhesussystem ist neben den Blutgruppeneigenschaften das zweitwichtigste Blutgruppensystem. Es besteht insgesamt aus einer Gruppe von 50 zueinander ähnlichen Eiweißen.
„Der Rhesusfaktor gehört zum Rhesussystem und ist ein Oberflächeneiweiß auf den roten Blutkörperchen. Trägt ein Mensch dieses Oberflächeneiweiß D auf den roten Blutkörperchen, ist der Rhesusfaktor positiv. Trägt er es nicht, ist der Rhesusfaktor negativ", so die Chefärztin.
Die Blutgruppe wird dann als RhD pos. oder RhD neg. gekennzeichnet. Das sogenannte D-Antigen besitzen mehr als 80 Prozent der Deutschen.
Welche Bedeutung hat der Rhesusfaktor in der Schwangerschaft?
Rhesus-negative Frauen können während der Schwangerschaft Antikörper gegen den Rhesusfaktor des ungeborenen Kindes bilden, wenn der Kindsvater Rhesus-positiv ist und diese Eigenschaft an das Kind vererbt hat. In der ersten Schwangerschaft hat dies meist noch keine Auswirkungen.
Das ändert sich in der zweiten Schwangerschaft: Bei medizinischen Eingriffen oder bei der Geburt kann das Blut der Mutter mit dem des Kindes in Berührung kommen. Dann können sich die gebildeten Antikörper gegen die kindlichen roten Blutkörperchen richten und diese zerstören.
Bei einer zweiten Schwangerschaft kann es schlimmstenfalls zu Missbildungen oder sogar zum Tod des Kindes kommen. Aus diesem Grund bekommen Rhesus-negative Schwangere eine Injektion, die Antikörper gegen den Rhesusfaktor D (Anti-D oder auch Rhesogamprophylaxe) enthält, um das Kind zu schützen.
Die Blutkörperchen des Kindes, die in den mütterlichen Blutkreislauf übergetreten sind, werden von den gespritzten Antikörpern abgefangen und unschädlich gemacht, sodass das Immunsystem der Mutter nicht mehr darauf reagieren kann. Dadurch ist das Kind geschützt.
Keine Probleme gibt es, wenn eine Rhesus-positive Frau ein Rhesus-negatives Kind austrägt.
Was passiert bei einer Blutspende?
„Bei einer Blutspende werden circa 450 bis 500 Milliliter Blut abgenommen und anschließend die Bluteigenschaften getestet", so Transfusionsmedizinerin Schwenz.
Blutspenderinnen und Blutspender der Blutgruppe 0 können an alle Menschen Blut spenden. Menschen mit Blutgruppe A können ausschließlich anderen Menschen mit Blutgruppe A oder AB Blut spenden. Gleiches gilt für Menschen mit Blutgruppe B. Ihr Blut ist für Empfängerinnen und Empfänger mit Blutgruppe AB oder Blutgruppe B geeignet.
Bei einer Bluttransfusion testet der Arzt oder die Ärztin vorher, ob sich das Blut der Empfängerin oder des Empfängers mit dem der Spenderin oder des Spenders verträgt. Mittels des sogenannten "Bedside-Test", also einem Test am Patientenbett, wird sichergestellt, dass Empfänger- und Spenderblut wirklich zusammenpassen.
Dieser Test wird deshalb direkt am Patientenbett durchgeführt, um mögliche Verwechslungen im Labor auszuschließen.
„Goldenes Blut“: Was steckt dahinter?
Von goldenem Blut spricht man, wenn ein Mensch keinen Rhesusfaktor und keine weiteren Oberflächeneiweiße besitzt, die dem Rhesussystem zugeordnet sind. Der Mensch ist somit Rhesus Null. „Das besondere an goldenem Blut ist, dass es universal einsetzbar ist. Diese Menschen wären somit die perfekten Blutspender“, führt Dr. Britt Schwenz aus.
Aktuell geht man davon aus, dass circa 50 Personen weltweit die „seltenste Blutgruppe der Welt“ besitzen. Für diese Personen heißt das allerdings, dass sie nur Blutspenden von Menschen mit dem Rhesusfaktor Null erhalten können. In der Regel spenden diese Menschen oft für sich selbst Blut. Dieses wird eingefroren, sollte bei einem medizinischen Eingriff eine Bluttransfusion nötig sein.