Was bedeutet Bonding?
Der Begriff „Bonding" kommt aus dem Englischen und bedeutet „Verbindung". Er beschreibt die prägende Phase der beginnenden emotionalen Beziehung zwischen einem Säugling und seinen Eltern.
„Schutz, Wärme, Liebe und Zuwendung ist das, was jedes Baby nach der Geburt braucht. Bonding hilft uns dabei. Denn durch den ersten Hautkontakt nach der Geburt schaffen wir eine intensive Verbindung zwischen dem Baby und seinen Eltern", sagt Kathrin Tolle-Radigk. Sie ist Leitende Hebamme in der Helios Klinik Jerichower Land.
Was das Bonding unterstützt
Es ist gar nicht schwer für die Eltern, eine erste Bindung zum Neugeborenen aufzubauen. Das Baby schöpft Vertrauen aus:
- Nähe
- Herzschlag
- Geruch
- Wärme
- erstes Anlegen an die Brust
Warum ist Bonding wichtig?
Bonding prägt das Kind für zukünftige Beziehungen, denn es hilft dabei, Vertrauen zu schaffen. Es vermittelt zudem ein Gefühl der Sicherheit, indem Eltern lernen, angemessen auf die Körpersprache und Emotionen des Nachwuchses zu reagieren. Außerdem lernen Eltern durch Bonding, wie sie mit ihrer neuen Rolle als Mutter oder Vater umgehen können und gewinnen Zuversicht in ihre Fähigkeiten.
Durch Bonding erzeugen Eltern eine Zone aus Geborgenheit, Sicherheit, Liebe und Zuwendung. Das Anlegen an die Brust der Mutter befriedigt zudem die Bedürfnisse und versorgt das Kind mit Muttermilch.
Bonding kann sich auch noch im späteren Leben positiv auf das Kind auswirken. So kommt es zur Stärkung des Selbstbewusstseins und zum Ausbau des Empathieempfindens anderen gegenüber.
Vorteile für das Baby
- fördert das Urvertrauen
- leichteres Anpassen an die Außenwelt
- ruhigerer Schlaf
- bessere Temperaturregulierung
- Stillen von Anfang an unterstützt
Vorteile für die Mutter
- Milchbildung gefördert
- Erholung nach der Geburt verbessert
- Schmerzwahrnehmung gemindert
- emotionale Ausgeglichenheit erhöht
Sichere Bindung schon im Mutterleib
Eine erste Form des Bondings findet bereits vor der Geburt im Mutterleib statt. Dazu eignen sich insbesondere Meditation, Yoga oder auch Atemübungen. Auch die Stimmen der Familienmitglieder, Musik und gelegentliches „Hand auflegen" können die Bindung bereits in der Schwangerschaft stärken.
Methoden des Bonding für eine enge Beziehung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Eltern-Kind-Bindung langfristig zu stärken. Nach der Geburt bietet sich Hautkontakt mit Blut, Fruchtwasser und Käseschmiere an. Das Auflegen des Kindes auf die Brust der Mutter stärkt die Bindung, da es den mütterlichen Duft, ihren vertrauten Herzschlag und ihre Wärme wahrnimmt.
Stillen wirkt ebenfalls positiv. So kann intensives Stillen die Bindung zwischen Mutter und Kind fördern. Wenn Väter dem Baby Muttermilch aus der Flasche geben, sollten sie dabei am besten Oberkörperfrei sein, damit das Baby auch den väterlichen Körpergeruch und die Körperwärme spürt.
„Das erste Lebensjahr ist das Jahr des Haltens, Tragens und körperlichen Kontaktes. Co-Sleeping in einem Zimmer oder im Familienbett, ein Tragetuch, Babymassagen, Babyschwimmen sowie Rückbildungsgymnastik mit Kind und Stillen können sich positiv auf das Bindungsverhalten auswirken", erklärt Kathrin Tolle-Radigk.
Bonding aktiv fördern: So klappt es
Hautkontakt: Durch den direkten Kontakt von Haut auf Haut nimmt das Baby den Herzschlag von Mama oder Papa wahr und kann sich deren Körpergeruch einprägen. Kuscheln ist jetzt und in den kommenden Jahren wichtig für die Bonding-Phase.
Wärme: Durch die Körperwärme von Mama oder Papa fühlt sich das Neugeborene besonders geborgen. Wichtig ist, dass im Raum eine angenehme Temperatur herrscht und das Köpfchen nicht kalt wird. Gemeinsames Baden fördert ebenfalls die emotionale Verbindung zwischen Kind und Eltern.
Stillen: Beim Stillen schütten Mutter und Kind das „Kuschelhormon" Oxytocin aus, welches die Bindungsfähigkeit fördert. Zudem bekommt das Baby während des Stillens Nähe, Geborgenheit, Wärme und Nahrung. Wenn es mit dem Stillen nicht klappt, sollte möglichst viel Hautkontakt beim Füttern mit der Flasche hergestellt werden.
Intimsphäre: Gerade die erste Zeit sollte den Eltern und ihrem Neugeborenen gehören. Besucher:innen sollten zu Beginn nur in geringem Maß vorbeikommen.
Tragen: Zu Beginn sollte das Baby viel auf den Arm genommen, gehalten und dabei sanft geschaukelt werden. Dabei spürt das Kind Wärme, aber auch Sicherheit.
Blickkontakt: Zwar können Babys anfangs noch nicht richtig fokussieren, aber mit der Zeit werden sie schnell die Gesichter ihrer Eltern erkennen und sich geborgen sowie sicher fühlen.
Keine Reizüberflutung: Ein ruhiges, warmes Zimmer mit gedämpftem Licht ist der beste Ort für das Baby. In den ersten Monaten sollten nicht zu viele Reize auf das Neugeborene einströmen.
Zeit geben: Jeden Tag lernen Eltern die Bedürfnisse und Signale ihres Kindes besser kennen. Das braucht Zeit, aber je enger die Verbindung zwischen Eltern und Kind, desto besser können diese sich in ihren Nachwuchs hineinversetzen.
Bonding und Kaiserschnitt
Auch bei einem Kaiserschnitt (Sectio) ist Bonding möglich. Die Mutter erhält meist ein spezielles „Bonding-Tuch", welches einen ersten Hautkontakt zwischen Mutter und Kind nach der Sectio ermöglicht. Dies ist allerdings nur möglich, wenn der Kaiserschnitt nicht in Vollnarkose erfolgt.
Nach einem Kaiserschnitt können auch Väter die ersten Minuten nach der Geburt überbrücken und mit ihrem Kind bonden. Dazu legt die Hebamme oder der Geburtshelfer das nackte Neugeborene auf den freien Oberkörper des Vaters. Während die Mutter noch medizinisch nachversorgt wird, kann der Vater bereits leise mit seinem Kind sprechen und eine erste Verbindung herstellen. Sobald sich die Mutter bereit fühlt und medizinisch versorgt ist, kann sie ihr Kind auf ihre Brust legen und ebenfalls erste Bonding-Momente genießen.
Drei Tipps für Bonding nach einem Kaiserschnitt
„In der Regel geht es Mutter und Kind nach einem geplanten oder ungeplanten Kaiserschnitt gut, sodass das Bonding in den ersten Stunden stattfinden kann", sagt die Hebamme. Sie rät dazu, im Vorfeld mit der betreuenden Hebamme, dem Geburtshelfer oder dem Operationsteam zu besprechen, wie ein erstes Bonding nach der Entbindung ermöglicht werden kann.
Tipp 1: Haut-zu-Haut-Kontakt: Sprechen Sie im Vorfeld mit Ihrer Hebamme oder dem Geburtshelfer, ob Sie ein spezielles Bonding-Tuch tragen können oder wie Sie am besten den Hautkontakt nach der Sectio herstellen können.
Tipp 2: Sprechen und Beruhigen: Ihr Herzschlag und vor allem auch Ihre Stimme sind dem Baby sehr vertraut. Sprechen Sie mit sanfter und ruhiger Stimme mit dem Baby, sodass es sich von der Geburt erholen kann, indem es eine vertraute Stimme hört.
Tipp 3: Stillen: Fragen Sie, ob Sie Ihr Baby bereits im Kreissaal anlegen und stillen können. So können Sie Bonding direkt mit Stillen in den ersten Lebensminuten verbinden.
Kann man Bonding nachholen?
Zwar wird der Grundstein des Bonding bei der Geburt gelegt, aber: „Es handelt sich hierbei um einen Prozess, der in vielen Momenten und Stunden stattfindet. Gerade in den ersten Lebensmonaten haben Eltern viele Möglichkeiten, diese verpasste Zeit zu Beginn nachzuholen“, beruhigt die Hebamme.
Nacherleben lässt sich die Geburt durch ein sogenanntes Bonding-Bad. Dazu wird das Baby gebadet und im Anschluss feucht auf die Brust gelegt. Eingehüllt in eine warme Decke können Mutter und Baby den Moment der Ankunft gemeinsam nachempfinden.
Mom2B – bestens beraten durch die Schwangerschaft: Nach der Geburt: Bonding & erstes "Beschnuppern"
Was passiert beim Bonding? Sabrina Schlißke ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Helios Klinik Sangerhausen. Im Gespräch erklärt sie, was sich hinter dem Begriff verbirgt und wie Eltern in dieser ersten Phase einen wichtigen Grundstein für die Eltern-Kind-Beziehung legen können.