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Corona: Ein perfekter Zeitpunkt, das Rauchen zu beenden

Niemand ist derzeit gegen das Coronavirus immun. Und dennoch gibt es Menschen, die anfälliger sind als andere. Wir sprechen mit Dr. Matthias Vogtmann, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Kardiologie im Helios Park-Klinikum Leipzig, über den Verlauf der Krankheit Covid-19 und wie man seine Lunge schützen kann.

20. April 2020
Smoking. Closeup man with mask during COVID-19 pandemic smoking a cigarette at the street. Smoking causes lung cancer and other diseases. The dangers and harm of smoking. Coronavirus.,Smoking. Closeup man with mask during COVID-19 pandemic smoking

Herr Dr. Vogtmann, täglich werden neue Zahlen von Infizierten vermeldet. Bedeutet das automatisch, dass jeder von ihnen in Lebensgefahr schwebt?

Dr. Matthias Vogtmann: Was man bisher weiß, ist, dass zwischen zehn und 20 Prozent der Infizierten richtig krank werden und einen schwereren Verlauf haben. Das heißt aber auch, dass die Mehrheit einen leichten Verlauf erlebt, ähnlich eines grippalen Infekts. Selbst bei der klassischen Grippe gibt es leichte und schwere Verläufe. Beispielsweise gibt es Menschen, die von Grippeviren befallen sind und davon gar nichts merken.

Was macht die Erkrankung Covid-19 aus Ihrer Sicht so besonders?

Dr. Vogtmann: Sie ist vom Charakter her anders als das, was wir sonst von Virusinfektionen kennen. Sie hat ihr eigenes Profil. Das Problem ist, dass wir dieses erst jetzt kennenlernen, was uns Schwierigkeiten bereitet. Bislang zehren die mit Corona beschäftigten Mediziner nur von vielen Erfahrungsberichten anderer. Darunter sind allerdings nur wenige klassische, systematische Untersuchungen, die klare Einschätzungen erlauben.

Wie stellt sich das Helios Park-Klinikum auf die neue Situation ein?

Dr. Vogtmann: Wir haben eine Covid-Station eingerichtet. In der Quarantänestation entnehmen wir Patienten, bei denen wir Covid-19 vermuten, Abstriche. Hier werden sie dann behandelt. Bei einem negativen Testergebnis werden sie auf Normalstation weiter behandelt – sofern wir dem Test glauben dürfen.

Muss man den Test denn anzweifeln?

Dr. Vogtmann: Ist ein schwieriges Thema. Wir machen einen Rachen-Nasen-Abstrich. Wenn der Test positiv ausfällt, ist das weitere Vorgehen bisher klar und heißt, dass der Patient infiziert ist. Was aber nicht bedeutet, dass er auch krank ist. Mitunter treten die Symptome der Erkrankung, vor allem hohes Fieber und trockener Husten, erst Tage später in Erscheinung. Umgekehrt gibt es wahrscheinlich auch einen gewissen Prozentsatz von Abstrichen, die negativ ausfallen, obwohl eine Infektion mit dem Coronavirus besteht. Wenn wir das vermuten, ist ein zweiter Abstrich sinnvoll.

Was ist aus Ihrer Sicht der Kern der Erkrankung?

Dr. Vogtmann: Das ist ganz eindeutig die virusbedingte Lungenentzündung. Dieses Krankheitsbild kennen wir bereits, ausgelöst etwa durch Grippe- oder Herpesviren. Die Ursache für die Lungenentzündung bei Corona-Infizierten ist das SARS-CoV-2 (SARS steht für Schweres Akutes Atemwegssyndrom). Im CT erkennt der Radiologe dann milchglasartige Verschattungen. Je mehr davon zu sehen sind, umso größer sind die Atemnot und der Sauerstoffmangel des Patienten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine hochdosierte Sauerstoffgabe oder künstliche Beatmung notwendig wird. Genau hier liegt das Problem dieser Corona-Erkrankung. Bei einem schweren Verlauf mit Beatmungspflicht ist die Prognose für den Betroffenen ungünstig.

Kann sich der Körper selbst nicht gegen Coronaviren wehren?

Dr. Vogtmann: Hierzu gibt es noch zu wenige Erkenntnisse. Vorstellungen dazu existieren aber durchaus. Etwa wenn das Virus primär bei der Ansteckung in großen Mengen direkt in die Lunge gelangt, dort die Zellen infiziert und den biochemischen Apparat nutzt, um sich zu reproduzieren. Das ist das Prinzip des Virus. Der Körper wehrt sich dagegen mit einer Entzündung, die allerdings zur Funktionsstörung der Lunge führt. Die Lunge kann dadurch den normalen Gasaustausch nicht mehr realisieren. Es könnte aber auch sein, dass bei Menschen, die das Virus in geringer Menge über die Nasenschleimhaut aufnehmen, das körpereigene Immunsystem dies erkennt und entsprechende Abwehrstoffe produziert und dadurch rechtzeitig eine Immunabwehr entwickelt. Die könnte eine weitere Ausbreitung der Viren auf die tieferen Atemwege verhindern. Wie gesagt, das ist eine mögliche, aber noch unbewiesene und somit vage Theorie, dass die Menge der Viren und der Weg der Ansteckung eine Rolle spielen.

Wer ist besonders gefährdet?

Dr. Vogtmann: Wir kennen die Krankheit noch nicht gut genug, um alles zu verstehen. Es gibt Viruskrankheiten, die vor allem Kinder oder junge Menschen betreffen. Covid-19 wirkt sich eher bei älteren Menschen schlimm aus. Was nicht ausschließt, dass auch einmal ein Kind schwer betroffen sein kann. Warum das aber im Einzelfall so ist, ist schwer zu sagen. Spezifisch für diese Erkrankung ist, dass Menschen die älter oder bezüglich ihres Herzens, der Lunge oder mit Diabetes vorerkrankt sind, schwerere und langwierigere Verläufe zeigen. Ältere Menschen sterben häufig an einer Lungenentzündung, allerdings bekommen sie die auch aus anderen Gründen. Was man heute bei der Analyse von Covid-19 immer wieder hervorhebt, gilt eigentlich für viele Infektionskrankheiten.

Haben Vorerkrankte und Ältere prinzipiell ein höheres Risiko sich zu infizieren oder bezieht sich das vielmehr auf einen möglichen schweren Verlauf?

Dr. Vogtmann: Genau. Das muss man klar trennen. Das Risiko für eine schwere Erkrankung und einen komplizierten Verlauf ist höher. Außerdem sind Patientinnen und Patienten mit schlechten Reserven in der Lunge gefährdet. Dazu gehören Menschen mit der chronischen Lungenerkrankung COPD, die häufig bei älteren Rauchern auftritt. Wenn diese dann eine Lungenentzündung bekommen, sind sie schnell an der Grenze zum Sauerstoffmangel.

Wie verhält es sich mit den Pneumokokken?

Dr. Vogtmann: Sie sind der häufigste Erreger für die ambulant erworbene bakterielle Lungenentzündung. Es gibt Impfempfehlungen für bestimmte Altersgruppen, Kinder und Personen über 60 Jahren, aber auch Patienten mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem. Diese Impfung hilft aber nicht gegen die Coronaviren.

Was sollten Asthmatiker beachten?

Dr. Vogtmann: Der klassische Asthmatiker ist zumeist jung und bei optimaler Therapie eigentlich beschwerdefrei. Diese Patientengruppe trägt also nur ein gering erhöhtes Erkrankungsrisiko. Wichtig ist jedoch, dass Betroffene ihre Medikamente weiter einnehmen. Nichts ist schlimmer, als wenn es zu einer Verschlechterung des Asthmas kommt, weil das dann im Falle einer Infektion problematisch ist.

Wie sehen Sie die Chancen auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus?

Dr. Vogtmann: Wichtig ist nach wie vor, dass wir das Tempo der Ausbreitung weiter langsam halten. Es braucht Zeit, um die gewünschten Studien für die Entwicklung von Medikamenten zur Therapie durchzuführen. Mittel gegen Aids, Ebola oder Malaria ins Spiel zu bringen, halte ich für verfrüht. Zum einen ist das überhaupt nicht tiefgreifend erforscht, andererseits besitzen diese Medikamente oftmals auch erhebliche Nebenwirkungen. Dafür braucht es ordentliche Studien, die aber bereits angelaufen sind. Unklar ist bisher auch, ob die vom Organismus nach einer Infektion gebildeten Antikörper wirklich sicher vor einer erneuten Infektion schützen.

Wie lang wird die Pandemie dauern?

Dr. Vogtmann: Ganz gleich ob die Kurve der Erkrankten hoch und steil oder langgezogen ist, die Fläche darunter ist die gleiche. Das heißt, die Anzahl der Menschen, die sich mit dem Virus infizieren werden, bleibt vorerst gleich. Das Thema Corona wird uns also noch sehr lange beschäftigen. Die wirkliche Rettung wird wohl erst der Impfstoff bringen. Ob der dann wie erhofft zuverlässig schützt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt aber keineswegs sicher sagen.

Was würde passieren, wenn das Virus sich verändert?

Dr. Vogtmann: Es gibt Erfahrungen, dass sich Viren abschwächen können, je größer die Verbreitung ist. Es kann aber auch sein, dass es durch Mutationen gefährlicher wird. Ähnliches kennen wir schon von der Grippe, wo es immer wieder Veränderungen der Oberflächenproteine gibt, wodurch sich das Virus dem Immunsystem entziehen kann. Deshalb gibt es jedes Jahr auch einen anderen Impfstoff gegen Grippeviren. SARS-CoV-2 scheint aber nach bisherigem Wissen relativ stabil zu sein.

Kann der Einzelne dennoch etwas für sich tun?

Dr. Vogtmann: Wer eine gesunde Lunge hat, sollte diese auch gesund erhalten. Ich würde jedem Raucher empfehlen, spätestens jetzt das Rauchen zu beenden, weil das möglicherweise für ihn in den nächsten Wochen und Monaten noch einmal wichtig wird. Der Rauch beschädigt die Oberflächen in den Atemwegen und damit sinkt die lokale Abwehr. Raucher sind anfälliger für Infektionen. Die Lunge lässt sich nicht abhärten. Was man jedoch tun kann, ist die Atemmuskulatur zu trainieren, etwa durch Sport. Das belüftet die Lunge richtig. Gesunde Ernährung und viel frische Luft tun ein Übriges. Lungenvorerkrankte und Herzkranke sollten deshalb trotz Quarantäne nicht den Tag im Bett verbringen, sondern mobil bleiben, und sei es durch Gymnastik. Tief durchatmen und die Lunge dabei entfalten. Dadurch wird bewirkt, dass auch die hinteren und unteren Lungenabschnitte gut belüftet werden.

Empfehlen Sie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes?

Dr. Vogtmann: Neben den üblichen Hygieneregeln und der verordneten Distanz halte ich das für einen empfehlenswerten Weg. Es ist kein perfekter Schutz, aber es hält Tröpfchen und Aerosole ab und signalisiert Aufmerksamkeit bezüglich des Themas.

Herr Dr. Vogtmann, vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Artikel gibt den derzeitigen Wissensstand des zuletzt aktualisierten Datums wieder.

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