Welche Essenstörungen treten häufig auf?
Zu den am häufigsten auftretenden Essstörungen gehören Magersucht (Anorexia nervosa), Bulimie (Bulimia nervosa) sowie die Binge-Eating-Störung (immer wiederkehrende Essanfälle; das Englische „binge eating“ bedeutet exzessives, übermäßiges Essen).
Mädchen und junge Frauen sind um ein vielfaches häufiger betroffen. Zudem zeichnet sich ab, dass die Betroffenen jünger werden. Oftmals beginnt die Erkrankung schon im späten Kindesalter.
Schätzungen für die erwachsene Bevölkerung in Deutschland gehen davon aus, dass 0,5 bis 1 Prozent der Männer und Frauen an Magersucht und 2 bis 4 Prozent an Ess-Brechsucht (Bulimie) leiden. Die Häufigkeit von partiellen Essstörungen einschließlich Heißhungerattacken (Binge Eating Disorder) wird auf 10 bis 15 Prozent geschätzt.
Magersucht, Bulimie, Binge-Eating: Worin liegt der Unterschied?
Magersucht – auch Anorexie genannt – ist eine psychisch verursachte Essstörung, die durch eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme unbehandelt zu starkem Untergewicht führt. Die Angst „dick“ zu sein, wird mit übermäßigem Sport, selbst herbeigeführtem Erbrechen sowie der Einnahme von Medikamenten, wie Appetitzügler, Diuretika oder Abführmitteln, kompensiert.
Bei der Bulimie treten Heißhungerattacken auf, bei der viel Nahrung in kürzester Zeit aufgenommen wird. Auch hier spielt die Angst „dick zu sein“ eine große Rolle und wird mit Sport, Erbrechen und Medikamenteneinnahmen bekämpft. Häufig ist eine Magersucht in der Vorgeschichte bekannt. Im Alltag ist die Erkrankung schwer zu erkennen, da Betroffene in der Regel normal- oder übergewichtig sind.
Eine weitere Form der Essstörung ist die sogenannte Binge-Eating-Störung. Betroffene nehmen innerhalb kürzester Zeit Unmengen an Nahrung zu sich, verlieren dabei jegliche Form der Kontrolle und des Völlegefühls. Begleitet werden diese Attacken, bei der die Betroffenen meist allein sind, von Schuldgefühlen, Scham und Ekel vor der eigenen Person.
Wie erkennen Eltern ein gestörtes Essverhalten ihres Kindes?
Die Symptome und Alarmsignale werden häufig von den Betroffenen nicht wahrgenommen oder vernachlässigt beziehungsweise abgewehrt, da die hohe Funktionalität einer Essstörung für die Betroffenen im Vordergrund steht. Sie bietet Kontrolle, erhöht den Selbstwert und gibt Sicherheit sowie Autonomie. Daher ist es umso wichtiger, dass das familiäre und soziale Umfeld der Jugendlichen umsichtig und aufmerksam begleitet.
Eltern sollten wachsam sein bei:
- Einem auffälligen Gewichtsverlust.
- Ungewöhnlich häufiges Wiegeverhalten.
- Reduzierung des Essens und der Esssituationen bis zur zunehmenden Einschränkung.
- Intensivem Bekochen der Familie oder Freunde und gleichzeitigem Vermeiden dieser Mahlzeiten.
- Unzufriedenheit mit dem eigenen Gewicht, obwohl das Kind schon auffällig dünn ist.
- Ausbleiben der Menstruation.
- Bereitschaft zu hohem Sportpensum, ungewöhnlichen Trainingsbelastungen.
- Langem Verweilen nach Mahlzeiten in Bad oder Toilette und Würgegeräusche
- Exzessiver Beschäftigung mit Ernährung und/oder bestimmten Ernährungsformen.
Wo liegt die Grenze zwischen Schönheitsideal und Schlankheitswahn?
Eine Grenze ist erreicht, sobald krankhafte Symptome auftreten. Diese manifestieren sich in körperlichen Störungen bis hin zu einer vitalen Gefährdung. Es können Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit auftreten mit schulischen Leistungseinbußen oder Schulversagen. Weitere psychische Störungen wie Depression, Zwänge und Angststörungen können sich zusätzlich entwickeln. Die familiäre Kommunikation und Interaktion wird beeinträchtigt. Häufig entsteht ein sozialer Rückzug.
Beeinflussen die sozialen Medien die Entstehung von Essstörungen?
Das gegenwärtige übertriebene Schlankheitsideal über die sozialen Medien, stellt die Kinder und Jugendlichen unserer Gesellschaft vor große Herausforderungen. Die Entwicklung einer Essstörung entsteht aber in der Regel nicht durch das Vorhandensein eines einzigen Risikofaktors, sondern die Wissenschaft geht bei den Essstörungen von einer multifaktoriellen Entstehung aus. Neben biologischen Faktoren spielen Persönlichkeitsmerkmale, familiäre, soziale und gesellschaftliche Faktoren eine Rolle, oft auch belastende Lebensereignisse.
Wie werden Kinder und Jugendliche mit Essstörungen behandelt?
Wir bieten ein multimodales Behandlungskonzept an. Dieses beinhaltet medizinisch-internistische Interventionen sowie Psychotherapie. Inhaltlich geht es um eine schrittweise Normalisierung von Gewicht und Essverhalten. Zugleich wird ein individuelles Erkrankungsmodell erarbeitet. Unsere Patient:innen erhalten neben gesprächstherapeutischen auch bewegungs- und kreativtherapeutische Angebote. Diese erfolgen als Einzel- oder Gruppentherapie. Ein wichtiger Baustein bei der Therapie ist, das familiäre Bezugssystem in die Behandlung einzubeziehen.
Wo finden Eltern Hilfe und Beratung?
Anlaufstellen sind:
- Kinderärzt:innen
- niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater:innen
- Kinder- und Jugendpsychiatrische Ambulanzen oder Versorgungszentren
- Spezialkliniken und -stationen bieten teilweise Beratungen und Vorgespräche an.
Kontakt kann auch zu betreuenden Kinder- und Jugendmediziner:innen beziehungsweise zu Hausärzt:innen aufgenommen werden, die dann an die oben genannten Institutionen überweisen.