„Es sind verschiedene Einflüsse, die die Verletzungshäufigkeit beim Fußball maßgeblich beeinflussen“, sagt Ralf Imig, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie der Helios Kliniken Miltenberg-Erlenbach. So ist die Verletzungswahrscheinlichkeit während eines Wettkampfspiels etwa vier- bis sechsfach höher als im Training und steigt mit dem Alter.
Rein statistisch verletzen sich pro Spiel zwei Fußballer, in der Hälfte der Fälle durch gegnerische Einwirkung. Rund ein Viertel der Verletzungen betreffen eine im Vorfeld bereits schon einmal betroffene Körperstruktur.
Etwa die Hälfte aller Verletzungen im Profifußball sind Prellungen, gefolgt von Verstauchungen und Muskelverletzungen. Dabei führt der Oberschenkel die Liste der am meisten betroffenen Körperteile an. Generell gilt für die Erstversorgung bei Sportverletzungen die sogenannte PECH-Regel: Pause-Eis-Compression-Hochlagern.
Die 5 häufigsten Fußballverletzungen
Erfahren Sie, welche Verletzungen die meisten Fußballer:innen plagen.
1. Muskelzerrung und Muskelfaserriss
In der Bundesligasaison 2019/2020 waren Muskelverletzungen mit 30,6 Prozent aller Verletzungen für rund ein Drittel aller Ausfalltage verantwortlich. Typischerweise werden diese Verletzungen nicht etwa durch ein Foul, sondern durch Richtungswechsel oder plötzliches Abstoppen verursacht. Aus einer entsprechend starken Überdehnung der Muskulatur resultieren Muskelfaserrisse, meist in den Waden oder Oberschenkeln.
Zerrungen treten oft im Bereich der Adduktoren, also der Muskelgruppe zwischen Schambein und Oberschenkelinnenseite, auf. „Aufgrund der guten Durchblutung ist die Heilungstendenz der Muskulatur hoch und eine operative Therapie nur in Ausnahmefällen indiziert“, erklärt Ralf Imig.
Das „RICE“-Schema (Rest, Ice, Compression, Elevation) sollte in der Akutphase angewendet werden. Die Rekonvaleszenz (Genesung) beträgt bei Zerrungen meist nur ein bis zwei Wochen, bei ausgeprägten Muskelfaserrissen in der Regel bis zu zwei Monate.
2. Bänderläsion im Sprunggelenk
Unabhängig von der Verletzungsart ist das Sprunggelenk aufgrund des häufigen Umknickens das meistverletzte Einzelgelenk. Im Vordergrund stehen hier Bandverletzungen, insbesondere der drei Außenbänder und des sogenannten Syndesmosebandes zwischen Schien- und Wadenbein. Die Ausfallzeiten bei Außenbandverletzungen weisen eine hohe Spannbreite von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten auf.
Bei Bänderrissen (Rupturen) beläuft sich die Genesungszeit im Gegensatz zu Dehnungen in der Regel auf drei bis vier Wochen. „Eine komplette Ruptur der Syndemose wird aufgrund der drohenden dauerhaften Instabilität im Sprunggelenk operativ versorgt und erfordert etwa drei Monate Pause“, so Chefarzt Imig.
Die Therapie von Außenbandverletzungen erfolgt in erster Linie konservativ mittels Stützschiene und Training der Muskulatur. Auch wenn Bandverletzungen in der Summe nur etwa 4,8 Prozent aller Verletzungen der Bundesligasaison 2019/2020 ausmachten, waren sie für 15 Prozent der Ausfalltage verantwortlich.
3. Vordere Kreuzbandruptur
Bleibt das Bein im Rasen stecken und rotiert der Körper gegen den Unterschenkel, kommt es zum sogenannten Distorsionstrauma des Kniegelenks – bei Fußballern keine Seltenheit. Das vordere Kreuzband ist aufgrund seiner Funktion als Hauptstabilisator für die Innenrotation in Streckstellung besonders gefährdet.
In einer schwereren Ausprägung kann der Riss des vorderen Kreuzbandes mit einer Verletzung von Innenband und Innenmeniskus einhergehen. Für den Sportler bedeutet ein Kreuzbandriss eine langwierige Rehabilitation.
Rupturen des hinteren Kreuzbandes sind mit einem Verhältnis von 1:10 viel seltener. „Während die vordere Kreuzbandruptur noch in den 80er bis in die 90er Jahre oftmals konservativ mittels Muskelaufbau zur Kompensation und Vermeidung einer Instabilität auch beim Profi behandelt wurde, hat sich heutzutage die operative Rekonstruktion zur Vermeidung von Folgeschäden wie Meniskus- oder Knorpelläsionen durchgesetzt“, sagt der Unfallchirurg und Orthopäde. Diese Operation erfolgt oftmals direkt nach der Verletzung.
Die „optimale“ Rehabilitationszeit beträgt sechs bis neun Monate, bei komplikationslosem Verlauf kann der Profisport meist wiederaufgenommen werden. Beim Hobbysportler wartete man bei Kreuzbandrupturen in der Regel etwa sechs Wochen bis zur Operation, um Vernarbungen vorzubeugen.
4. Achillessehnenriss
Die Achillessehne sorgt als Verlängerung der Wadenmuskulatur dafür, dass sich der Fuß vom Boden abdrückt. Insbesondere Sprungbewegungen beanspruchen diese Sehne in einem hohen Maße, aber auch Sprints und schnelle Antritte.
Neben der chronischen Reizung einer überbeanspruchten Sehne („Achillodynie“), die eine langwierige Behandlung nach sich zieht, kann es auch zum Riss kommen. „Typischerweise hört der Spieler einen lauten Knall und verspürt einen stechenden Schmerz, als habe ihm jemand in die Wade getreten“, erklärt Imig. „Eine konservative Therapie ist grundsätzlich möglich, wenn sie zeitnah nach der Verletzung durch eine Ruhigstellung im Spitzfuß begonnen wird. Bei sportlich Aktiven erfolgt die Behandlung aber meist operativ.
Es ist mit einer Ausfallzeit von etwa sechs Monaten zu rechnen.“ Achillessehnenrisse sind im Profisport vergleichsweise selten. Sie reißt meist auf dem Boden vorbestehender Verschleiße und trifft daher eher weniger junge Profisportler.
5. Gehirnerschütterungen und Kopfplatzwunden
Der Zusammenstoß mit dem Kopf ist Routine im Spielbetrieb. Nicht nur der Ball selber wird bei Annahme oder beim Kopfstoß zum Anprallobjekt, auch Körperteile des Gegners wie Kopf oder Ellenbogen oder der Aufschlag auf dem Boden nach einem Sprung gehören dazu.
Die Langzeitauswirkungen dieser wiederholten Mikro-Gehirnerschütterungen sind Gegenstand wissenschaftlicher Studien. „Bereits bei dem Verdacht auf eine Gehirnerschütterung mit den klassischen Symptomen wie kurzzeitige Bewusstlosigkeit, Sehstörungen oder Übelkeit sollte der Spieler ausgewechselt werden“, sagt Imig.
Je nach Ausprägung erfolgt dann eine Computertomographie des Kopfes. Platzwunden im Schädel- und Gesichtsbereich gehören ebenfalls zum Fußballer-Alltag und werden – teils spektakulär am Spielfeldrand – mitunter ohne Betäubung geklammert, um ein Weiterspielen zu ermöglichen.