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Hernien: Wenn die Bauchwand nachgibt

Brüche in der Bauchwand, sogenannte Hernien, können in jedem Alter auftreten: Bei Kindern ist es meist der Leistenbruch, bei älteren Menschen treten auch Bauchnabel- oder Bauchwandbrüche auf. Wie Hernien entstehen und welche Therapien es gibt, haben wir einen unserer Experten gefragt. 

Illustration einer Hernie-Leistenbruch

Wie entstehen Hernien und welche Therapien gibt es?

Darüber spricht Dr. Rudolf Goller, Leitender Oberarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie in der Helios Klinik Zerbst/Anhalt.

Dr. Goller, wie kommt es zu Brüchen in der Bauchwand?

Dr. Rudolf Goller: Unsere Organe im Bauchraum sind normalerweise von Muskeln, Gewebe und der Haut geschützt. ‚Bricht‘ diese Schutzschicht, entsteht eine Hernie. Die Brüche können in verschiedenen Bereichen des Bauches auftreten, etwa als Leistenbrüche, Bauchwandbrüche, Schenkelbrüche oder auch Narbenbrüche.

Ein Bruch neben einem künstlichen Darmausgang nennt der Mediziner parastomale Hernie. Als innere Hernie bezeichnen wir den Zwerchfellbruch, denn dieser drückt sich aus dem Bauchraum durch eine Lücke im Zwerchfell direkt in den Brustraum. Von außen ist er nicht zu sehen.

Was sind Risikofaktoren, die die Entstehung von Hernien begünstigen?

Dr. Goller: Hernienerkrankungen können angeboren sein oder sich erst im Laufe des Lebens entwickeln. Eine angeborene Bindegewebsschwäche ist meistens mitverantwortlich. Die Kraft des Bindegewebes lässt auch mit dem Alter nach.

Chronische Lungenkrankheiten, chronische Verstopfung, ausgeprägtes Übergewicht oder eine Mangelernährung können ferner die Bildung von Hernien begünstigen. Auch Raucher sind häufiger betroffen.

Welche Gefahr besteht durch einen Bruch in der Bauchwand?

Dr. Goller: Ein Bruch in der Bauchwand kann dazu führen, dass die sonst geschützten Bestandteile von Organen, meist Teile des Darms, aus der Bauchhöhle nach außen treten und gequetscht, verdreht oder geklemmt werden.

Je nach Art und Lage der Hernie besteht hier das Risiko, dass Gewebe abstirbt. Wenn die Blutversorgung abgeschnitten wird, kommt es zu heftigen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Betroffene sollten umgehend die 112 wählen. Es handelt sich um einen lebensbedrohlichen Notfall.

Hernien sollten auf jeden Fall rechtzeitig behandelt werden. Wie wird eine Hernie festgestellt?

Dr. Goller: Kleine Brüche bemerken Patienten vor allem, wenn Sie ihre Bauchmuskulatur stark anspannen. Dabei tritt die Hernie am deutlichsten hervor. Ein Druckgefühl oder ziehend-stechende Schmerzen entstehen. Viele Patienten mit einem Leistenbruch haben trotz Vorwölbung auch keinerlei Beschwerden. Auf der anderen Seite gibt es vor allem Sportler, die über Leistenschmerzen klagen ohne das ein Bruch eindeutig feststellbar ist.

Bei größeren Brüchen ist die Vorwölbung auf dem Bauch auch in Ruhe bereits deutlich zu erkennen und häufig mit einem ausgeprägten Fremdkörpergefühl verbunden. Der Arzt kann zur genauen Diagnostik auch eine Ultraschalluntersuchung oder Computertomographie durchführen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen in der Versorgung von Hernien zur Verfügung?

Dr. Goller: Die Bruchstellen werden in der Regel operativ mithilfe eines Netzes oder einer Naht geschlossen. Hierbei kommen verschiedene Methoden zum Einsatz. Die offene Operation findet über einen Schnitt in der Bauchwand statt. Bei minimalinvasiven Verfahren, der sogenannten Schlüssellochtechnik, setzen wir mehrere kleine Hautschnitte, über die wir die verschiedenen OP-Instrumente in den Bauchraum einführen.

Welches die optimale Behandlungsmethode ist, entscheiden wir gemeinsam mit dem Patienten. Grundsätzlich versuchen wir, unsere Patienten so schonend wie möglich zu behandeln und so schnell wie möglich in ihr gewohntes Umfeld zu entlassen. Die gezielte postoperative Schmerztherapie ist dabei ebenso wichtig, wie die Auswahl der geeigneten Operationsmethode.

Was sie nach der Hernienoperation beachten sollten

Dr. Goller: Üblicherweise bleiben Sie nach einer Bauchwand-Operation etwa ein bis zwei Tage bei uns. Nach der Operation ist es ratsam, sich zu schonen und sich nicht zu früh wieder zu belasten. Die Belastung kann dann schrittweise erhöht werden.

Je nach Ihrer individuellen Verfassung können Sie voraussichtlich zwei Wochen nach der Bauchbruchoperation aber allen normalen Dingen des Alltags, wie Wandern gehen oder Rad fahren, wieder nachgehen. Einzig und allein das Heben von schweren Gegenständen von über zehn Kilo sollten Sie in den ersten zehn Wochen vermeiden.

Ansonsten müssen Sie keine besonderen Maßnahmen beachten. Ist die Wunde mit einem Pflaster gut abgedeckt, können Sie sich ganz normal waschen und abduschen. Die Fäden werden nach etwa neun bis zwölf Tagen entfernt.

Welche Arten von Hernien gibt es noch?

Neben den oben genannten Hernienarten, gibt es eine angeborene Fehlbildung. Diese stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Offener Bauchwandbruch (Gastroschisis, Laparoschisis)

Bei diesem Krankheitsbild besteht rechts neben dem und im Nabel eine komplette Bauchwandlücke, die angeboren ist. Dadurch kommt es zu einem offenen Vorfall des Darmes, der vor der Geburt im Fruchtwasser schwimmt. In der Regel wird der Bauchwandbruch bei der vorgeburtlichen Ultraschalluntersuchung festgestellt.

Welche Ursachen hat ein offener Bauchwandbruch?

Hierbei handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung im Rahmen der Entwicklung des Embryos (Babys) im Mutterleib. Die Häufigkeit beträgt etwa eins unter 3.500 Neugeborenen. Betroffen sind insbesondere Kinder junger Mütter. Die individuelle Ursache der Fehlbildung kann jedoch meist nicht festgestellt werden.

Therapie und Operation

Die Entbindung des Babys erfolgt bevorzugt über einen Kaiserschnitt. Nach der Geburt schützen die Geburtshelfer den ausgetretenen Darm durch eine sterile Bedeckung und die untere Hälfte des Kindes wird zusätzlich mit einem speziellen Plastiksack („bowel bag“) bedeckt. Unmittelbar nach Stabilisierung des Neugeborenen auf der Neugeborenenintensivstation erfolgt die operative Rückverlagerung des Darmes - meist noch am Tag der Geburt. Bei einigen Fällen („komplizierte Gastroschisis“) besteht eine angeborene Verkürzung und Verdickung der Darmwand, was die Zeit bis zum Beginn des regelrechten Darmtransportes verzögert. In dieser Zeit erfolgen Flüssigkeitszufuhr und Ernährung über die Vene.

In Fällen mit kleiner Bauchhöhle und voluminösem ausgetretenen Darm (man spricht dann von einer Dysproportion) wird der Darm zunächst für einige Tage in einem Springsilo („Schusterplastik“) untergebracht und schrittweise in den Bauch verlagert. Dadurch vermeidet man einen zu hohen Druck in der Bauchhöhle.

Besonderheit eines offenen Bauchwandbruches

Kinder mit Gastroschisis haben nur selten Begleitfehlbildungen außerhalb des Darmes. Jedoch haben fast alle Betroffenen eine angeborene Fehllage des Darmes, sodass der Wurmfortsatz (Appendix) des Blinddarms in den linken Bauch zu liegen kommt. Diese Besonderheit ist bei einer späteren Blinddarmentzündung (Appendizitis) von Bedeutung.

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