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Lipödem: Wenn dicke Beine schmerzen

Übergewicht ist nicht immer eine Folge falscher Ernährung oder von zu wenig Bewegung. In manchen Fällen steckt eine krankhafte Fettverteilungsstörung dahinter, das sogenannte Lipödem. Melanie Kober, Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie der Helios Bördeklinik in Neindorf, klärt über Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten auf.

Kompressionstrümpfe

Was steckt hinter der Krankheit Lipödem?

Umgangssprachlich wird die chronische Erkrankung auch als Reiterhosen-Phänomen bezeichnet. Es trifft vor allem Frauen: Nach hormonellen Veränderungen oder auch nach der Schwangerschaft sind Beine oder auch Arme geschwollen, Wasser lagert sich in den Fettzellen ein und wird nicht mehr durch körpereigene Mechanismen abtransportiert. „Das Lipödem ist eine krankhafte Fettverteilungsstörung, die durch Sport oder ausgewogene Ernährung nur schwer beeinflusst werden kann“, weiß Melanie Kober zu berichten.

Wie äußert sich die Krankheit?

Beim Lipödem fällt vor allem die ungleichmäßige Verteilung der Proportionen auf, die ein erstes Zeichen für die Erkrankung ist. Die Ursache des Lipödem ist nicht eindeutig bekannt, allerdings werden hormonelle Gründe vermutet. Charakteristisch ist, neben einer Unterhautfettgewebsvermehrung an Armen und/oder Beinen, eine Neigung zu Blutergüssen ohne Trauma sowie Druck-, Berührungs- und Spannungsschmerzen. Viele Betroffene leiden häufig sowohl an physischen als auch an psychischen Beschwerden, die durch konservative (nicht-operative) oder operative Therapiemaßnahmen gelindert werden können.

Insgesamt werden vier Stadien der Krankheit unterschieden:

Stadium 1: Glatte Hautoberfläche, feinknotige Fettstruktur und verdicktes Unterhautfett

Stadium 2: Grobknotige Fettstruktur und unebene Hautoberfläche

Stadium 3: Hartes Gewebe und deformierende Fettlappen

Stadium 4: Zusätzliche starke Flüssigkeitseinlagerungen im Fettgewebe (Lipolymphödem)

Therapie bei Lipödem

Die Therapie des Lipödems verfolgt zum einen das Ziel, die Beschwerden wie Schmerzen und Hämatomneigung sowie Ödeme im höhergradigen Stadium zu verbessern, zum anderen Komplikationen (zum Beispiel Lymphödem, Gangbildstörungen, Achsenfehlstellungen) zu verhindern. Je nach Krankheitsstadium kommen verschiedene Therapieansätze zum Einsatz. „Eine Gewichtsabnahme bei vorhandenem Übergewicht kann durchaus helfen. Auch Lymphmassagen und Bewegung sowie Kompressionsstrümpfe sind Maßnahmen, die zur Linderung der Schmerzen und Reduktion der Flüssigkeitseinlagerungen führen“. Allerdings müssen in der Therapie auch „Begleiterscheinungen“ des Lipödems bedacht und gegebenenfalls behandelt werden. Hierzu zählen unter anderem die psychische Belastung durch die Erkrankung, möglicherweise eine begleitende Adipositas, Essstörungen, körperliche Schmerzen, orthopädische und andere Erkrankungen. „Jede Therapie muss individuell mit dem Patienten abstimmt werden“, erklärt Kober.

Im fortgeschrittenen Stadium und wenn konservative Therapien versagen, kann eine Fettabsaugung der letzte Schritt sein. „Dazu sollte immer ein ausgewiesener Experte aufgesucht werden. In unserer Klinik führen wir diesen Eingriff routinemäßig und mit großer Erfahrung durch“, betont die Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Der Eingriff wird seit 2020 bei Patient:innen mit einem Lipödem Stadium III auch durch die Krankenkasse übernommen. „Hier unterstützen wir die Betroffenen vollumfänglich bei der Beratung“, sagt Melanie Kober.

Eine Fettabsaugung kann durch verschiedene Techniken durchgeführt werden. Die ideale Vorgehensweise wird individuell für jede/n Patient:in ausgewählt. Neben der sogenannten Power-Assisted-Liposuktion (PAL) führen wir auch die Wasserstrahl-assistierte-Liposuktion (WAL) mit einem der modernsten Geräte auf dem Medizinmarkt durch.

Durch sehr kleine Hautschnitte wird eine Flüssigkeitslösung in das Unterhautfettgewebe gespritzt. Je nach Technik kann diese Lösung ein lokales Betäubungsmittel und zusätzlich den Wirkstoff Adrenalin enthalten, um Schmerzen und einer Blutung vorzubeugen. Nach der Flüssigkeitsinjektion wird eine Kanüle eingeführt, die an ein spezielles Gerät angeschlossen ist. Dadurch wird das Fettgewebe abgelöst und abgesaugt. Während der Operation wird die abgesaugte Menge kontinuierlich kontrolliert, auch, um seitengleiche Ergebnisse zu erzielen. Im Anschluss werden die Körperregionen gewickelt und/oder spezielle Kompressionsbekleidung angezogen.

Ernährung bei Lipödem

Lipödem-Patient:innen sollten darauf achten, ihr Gewicht zu halten oder zu reduzieren. „Leichter gesagt, als getan“, werden viele Betroffene jetzt denken. Denn viele Lipödem-Patient:innen haben in ihrem Leben schon oft den Hinweis gehört: „Mache einfach ein wenig Sport und dann geht es dir besser“. Seien Sie sich bewusst, dass eine Diät nicht der richtige Ansatz ist. Nehmen Sie Ihr Leben und Ihr Lipödem selbst in die Hand und setzen Sie auf eine bewusste, ausgewogene Ernährung oder Ernährungsumstellung, um nachhaltige Erfolge zu erzielen und Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Zuckerkrankheit zu vermeiden.

Wichtig: Bei der angestrebten Gewichtreduzierung oder das Halten eines Gewichts soll ein Kreislauf durchbrochen werden. Rund 50 Prozent der Lipödem-Patient:innen kämpfen zusätzlich mit Übergewicht und vermehrten Wassereinlagerungen sowie psychischen Belastungen.

Wir geben 8 Tipps für eine gesunde und ausgewogene Ernährung

Neben den fünf Hauptsäulen der KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie: manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Bewegung, Hautpflege und Selbstmanagement) spielt die richtige Ernährung eine sehr wichtige Rolle, um den Therapieerfolg zu unterstützen.

Tipp 1: Obst und Gemüse

Essen Sie bunt. Viel frisches Obst sowie Gemüse versorgen Sie mit allen wichtigen Nährstoffen. Empfehlung: Essen Sie zwei Portionen Obst und drei Portionen Gemüse pro Tag. Bei Gemüse können Sie ruhig mehr zugreifen, weil es im Gegensatz zu Obst den Blutzuckerspiegel nicht beeinflusst und Sie länger satt bleiben.

Tipp 2: Achten Sie auf gesundes Fett

Fett ist nicht gleich Fett. Leinöl, Nüsse und Samen oder Avocados enthalten ungesättigte Fette, die für den Körper sehr wichtig sind. Meiden Sie Fette in Backwaren, Margarine oder Sonnenblumenöl. Greifen Sie lieber zu Oliven- oder Rapsöl. Ebenso sollten Sie die Fette aus Fleisch-, Wurst- und Käsewaren reduzieren.

Tipp 3: Würzen Sie weniger mit Salz

Denn Salz bindet Wasser im Gewebe. Salzarmes Kochen ist zu Beginn eine Umstellung, aber nach ein paar Wochen haben sich unsere Geschmacksknospen daran gewohnt. Vermeiden Sie auch abgepackte Lebensmittel und Fastfood sowie Fertigprodukte, diese enthalten oftmals viele Salze.

Tipp 4: Essen Sie Ballaststoffreich

Damit kurbeln Sie die Kraftwerke Ihrer Zellen an. Greifen Sie am besten auch zu Vollkornprodukten anstelle von Weißmehl.

Tipp 5: Machen Sie Pausen zwischen den Mahlzeiten

Bei einer Mahlzeit nehmen Sie viel Energie auf, die Ihr Körper nicht sofort verbraucht. Diese überschüssige Energie wird daher im Körper in Form von Fett oder Glykogen, also einem Kohlenhydrat gespeichert. Davon zehrt der Körper zwischen den Mahlzeiten. Ist die Zeit zwischen den Mahlzeiten zu kurz, nehmen Sie zu viel Energie auf, als Sie benötigen. Diese wird dann als Fettpölsterchen gespeichert. Probieren Sie doch einmal Intervallfasten aus.

Tipp 6: Achten Sie auf Ihren Blutzuckerspiegel

Fertigprodukte, Marmelade, Limonaden, Süßigkeiten, Lebensmittel aus Weißmehl (wie Brötchen, Toast und Kekse) sollten Sie meiden, da sie den Blutzucker schnell in die Höhe treiben.

Tipp 7: Trinken Sie viel

Am besten mindestens zwei Liter am Tag. Greifen Sie dabei auf Wasser oder ungesüßten Tee zurück. Vermeiden Sie zuckerhaltige Softdrinks und Säfte. Alkohol sollten Sie ebenfalls nur in Maßen genießen.

Tipp 8: Bewegen Sie sich

Bewegung hilft, sich im eigenen Körper wohlzufühlen und Stress abzubauen. Ein Spaziergang an der frischen Luft eignet sich besonders gut, um den Kopf freizubekommen. Die Sportart Walken eignet sich besonders für Lipödem-Patient:innen.

Ein Leben ohne Leichtigkeit – Eine Patientin erzählt ihre Geschichte

Bei B. begannen die Schmerzen und die optische Veränderung vor 38 Jahren, nach ihrer ersten Schwangerschaft. Zuerst traten sie in Schüben auf, nach der zweiten Schwangerschaft wurden sie immer stärker. Die Schmerzen und die mit dem Anschwellen verbundene Unbeweglichkeit wurden unerträglich, weshalb sie im Jahr 2000 erstmals einen Plastischen Chirurgen aufsuchte. Die Empfehlung des Arztes war eine Fettabsaugung an den Oberschenkel-Innenseiten. Das Lipödem wurde allerdings noch nicht diagnostiziert. Heute ist sie sich sicher, dass sie bereits damals an einem Lipödem erkrankt war und unzureichend behandelt wurde.

Der Alltag wurde im Laufe der Zeit vermehrt zur Belastung. Spaziergänge oder kurze Strecken zu Fuß waren nicht mehr ohne Schmerzen möglich. Nach der Arbeit waren Freizeitaktivitäten nicht mehr machbar, da die Beine wegen der Schmerzen geschont werden mussten. Jeden Tag hoffte B., dass der nächste Tag nicht so qualvoll werden wird. Wohl wissend, dass das nicht so sein würde.

Der erste Schritt auf dem Weg zu einem neuen Leben

Erst im Jahr 2017 wurde die Diagnose Lipödem gestellt. Zusätzlich wurde, in Verbindung mit dem Lipödem, eine Lymphödem-Erkrankung diagnostiziert. Die darauffolgende konservative Behandlung durch Lymphdrainagen und Kompressionshosen bewirkt allerdings nur eine kurzfristige Linderung der Schmerzen. Nach eigener Recherche fand sie heraus, dass langfristig nur mehrere Liposuktionen (Fettabsaugung) dem Lipödem ein Ende bereiten konnten.

Andere verstehen die Schmerzen der Frau nicht, denn die Krankheit ist weitestgehend unbekannt. Auch die Krankenkassen bezahlten die Behandlung bisher nur in Ausnahmefällen und jetzt nur auf Grundlage einer Studie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), die im Sommer 2020 begonnen hat und über fünf Jahre angelegt wurde. Erst dann besteht eventuell die Möglichkeit, dass die Behandlungsmethode „Liposuktion bei Lipödem“ in den Leistungskatalog aufgenommen wird. Vor diesem Problem stand auch B.: Die Bitte um Kostenübernahme durch die Krankenkasse stellte sich mit fast drei Jahren als sehr langatmig heraus, das ist mit chronischen Schmerzen schwer zu vereinbaren. Sie klagte bis zum Sozialgericht. Das Urteil: Krankenkassen können von Kostenübernahmen Abstand nehmen, solange der Gemeinsame Bundesausschuss die Aufnahme in den Leistungskatalog nicht beschlossen hat. Warten auf ein ungewisses Ende war keine Option. Also blieb nur die Möglichkeit, als Selbstzahlerin die Operationen zu bestreiten.

Endlich die richtige Behandlung

Durch die Empfehlung ihrer Physiotherapeutin wurde sie auf die Helios Klinik Lengerich und Oberarzt und Sektionsleiter Plastische und Ästhetische Chirurgie Felice La Forza aufmerksam. Nach einem Beratungsgespräch bei ihm war sicher: Operationen sind unumgänglich. Nach vier stationären Aufnahmen und Operationen in der Helios Klinik wurden ihr insgesamt 27.700 Milliliter krankes Fett abgesaugt. Auch wenn die Zeit nach den Operationen geprägt von Schmerzen war, bereut sie die Operationen auf keinen Fall. Ganz im Gegenteil: Sie ist davon überzeugt, dass sie für ihr Leben keine bessere Entscheidung hätte treffen können.

Schon zwischen den Operationen erhält B. ein neues und besseres Lebensgefühl. Sie wird wieder beweglicher und alltägliche Dinge sind wieder schmerzfrei machbar. Schuhe zubinden, Beine anwinkeln, Treppen steigen oder Fahrrad fahren sind nach den Operationen kein Problem mehr und vor allem schmerzfrei. Sie kann wieder am Leben teilnehmen und neue Erfahrungen sammeln. Hinzu kommt der optische Faktor, denn eine Jeans kaufen war für sie viele Jahre nicht möglich.  „Nein, für mich waren es keine Schönheitsoperationen“, denn das wird oftmals fälschlicherweise mit der Fettabsaugung in Verbindung gebracht. Ganz im Gegenteil, die Operation ermöglicht es den Erkrankten wieder ohne Einschränkungen am Alltag teilzunehmen und nicht dauerhaft unter starken Schmerzen zu leiden.

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