Was ist Migräne?
"Die Migräne ist eine anfallsartige Erkrankung, die mit starken Kopfschmerzen und Begleitsymptomen wie Übelkeit sowie Geräusch- und Lichtempfindlichkeit einhergeht", sagt Dr. Martin Bästlein, Chefarzt für Neurologie in den Helios Kliniken Mittelweser.
Eine Migräneattacke dauert in der Regel zwischen vier und 72 Stunden.
Bei circa 20 Prozent tritt eine sogenannte Migräneaura auf. Eine Aura zeichnet sich durch neurologische Symptome wie Sehstörungen, Schwindel, Missempfindungen oder in seltenen Fällen auch Bewusstseinsstörungen aus.
Migräne kann in jedem Alter auftreten. Eine Häufung findet zwischen der Pubertät und dem 50. Lebensjahr statt. Die Intensität und Dauer der Kopfschmerzattacken können sich in den Jahren stark voneinander unterscheiden.
Was sind Ursachen einer Migräne?
Die genauen Ursachen der Migräne sind noch immer nicht eindeutig geklärt. Als Hauptursache wird eine Fehlsteuerung im Zentralen Nervensystem (umfasst alle Nerven und Nervenbahnen im Gehirn und Rückenmark) vermutet. Auch Veränderungen an den Gefäßen werden diskutiert.
Fest steht: Migräneattacken können durch verschiedene Trigger ausgelöst werden, die individuell unterschiedlich sein können. Als häufige Migräne-Auslöser gelten zum Beispiel Stress, Hormonschwankungen, schlechter oder unregelmäßiger Schlaf und Wetterumschwünge – nicht alle davon sind vermeidbar.
Wichtig zu verstehen ist, dass Migräne keine psychosomatische Erkrankung oder irrelevante Befindlichkeitsstörung ist. Vielmehr hat die Migräne eine genetische Grundlage – meist gibt es auch andere Betroffene in der Familie.
Symptome einer Migräne
Für Migräne ausschlaggebende Symptome sind nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch Begleiterscheinungen wie Lichtüberempfindlichkeit (Photophobie), Lärmüberempfindlichkeit (Hyperakusis) und Geruchsüberempfindlichkeit (Osmophobie). Ebenso sind Übelkeit und Erbrechen häufige Symptome.
15 bis 20 Prozent der Migränepatient:innen leiden unter einer Migräne mit Aura. Diese entsteht durch die migränebedingte zeitweilige Entladung von Nervenzellen in der Sehrinde oder im Hirnstamm. Aura-Symptome treten oft, aber nicht immer vor oder zu Beginn der Migräneattacke auf. Typisch für eine Aura sind neurologische Symptome. Dazu zählen unter anderem:
- sich langsam ausbreitende flimmernde Sehstörungen (Flimmerskotome)
- visuelle Phänomene wie Lichtblitze, Zickzacklinien
- Einschränkungen des Sichtfelds
- seltener können auch Sensibilitätsstörungen in Form von Kribbeln oder Taubheitsgefühlen in Armen, Beinen oder dem Gesicht auftreten,
- ebenso Sprachstörungen und in Ausnahmefällen auch Lähmungserscheinungen
- Auch Schwindelanfälle können bei Migräneauren auftreten
Die Aura dauert meist zwischen 20 und 30 Minuten. Manche Patient:innen merken anhand von Prodromalsymptomen (Vorboten) bereits im Voraus, dass sich eine Migräneattacke anbahnt. Viele Betroffene leiden während der Episoden, teilweise auch davor und danach, unter starker Müdigkeit und Erschöpfung.
Es ist durchaus sinnvoll die Symptome ärztlich abklären zu lassen, um andere Erkrankungen wie eine Epilepsie oder einen Schlaganfall auszuschließen.
Das hilft bei der Migränediagnostik
Die meisten Migränepatient:innen können ihre Beschwerden durch andere betroffene Familienmitglieder schon richtig einordnen. Diese drei Punkte erleichtern die Diagnosestellung:
- Genaue Beschreibung der Schmerzen und wo sie zu lokalisieren sind. Zusätzlich: Häufigkeit, Dynamik, Charakter und Begleitsymptome
- Mögliche Auslöser erkennen: Treten die Attacken bei Stress, nach Schlafmangel oder dem Genuss bestimmter Nahrungsmittel auf?
- Ein Kopfschmerztagebuch oder eine App helfen dabei, die Anfälle und mögliche Begleiterscheinungen zu dokumentieren und mögliche Auslöser zu erkennen.
Wenn eine Mindestanzahl von Charakteristika vorhanden ist, die zudem wiederholt auftreten, kann die Diagnose sichergestellt werden. Wichtig ist auch, andere sekundäre Kopfschmerzarten, von denen über 350 nach Ursachen eingeteilt sind, auszuschließen.
Was hilft gegen Migräne?
Bei der Migränetherapie im Anfall wird unterschieden zwischen medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen.
Medikamente bei Migräneanfall
Leichte Migräneanfalle lassen sich meist gut mit rezeptfrei erhältlichen Schmerzmitteln wie Paracetamol, Naproxen oder Ibuprofen behandeln. "Bei mittelschweren bis schweren Migräneattacken werden spezielle Migränemedikamente eingesetzt, sogenannte Triptane. Diese setzen an Nervenzellen im Gehirn sowie an den Blutgefäßen an und hemmen die Schmerzverarbeitung", weiß der Chefarzt. Triptane dürfen allerdings nicht bei Patient:innen mit bestehenden Gefäßerkrankungen eingesetzt werden, etwa bei Personen, die bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben.
Ab einer gewissen Häufigkeit von Migräneattacken sowie bei schwerer oder chronischer Migräne können Medikamente zur Anfallsprophylaxe eingesetzt werden. Hier gibt es eine Vielzahl an Medikamenten, die ursprünglich für andere Erkrankungen entwickelt wurden, aber auch eine vorbeugende Wirkung bei Migräne zeigen. Die gewünschte Wirkung und mögliche Nebenwirkungen müssen dabei sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Bei der Auswahl der Medikamente sollten daher auch Begleiterkrankungen wie eine Depression berücksichtigt werden.
Eine chronische Migräne liegt vor, wenn eine Person an mindestens 15 Tagen im Monat unter Kopfschmerzen leidet und davon mindestens acht Tage unter Migräne.
Antikörper-Spritze als Migräneprophylaxe
Noch recht neu sind Therapien mit monoklonalen Antikörpern (CGRP-Antikörper), die spezifisch in den Migräneentstehungsmechanismus eingreifen. „Sie werden unter die Haut gespritzt, haben weniger Nebenwirkungen und sind sehr effektiv“, so der Chefarzt.
Botox gegen Migräne-Anfälle
Bei chronischer Migräne ist auch eine Therapie mit Botulinumtoxin Typ A empfehlenswert. So kann die Injektion in bestimmte Kopf- und Halsmuskel helfen, einer Migräneattacke vorzubeugen. Neben der Entspannung der Muskulatur vermutet man, dass eine Botox-Injektion auch auf die Schmerznervenfasern wirkt, die an der Migräne beteiligt sind. Ob eine Botox-Behandlung infrage kommt, kann die/der behandelnde Neurolog:in nach einem ausführlichen Beratungsgespräch entscheiden.
Migräne in der Schwangerschaft
Meistens nimmt Migräne während der Schwangerschaft ab. Sprechen Sie mit Ihrer Gynäkologin/Ihrem Gynäkologen welche Medikamente Sie einnehmen können. Gerade in der Schwangerschaft können Entspannungsübungen eine positive Wirkung haben und so den Umgang mit Migräne ohne Medikamenteneinnahme erleichtern.
Migränebehandlung ohne Medikamente?
Manche Menschen lehnen Medikamente ab oder möchten diese möglichst selten einnehmen. Ihnen können die nicht-medikamentösen Maßnahmen helfen, die generell allen Migräne-Betroffenen zur Vorbeugung von Migräneattacken empfohlen werden. Dazu zählen
- Vermeiden bekannter Trigger/Auslöser
- Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation und autogenes Training
- regelmäßiges Ausdauertraining mit mindestens zwei Einheiten pro Woche zu jeweils 30 Minuten
- Einhaltung eines regelhaften Lebensrhythmus mit Ruhepausen und ausreichend Schlaf
- Akupunktur als vorbeugende Maßnahme
"Es können jedoch auch Faktoren, wie Wetterumschwünge oder ein bevorstehendes Wochenende, welches eine Wochenendmigräne durch Entlastung auslöst, zu Migräneattacken führen. Nicht alle Auslöser lassen sich effektiv ausschalten", sagt Dr. Martin Bästler.
Mit der richtigen Ernährung Migräneanfällen vorbeugen?
Es gibt keine Diät gegen Migräne. Dennoch sind eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend ungesättigten Fettsäuren, regelmäßige Mahlzeiten sowie eine gute und regelmäßige Flüssigkeitsaufnahme sinnvoll.
Migräne-Betroffene sollten zudem Fertigprodukte meiden und stattdessen Produkte ohne Konservierungsstoffe zu sich nehmen.
Kopfschmerzen durch Schmerzmittel?
Es klingt paradox, ist aber tatsächlich so: Schmerztabletten können Kopfschmerzen verursachen oder verschlimmern. Das ist eine mögliche Folge bei (zu) häufiger Anwendung, also an zehn oder mehr Tagen im Monat, zum Beispiel bei Triptanen. Durch den Übergebrauch (Medication Overuse Headache = MOH) kann sich ein eigenständiges Schmerzsyndrom entwickeln. Bei einem sofortigen Absetzen der dauerhaft eingenommenen Schmerzmittel können Entzugserscheinungen auftreten. Sprechen Sie bei Verdacht auf MHO mit ihrer Ärztin/Ihrem Arzt.
Quellen:
[1] https://www.who.int/news/item/13-11-2020-wha-resolution-calls-for-integrated-action-on-epilepsy-and-other-neurological-disorders | Zugriff am 23.11.2023