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Morbus Bechterew: Wenn die Wirbelsäule entzündet ist

Eine mögliche Ursache von chronischen Rückenschmerzen sind entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie der Morbus Bechterew. Unser Experte erklärt Ihnen, welche Symptome für Morbus Bechterew sprechen und wie die Krankheit frühzeitig erkannt werden kann. 

Rückenschmerzen

Was genau ist Morbus Bechterew?

Der Morbus Bechterew gehört zu den sogenannten Spondyloarthritiden (SpA), eine Gruppe entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. „Die chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung Morbus Bechterew betrifft vor allem die Wirbelsäule und deren Verbindungen zum Becken. Dort können sich Entzündungen bilden und das Knochengewebe sowie die Gelenke angreifen", sagt Prof. Dr. Eugen Feist, Chefarzt der Rheumatologie und Ärztlicher Direktor der Helios Fachklinik Vogelsang-Gommern (Sachsen-Anhalt).

Die Erkrankung beginnt schleichend, sodass sie oft erst nach Jahren erkannt wird. Im fortgeschrittenen Stadium können die Entzündungen im Achsenskelett zu einer verknöcherten Wirbelsäule führen, deren einzelne Gelenke miteinander zur sogenannten „Bambuswirbelsäule“ verwachsen sind.

Die genaue Ursache der Erkrankung ist weitestgehend unbekannt. Expert:innen gehen von einer Fehlfunktion des Immunsystems aus, die zu einer überschießenden Entzündungsreaktion führt. Bei einem Großteil der Erkrankten liegt eine genetische Veranlagung vor. So besitzen etwa 90 Prozent aller Erkrankten ein spezielles Eiweiß, namens HLA-B27. Aber auch Menschen ohne dieses Eiweiß sind betroffen.

 

Wo im Körper beginnt Morbus Bechterew?

Typisch für die Erkrankung ist der schleichende Beginn mit unspezifischen Schmerzen im Becken im Bereich der Kreuzbein-Darmbein-Gelenke (Iliosakralgelenke). Die Betroffenen leiden an chronischen Schmerzen im Teil der betroffenen Wirbelsäule, die bis ins Gesäß oder zu den Oberschenkeln ausstrahlen können – besonders, wenn sie länger sitzen. Die Schmerzen lassen meist unter Bewegung nach, in Ruhe nehmen sie wieder zu.

Häufig führen diese Symptome zunächst zu dem trügerischen Verdacht auf Abnutzungserscheinungen oder eine Überlastungssymptomatik, die mit einer nicht ausreichend effektiven physiotherapeutischen und orthopädischen Behandlung einhergeht.

 

Was sind die Symptome?

„Die Erkrankung kann sehr unterschiedlich verlaufen. Oft verläuft sie schleichend über Jahre und Jahrzehnte, wobei sich Entzündungsphasen mit mehr oder weniger beschwerdefreien Zeiten abwechseln“, weiß Prof. Feist. „Bis die Diagnose gestellt wird, vergehen meist mehrere Jahre", so der Chefarzt. Oft wird Morbus Bechterew zunächst mit Muskelverspannungen oder einem Bandscheibenvorfall verwechselt.

Zu den Hauptsymptomen zählen:

  • chronische tiefsitzende Rückenschmerzen mit Beginn vor dem 45. Lebensjahr
  • Morgensteifigkeit nach dem Aufstehen für mehr als 30 Minuten
  • Aufwachen in der zweiten Nachthälfte wegen Schmerzen
  • nachlassende Schmerzen bei Bewegung
  • wechselnder Gesäßschmerz

 

Zu häufigen Begleitbeschwerden und -erkrankungen zählen:

  • unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Fieber, Gewichtsverlust
  • oft asymmetrische Entzündungen in großen und kleinen Gelenken
  • Entzündungen der Sehnenansätze
  • Entzündungen der Regenbogenhaut am Auge (Uveitis)
  • vermehrt Wirbelbrüche aufgrund eingeschränkter Flexibilität und verminderter Knochendichte
  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa und Morbus Crohn)
  • Schuppenflechte (Psoriasis)

Helios Fachklinik Vogelsang-Gommern

Chefarzt Rheumatologie und Klinische Immunologie

Die Symptome unterscheiden sich bei Frauen nicht wesentlich. Allerdings sind milde bis moderate Verläufe etwas häufiger als bei Männern.

Verlauf der Morbus Bechterew

Die Bechterew-Krankheit beginnt meist zwischen dem 16. und 40. Lebensjahr. Der Krankheitsverlauf ist chronisch fortschreitend und tritt in Schüben auf. Wie häufig und wie stark diese Schübe sind, ist individuell sehr unterschiedlich.

Beschwerden, wie Schmerzen und Steifigkeit können plötzlich innerhalb von einigen Wochen stärker werden. Im Anschluss kommt es zu einer leichten Erholung bis hin zu einem fast beschwerdefreien Intervall.

Im Vordergrund stehen zwar Beschwerden der Wirbelsäule und Gelenke, dennoch treten gehäuft auch andere Erkrankungen auf. So haben Erkrankte oftmals unter Psoriasis (Schuppenflechte) oder unter einer Regenbogenhautentzündung am Auge zu leiden.

Im Magen-Darm-Trakt kann es zu entzündlichen Veränderungen des Kolons (Dickdarm) oder Ileums (Krummdarm) kommen. Manche Patient:innen entwickeln das Vollbild einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.

Morbus Bechterew ist nicht heilbar. Die Therapieansätze bremsen lediglich das Fortschreiten der Krankheit und lindern Beschwerden. Die Lebenserwartung erkrankten Patient:innen ist die gleiche wie beim Bevölkerungsdurchschnitt.

 

Stadien Morbus Bechterew

Zur groben Anschauung kann man den Morbus Bechterew in drei Stadien aufteilen, die sich in Art und Ausprägung der Symptome unterscheiden können:

Anfangsstadium:

  • Dauer: sechs Wochen bis drei Monate
  • Kreuz- und Gesäßschmerzen, vor allem morgens und bei längerem Liegen
  • Rückensteifigkeit beim Aufstehen
  • bei Bewegung verringern sich die Schmerzen
  • Druckempfindlichkeit an Schlüsselbein, Rippen, Wirbeln, Darmbeinkämmen, Sitzbein, Hüfte, Fersen

 

Manifestes Stadium:

  • Dauer: zehn bis 20 Jahre
  • Veränderungen an den Kreuz-Darmbein-Gelenken im Röntgenbild sichtbar
  • Bewegung oft nur noch unter Schmerzen möglich
  • schubartige Verschlechterung der Erkrankung
  • zunehmende Versteifung und Verformung der Wirbelsäule

 

Spätstadium:

  • nach circa 20 Jahren
  • Entzündungsprozesse und Verknöcherungen kommen zum Stillstand
  • Wirbelsäule gleicht Bambusstab
  • in der Brustwirbelsäule bildet sich ein Buckel
  • Halswirbelsäule ist nach vorne geneigt
  • durch vorgebeugte Haltung blicken Betroffene die meiste Zeit Richtung Boden, der Bauch ist vorgewölbt und die Atmung fällt schwerer

Morbus Bechterew Symptome bei Frauen

Die rheumatische Erkrankung galt lange als Männerkrankheit. Dennoch sind Frauen etwa gleich häufig betroffen. „Die Symptome unterscheiden sich bei Frauen nicht wesentlich. Allerdings sind milde bis moderate Verläufe etwas häufiger als bei Männern“, so der Chefarzt.

Die typische Versteifung der Wirbelsäule verläuft bei Frauen meist langsamer. Frauen sollten sich bei Beschwerden daher gründlich untersuchen lassen.

Bei Frauen zeigen sich die ersten Symptome häufiger an den Gelenken außerhalb der Körperachse. Zu Beginn sind eher die Halswirbel als der untere Rücken betroffen. Auch Entzündungen von Sehnenansätzen und Schleimbeuteln treten an für Morbus Bechterew eher untypischen Körperstellen auf. Versteiftes Gewebe oder Verknöcherungen sind charakteristisch für spätere Stadien. Dennoch ist die Schmerzbelastung bei Frauen keinesfalls geringer.

 

Wie äußern sich Symptome bei einem Bechterew-Schub?

Ein Schub bei Morbus Bechterew ist durch tiefsitzende, dumpfe Rückenschmerzen, insbesondere im Gesäßbereich sowie der Wirbelsäule ohne Einstrahlung in die unteren Extremitäten gekennzeichnet. In der Regel führt jeder Schub zu einer schrittweisen Verschlechterung der Erkrankung.

„Die Symptome können über mehrere Wochen anhalten und schränken die Lebensqualität sowie Leistung im beruflichen und privaten Umfeld ein. Zudem verschlechtert sich oft die Stimmungslage“, sagt Prof. Feist. Ab der sechsten Woche sprechen Ärztinnen und Ärzte von einem chronischen Krankheitsbild.

 

Wie äußern sich Symptome bei einem Bechterew-Schub?

Ein Schub bei Morbus Bechterew ist durch tiefsitzende, dumpfe Rückenschmerzen, insbesondere im Gesäßbereich sowie der Wirbelsäule ohne Einstrahlung in die unteren Extremitäten gekennzeichnet. In der Regel führt jeder Schub zu einer schrittweisen Verschlechterung der Erkrankung.

„Die Symptome können über mehrere Wochen anhalten und schränken die Lebensqualität sowie Leistung im beruflichen und privaten Umfeld ein. Zudem verschlechtert sich oft die Stimmungslage“, sagt Prof. Feist. Ab der sechsten Woche sprechen Ärztinnen und Ärzte von einem chronischen Krankheitsbild.

 

Ist es vielleicht Morbus Bechterew?

Wer bei sich typische Symptome eines Morbus Bechterew feststellt, sollte eine:n Ärzt:in aufsuchen. Zur Abklärung einer möglichen Erkrankung erfolgt die Anamnese (Krankengeschichte) der Patient:innen. Insbesondere die auftretenden Beschwerden spielen in diesem Gespräch eine wichtige Rolle.

Mögliche Fragen, die zur Klärung der Diagnose dienen, sind etwa:

 

  • Hält der Kreuzschmerz bereits länger an (mehr als drei Monate)?
  • Sind die Beschwerden vor dem 45. Lebensjahr erstmals aufgetreten?
  • Dauert die Morgensteifigkeit länger als 30 Minuten?
  • Verbessert sich der Kreuzschmerz durch Bewegung, nicht jedoch durch Ruhe?
  • Stören Kreuzschmerzen das Durchschlafen?
  • Haben die Beschwerden schleichend begonnen?
  • Gibt es einen wechselseitigen Gesäßschmerz?
  • Bestehen Sehstörungen, Herz- und/oder Nierenbeschwerden?

 

Ausgehend von den Antworten können weitere Tests und Diagnoseverfahren durchgeführt werden, um festzustellen, ob die Wirbelsäulen-Erkrankung vorliegt. Das sind unter anderem Blutuntersuchungen und verschiedene bildgebende Verfahren, wie Röntgen und Magnetresonanztomographie (MRT).

Eine frühe Diagnose ist mittels MRT möglich, da bereits im frühen Krankheitsstadium entzündliche Veränderungen in den Kreuz-Darmbein-Gelenken erkennbar sind. Röntgenbilder können Strukturveränderungen an der Wirbelsäule oder am Kreuz-Darmbein-Gelenk zeigen.

Wie sieht die Morbus Bechterew-Therapie aus?

Die Behandlung soll Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung bremsen. Eine Heilung gibt es bislang nicht. Die Behandlungsmöglichkeiten können im Rahmen der Therapie kombiniert werden und sind immer individuell an die Bedürfnisse der Patient:innen angepasst.

Zu den Behandlungsmöglichkeiten zählen:

  • medikamentöse Therapie
  • operative Therapie
  • gesunder Lebensstil
  • weitere Therapiemaßnahmen, wie Krankengymnastik, Physiotherapie

Prof. Dr. Feist sagt: „Zunächst haben eine symptomorientierte Therapie mit Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie auch eine kontinuierliche und regelmäßige physikalische Therapie einen wichtigen Stellenwert.“

Bei Verläufen, die auf die Behandlung nicht anschlagen, werden Biologika oft mit sehr gutem Erfolg eingesetzt. Bei betroffenen Patient:innen kann so regelmäßig eine deutliche Verbesserung der Krankheitsaktivität bis hin zur Remission, also das Anhalten oder Nachlassen von Symptomen,  erreicht werden.

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