Menü
Schließen

Musiktherapie: Rhythmus verschafft Zutritt zur Seele

Der Alltag des Menschen wird von Klängen bestimmt. Musik, Geräusche in der Natur oder Lärm prallen pausenlos auf uns ein. Die Reaktionen, die sie auslösen können, sind unterschiedlich. Klänge, Töne und musikalische Geräusche bewusst im Heilungsprozess psychisch kranker Menschen einzusetzen, ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Musiktherapie. Erfahren Sie hier mehr.

Seniors in nursing home making music with rhythm instruments

Bedeutung von Musik für Menschen

Unser Leben unterliegt einem permanenten Lernprozess. Erfahrungen und Erkenntnisse, ganz gleich ob bewusst oder unbewusst erlangt, prägen und bestimmen bis zuletzt das menschliche Verhalten. Den Auftakt bildet hierbei die Musik. Musikalische Impulse können bereits in der 16. Schwangerschaftswoche vom Ungeborenen wahrgenommen werden. Es hört die Stimme der Mutter, die Geräusche ihrer Organe oder Klänge, die dem Kind bewusst vorgespielt werden. Für das Ungeborene ist jedes Auf und Ab dieser Töne eine Komposition.

Wenn Musiktherapie zum Einsatz kommt

Ein Fakt, dessen sich auch die Psychotherapie, im Speziellen die Musiktherapie, bedient. „Jeder Klang geht in Resonanz mit den Erfahrungen, die ein Mensch gemacht hat. Er begleitet ihn Zeit seines Lebens und bestimmt unter anderem die Art, wie er mit anderen in Kontakt tritt”, verdeutlicht Claudia Steidte, Musiktherapeutin am Helios Park-Klinikum Leipzig. 

Sie agiert auf der gerontopsychiatrischen Station, trifft im Verlaufe ihrer Therapiearbeit also vorwiegend auf ältere Menschen. „Musik weckt Erinnerungen, die Gefühle auslösen. Diese können positiver Art, aber natürlich auch negativ belastet sein”, berichtet sie. 

Wertvoll sei diese Erkenntnis etwa bei der Arbeit mit Demenz-Erkrankten. Die angespielten Klänge, Töne oder Lieder weckten tief in ihrem Inneren etwas, das ein Teil ihrer nun verborgenen Geschichte ist: Schöne Momente oder Traumata – Gefühle der Verbundenheit und der Geborgenheit, aber auch Ängste und Verlusterfahrungen. „Mit der musikalischen Interaktion möchte ich mit den Patientinnen und Patienten einen Raum schaffen, in dem an positive Erinnerungen in deren Lebensgeschichte angeknüpft werden kann“, sagt Steidte.

Ziel der Musiktherapie: Hören und verstehen

Bei der Musiktherapie geht es darum, einen Schlüssel zu den Patient:innen zu finden. Aber auch, dass sich die Person selbst dabei besser kennenlernt. Dies gilt im Besonderen für Kinder und Jugendliche, derer sich im Park-Klinikum Leipzig die Musiktherapeutin Viola Grandke annimmt. Im Therapieraum stehen hierfür eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente bereit.

Den Patient:innen bleibt es frei, eines davon auszuprobieren. Die Therapeutinnen selbst sehen sich während dieser Zeit als Zuhörerinnen. Sie erfassen den Klang und reagieren entsprechend darauf. Psychiatrische Patient:innen, betonen beide Musiktherapeutinnen, seien sehr feinfühlig. Musik oder bewusst ausgeführte Klänge lösen deshalb fast immer einen intimen Moment in ihnen aus. Musik erzeugt eine Resonanz, die den Patient:innen als Brücke, als Haltgeber, Stabilisator dient. Sie übernimmt damit eine wichtige Funktion im Heilungsprozess. Umso bedeutsamer ist es, dieses Instrument gezielt einzusetzen.

Kosten und Ineinandergreifen aller Fachrichtungen

Dass die Musiktherapie bislang kein anerkannter Bestandteil der Heilmittelverordnung ist, und damit die von ihr erbrachten Leistungen durch die Krankenkassen nicht übernommen werden, bedauern und kritisieren auch Therapeut:innen anderer Fachgebiete. Claudia Steidte und Viola Grandke, beide im Masterstudiengang ausgebildet, erachten ihre Einbindung und Zusammenarbeit im Verbund mit anderen Therapie-Richtungen des Klinikums deshalb als besonders wertvoll. „Alle Fachbereiche greifen ineinander. Letztendlich ist es diese Gesamtheit aller Segmente, die der Heilung oder Linderung der Krankheitssymptome dient”, betont Steidte.

Vorgehen bei einer Musiktherapie

„Während einer Therapiestunde ist es wichtig, dass der Therapeut sich, seine eigene Sichtweise oder Musikvorlieben vollständig zurücknimmt. Hier geht es einzig um die Patientinnen und Patienten: um das, was sie mit den Instrumenten machen, die Töne oder Pausen, die während des gemeinsamen Spiels möglich werden. Sie gilt es anzunehmen und die weitere Interaktion darauf anzulegen”, beschreibt Viola Grandke ihr Vorgehen. Das Therapiezimmer eignet sich als Spielraum, in dem mit musikalischen Mitteln neue Beziehungserfahrungen erlebt, Konflikte dargestellt und Lösungen erprobt werden können.

Die Therapeutin ist in der Regel aktiv am Spiel beteiligt, unterstützt, begleitet und gibt Resonanz. Das ermöglicht eine wichtige Erfahrung von Geborgenheit und dem Erleben der eigenen Wirksamkeit. Dass es hierbei auch laut werden darf, gehört zum freien Spiel dazu, bedarf aber zuweilen einer besonderen therapeutischen Intervention. Affektregulation nennen die beiden Musiktherapeutinnen das. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sei das wichtig. „Wer nicht reguliert ist, kann anderen gegenüber nicht sozial sein und benötigt hierfür therapeutische Unterstützung“, ergänzt Viola Grandke.

Kritik und Risiken an der Musiktherapie

Mit Nachdruck verweisen beide Frauen darauf, dass die Musiktherapie wichtig sei und viel erreichen kann, sie jedoch nicht willkürlich anzuwenden ist. Musik hat durchaus auch ihre Schattenseiten.

Falsch eingesetzt ist sie durchaus in der Lage, zu destabilisieren oder ein tief sitzendes Trauma erneut freizusetzen, betonen sie. Ein Grund mehr, diese Arbeit nur wirklich ausgebildeten Fachkräften zu überlassen.

image
Vereinbaren Sie einen Termin mit unseren Experten.
Sie benötigen einen Termin in einer unserer stationären Kliniken oder ambulanten Einrichtungen oder wollen unabhängig vom Ort eine Videosprechstunde vereinbaren? In unserem Patientenportal können Sie Ihren Termin direkt online buchen.