Ist daddeln unnatürlich?
Mittlerweile aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken: Köpfe, die über Smartphones oder Tablets gebeugt sind und Daumen, die über Displays galoppieren – in der Bahn, auf der Straße, im Wartezimmer. Gedaddelt wird überall. Die Diagnosen „Handy-Nacken“ und „SMS-Daumen“ treten immer häufiger auf. Warum eigentlich?
Für die Smartphonenutzung nehmen ihre Benutzer:innen oft eine völlig unnatürliche Haltung ein: Sie lassen den Kopf herunterhängen und die Schultern sacken nach vorne. Als Folge drohen nicht nur Muskelverspannungen sowie Nacken- und Schulterschmerzen, sondern auch dauerhafte Haltungsschäden.
Druck auf Nacken und Rücken
Die Ursache für die potenziellen Spätfolgen ist leicht erklärt: Unser Kopf wiegt im Durchschnitt vier bis sechs Kilogramm. Wenn er um rund 15 Grad nach vorne gebeugt wird, wirken zusätzliche 13 Kilogramm auf den Rücken. Je tiefer der Kopf nach vorne sinkt, desto stärker wird unsere Wirbelsäule belastet.
Wer auf sein Mobilgerät blickt, senkt seinen Kopf aber nicht nur um 15, sondern meist sogar um 60 Grad. Durch den Zug des Kopfes wirken dann über 27 Kilogramm auf Nacken und Rücken. Das entspricht etwa dem Körpergewicht eines siebenjährigen Kindes.
„In dieser Position muss die Halswirbelsäule einer hohen Kraft entgegenwirken. Die Bänder sind ständig gedehnt, die Muskulatur ist angespannt, der Bereich kann nicht mehr gut mit Blut versorgt werden", sagt Dr. Khanh-Toan Hau, Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie im Helios Klinikum Duisburg. Das kann dazu führen, dass sich die Muskeln dauerhaft verhärten und Betroffene ständig eine Art Schonhaltung einnehmen.
So beugen Sie Nackenschmerzen vor
„Wenn möglich, sollte man zum Beispiel lieber an einem Schreibtisch mit dem Laptop oder Handy hantieren und sich nicht dazu auf die Couch lümmeln“, rät Dr. Hau. „Der Bildschirm sollte sich dabei möglichst auf Augenhöhe oder knapp darunter befinden, auch wenn es beim Handy etwas seltsam anmutet.“
Weiterer Tipp: Zwischendurch immer wieder die Haltung wechseln und nie zu lange in einer Position verharren. Auch sollte man öfter mal in die Ferne schauen, um Augen- und Nackenmuskulatur zu trainieren oder Ausgleichsübungen einschieben. Das heißt: sich ab und an nach hinten neigen, strecken, die Bauchmuskulatur in die Länge ziehen und dabei die Arme mit in die Höhe nehmen.
Wenn auch der Daumen schmerzt
Auch der Daumen wird beim digitalen Tippen oder Wischen gefordert oder überbeansprucht. Erstes Anzeichen für eine Überlastung ist meist ein ziehender Schmerz entlang des Daumenstrahls, also entlang des Daumens.
Betroffene sollten dieses Warnsignal nicht ignorieren, denn sonst kann eine Sehnenentzündung drohen – mit zum Teil langwieriger Therapie. „Dank verschiedener Tests können wir erkennen, wie weit die Entzündung schon fortgeschritten ist. Anfangs ist meist eine vorrübergehende Ruhigstellung des Gelenks, mit Unterstützung von Schienen oder Bandage, hilfreich. Überlasten die Patient:innen die Daumen allerdings weiter, kann die Entzündung chronisch werden“, erklärt Dr. Jörn Redeker, Chefarzt der Plastischen- und Handchirurgie im Helios Klinikum Duisburg.
Bei schweren Fällen hilft dann zum Teil nur noch eine Kortisonspritze oder die Operation. Dabei wir das das sogenannte Sehnenfach aufgespalten, um die entzündlich eingeklemmte Sehne zu entlasten. Untersuchungen konnten darüber hinaus selbst an jungen Handynutzer:innen auch eine Verdickung des Mittelnervs (Nervus medianus) nachweisen – mit ähnlichen Symptomen wie bei einer beginnenden Einengung des Nerven, dem sogenannten Karpaltunnelsyndrom.