Was ist Osteoporose?
Osteoporose ist eine systemische Knochenerkrankung, bei der es im Rahmen des natürlichen Knochenauf- und abbaus zu einem Ungleichgewicht in Richtung vermehrtem Knochenabbau kommt. Im täglichen Sprachgebrauch wird die Osteoporose oft als „Knochenschwund“ bezeichnet. Durch die Verringerung der Knochenmasse und der Architekturstörung kommt es zu einem erhöhten Bruchrisiko.
„Jede zweite Frau und jeder fünfte Mann erleidet im Laufe des Lebens eine osteoporosebedingte Fraktur“, sagt Chefarzt Dr. Ralf Imig, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie in der Helios Klinik Erlenbach. Die ersten Anzeichen setzen meist ab einem Alter von 50 Jahren beziehungsweise nach Beginn der Menopause ein. Mit jedem weiteren Lebensjahrzehnt steigt das Bruchrisiko um das zwei- bis vierfache.
Eine Verminderung der Knochendichte zeigt auch die Osteopenie, die eine mögliche Vorstufe der Osteoporose sein kann. Ursächlich sind oftmals eine ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung. Die Osteopenie gilt als Alterserkrankung des Knochens, von der häufig Frauen nach der Menopause betroffen sind, bei denen sich der sinkende Östrogenspiegel in Kombination mit den bereits genannten Ursachen negativ auf die Knochendichte auswirkt.
Was passiert bei einer Osteoporose im Knochen?
Mehr als 200 Knochen verschiedenster Formen und Größen bilden unser Skelett. Die Knochensubstanz ist das härteste Gewebe, das unser Körper produzieren kann. Sie hält unterschiedlichsten Belastungen stand.
Das ganze Leben lang werden Teile unserer Knochen auf- und abgebaut und dadurch ständig erneuert. Den Hauptbestandteil der Knochen bildet Kalzium, das zumeist über die Nahrung aufgenommen wird. Vitamin D wirkt unterstützend bei der Aufnahme von Kalzium und ist daher essentiell für den Knochenaufbau.
Mit der Osteoporose tritt ein Ungleichgewicht ein, bei dem mehr Knochenmasse ab- als aufgebaut wird. Das betrifft alle Bestandteile der Knochen gleichermaßen. Die Knochen verlieren so immer mehr an Substanz, was auf Röntgenbildern immer deutlicher sichtbar wird. Mit der Zeit werden sie porös und es können sich Mikrorisse bilden. Besonders bruchgefährdete Teile des Skeletts sind der Oberschenkelhalsknochen, der Oberschenkelknochen sowie die Lenden- und Brustwirbel.
Symptome einer Osteoporose
Der Knochenschwund breitet sich meist still und leise aus und zeigt lange keine direkten Symptome. Fast immer wird die Osteoporose erst nach einem bereits vorgefallenen Bruch diagnostiziert. Anders als vermutet, muss dafür jedoch kein traumatischer Unfall der Grund gewesen sein: Betroffene ziehen sich die ersten Frakturen oftmals unbewusst im Alltag zu.
Hinweise auf Osteoporose können sein:
- Schwächegefühl im Rücken
- Größenabnahme/Rundrücken
- Fehlhaltung
- Verspannungen, vermehrt im Rücken
- Brüche nach Bagatellstürzen
- zunehmende Rückenschmerzen
- Verschiebung der Hautfalten („Tannenbaumphänomen")
Eine veränderte Haltung kann ein Hauptindiz sein. Die Wirbelsäule büßt zunehmend an Stabilität ein und Betroffene entwickeln als Folge einen Rundrücken, im Volksmund auch als „Witwenbuckel“ bekannt. Die Wirbel sacken regelrecht ab, was auch zur Abnahme der Körpergröße führt. In manchen Fällen kann dies bis zu 20 Zentimeter der Körpergröße ausmachen.
Im Vergleich erscheinen die Arme dann, proportional gesehen, als zu lang. Diese Veränderung lässt sich auch an den Hautfalten am Rücken erkennen: Die überflüssig gewordene Haut legt sich in diagonalen Falten zur Wirbelsäule zusammen und erinnert an einen Tannenbaum („Tannenbaumphänomen“).
Die ganze Statur fällt nach vorne und kann unter Umständen auch Probleme im Bereich des Beckenkamms verursachen. Diese Ausprägung gehört jedoch zu den extremeren Beispielen.
Ursachen der Osteoporose
Die Gründe, eine Osteoporose zu entwickeln, sind vielfältig und oft nicht eindeutig einzuordnen. Bei rund 95 Prozent der Patient:innen handelt es sich um eine primäre Osteoporose (idiopathische, postmenopausale und senile Osteoporose). Nur bei fünf Prozent ist eine andere Erkrankung ursächlich. Man spricht dann von einer sekundären Osteoporose.
Die Ursachen sind vielfältig, darunter Stoffwechselerkrankungen, hormonelle, medikamentöse und entzündliche Erkrankungen sowie Bewegungsmangel und übermäßiger Alkoholkonsum.
Weitere Ursachen sind unter anderem:
- andauernde, hochdosierte Kortison-Behandlung
- Schilddrüsenüberfunktion
- Bettlägerigkeit
- chronische Nierenerkrankung
- chronische Erkrankungen des Darmes oder der Bauchspeicheldrüse
Risikofaktoren einer Osteoporose
Manche Risikofaktoren sind beeinflussbar, aber viele auch nicht.
Nicht beeinflussbare Risikofaktoren
Zu den nicht-beeinflussbaren Faktoren zählt beispielsweise das Geschlecht: Bei Männern ist das Risiko einer osteoporotischen Fraktur wesentlich geringer. Der Grund: Mit steigendem Alter nimmt bei Frauen die Knochendichte und die Östrogenproduktion, die zum Schutz der Knochen benötigt wird, ab.
Die Aufnahmefähigkeit von Vitamin D und die damit zusammenhängende Aufnahme von Kalzium lässt im Zuge des natürlichen, altersbedingten Knochenabbaus – insbesondere nach den Wechseljahren – nach. Familiäre Veranlagungen können hier erschwerend hinzukommen.
Beeinflussbare Risikofaktoren
Aktiven Einfluss kann man auf seinen Lebensstil ausüben. So wirkt sich zum Beispiel starkes Rauchen negativ auf die Knochen aus, ebenso wie Vitamin-D- und Kalzium-Mangel oder wenig Bewegung.
Aber auch Untergewicht erhöht das Risiko, eine Osteoporose zu entwickeln. Das liegt daran, dass mit einem niedrigen Körpergewicht (Body-Mass-Index (BMI) <20) eine geringere Knochendichte einhergeht, wodurch Brüche begünstigt werden. Mit zu hohem Gewicht (BMI >25) steigt ebenfalls das Bruchrisiko. Empfohlen wird daher ein Normalgewicht mit einem BMI zwischen 20 und 25.
Teufelskreis Schmerzen und Fehlhaltung
Nach dem ersten Sturz im gehobenen Alter kann man schnell in einen Teufelskreis geraten. Durch die durch den Sturz verursachten Schmerzen wird meist automatisch eine Schonhaltung eingenommen. Diese unnatürliche Haltung trägt zum Verspannen der Muskeln bei. Es entsteht eine Fehlhaltung.
Das führt wiederum zu noch mehr Schmerzen, wodurch unnötige Bewegungen vermieden werden. Muskeln und Knochen werden weniger beansprucht, was noch mehr Knochenschwund zur Folge hat. Das kann weitere Brüche begünstigen und der Kreislauf beginnt erneut.
Vom Verdacht zur Diagnose
Die Basisdiagnostik bei Verdacht auf Knochenschwund umfasst eine osteologische Basislaboruntersuchung, Tests auf Mobilitätsstörungen und Sturzgefahr sowie eine Knochendichtemessung. Steht zudem der Verdacht auf einen Knochenbruch (zum Beispiel ein Wirbelkörpereinbruch) im Raum, werden zusätzlich Röntgenaufnahmen zu Rate gezogen.
Die Standardmethode zur Bestimmung der Knochendichte ist die Dual Energy X-Ray Absorptiometry (DXA beziehungsweise Dual-Röntgen-Absorptiometrie). Mittels Röntgenstrahlen wird die Dichte der Knochen an der Lendenwirbelsäule und am oberen Abschnitt des Oberschenkelknochens ermittelt.
Knochenschwund behandeln
Osteoporose-Patient:innen wird empfohlen, primär ihren Lebensstil zu ändern. Wichtig sind etwa eine ausgewogene und gesunde Ernährung, tägliche Bewegung und die Stärkung der Muskeln. Das hält auch den Knochenstoffwechselkreislauf fit.
Bei der medikamentösen Behandlung können, je nach Bedarf und nach ärztlicher Absprache, Bisphosphonate eingenommen werden. Dafür ist das Ergebnis einer individuellen Knochendichtemessung (DXA) entscheidend. Medikamente können entweder den weiteren Abbau von Knochenmaterial verhindern beziehungsweise hemmen oder den Aufbau stärken. Bisphosphonate sind in der Therapie das bevorzugte Mittel: Sie verlangsamen den Abbau und regen zur Neubildung der Knochensubstanz an, um die Dichte zu erhöhen.
Verlauf und Prognose der Osteoporose
Die Operation ist das Mittel der Wahl bei durch Osteoporose verursachte Brüche.
Bestätigt sich der Verdacht, folgt eine individuelle Therapie. Klinische Kontrollen sollten nach Einleitung einer spezifischen Therapie zunächst alle drei bis sechs Monate erfolgen. Sobald hierbei eine passende Behandlungsrichtung gefunden wurde, sollte diese entsprechend ihrem Nutzen und Risiko alle drei bis fünf Jahre überprüft werden. Wird der Knochenschwund erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt, ist die Therapie meist langwierig und anstrengend für die Betroffenen.
Ein Sturz auf die Hüfte oder den Oberschenkel kann für viele Osteoporose-Betroffene ernste Auswirkungen haben – auch wenn es ein vermeintlich „banaler“ Fall ist. Ein Oberschenkelbruch oder ein Oberschenkelhalsbruch, der nur in Ausnahmefällen konservativ behandelt wird, kann bei älteren Menschen zu einer längeren Bettlägerigkeit führen, was sich kontraproduktiv auf die Heilung auswirken kann.
Die gängige Behandlung eines solchen Bruchs ist meist die Operation, bei der eine Hüftprothese (Hüft-TEP) eingesetzt wird. Mittlerweile gehört dieser Eingriff in vielen Krankenhäusern zur Routine. Bereits kurze Zeit nach der Operation wird empfohlen, das Bein zu belasten und Krankengymnastik zu machen, um die Mobilität zu erhalten und den Heilungsprozess zu beschleunigen.
Wie kann man Knochenschwund vorbeugen?
Der Grundstein für gesunde Knochen wird bereits in der Kindheit gelegt. Aktive junge Menschen bauen eine größere Knochenmasse auf – wovon sie im Alter auch länger zehren können. Doch für regelmäßige körperliche Aktivität ist es nie zu spät: Die Bewegungsreize sorgen dafür, dass der Körper Knochendichte und -struktur aufrechterhält.
Eine Kombination aus Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstraining hat sich in sportmedizinischen Studien als besonders effektiv erwiesen. Erfolgt die Bewegung tagsüber im Freien, wird gleichzeitig auch das wichtige Vitamin D gebildet. Das Vitamin lässt sich aber, genau wie Kalzium, über eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung zuführen.
Um einer Osteoporose vorzubeugen, sollten die bereits erwähnten Änderungen des Lebensstils vorgenommen werden, die auch zur Therapie einer Osteoporose empfohlen werden. So kann die primäre Osteoporose verhindert beziehungsweise verzögert werden.
Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, keine Stürze im Alltag zu provozieren. Gefahrenquellen, wie glatte Böden, lose Teppiche, herumliegende Elektronikkabel oder wuchtige Möbel, sollten aus dem häuslichen Umfeld entfernt werden.
Insbesondere im Bad ist das Installieren von Griffen an der Toilette und in der Dusche sinnvoll. Das kann den Alltag erheblich erleichtern und dazu beitragen, ihn barrierefrei zu gestalten. Auch das Bewegungstraining kann entsprechend angepasst werden, um den Fokus auf Gleichgewichts-, Kraft-, und Geschicklichkeitsübungen zu legen und so den Betroffenen mehr Sicherheit im Alltag zu geben.