Zwischen guter Hoffnung und Verunsicherung
Endlich schwanger. Für viele werdende Eltern beginnt jetzt eine sehr intensive und schöne Zeit. Sie möchten nichts falsch machen, dem Baby im Bauch bereits jetzt die besten Möglichkeiten geben und die Schwangerschaft genießen. Doch sobald das positive Testergebnis vorliegt, müssen sich die werdenden Eltern mit Fachbegriffen wie Amniozentese, Nackenfaltenmessung, Fruchtwasseruntersuchung und verwirrenden Abkürzungen wie NIPT beschäftigen.
Die Fülle an Tests und Untersuchungen im Rahmen der Pränataldiagnostik kann schnell verunsichern.
Was ist Pränataldiagnostik?
Der Begriff der Pränataldiagnostik setzt sich aus den lateinischen Wörtern prae für „vor“ und natal für „geburtlich“ zusammen. Die Pränataldiagnostik umfasst also alle vorgeburtlichen Untersuchungen an ungeborenen Kindern und schwangeren Frauen. Diese medizinischen Checks ermöglichen eine frühzeitige Erkennung von Erkrankungen des Fötus.
Der Stellenwert der Pränataldiagnostik ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Das weiß auch Holger Kastner, Oberarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Helios Klinikum Aue: „In unserer Gesellschaft besteht inzwischen ein sehr hoher Anspruch darauf, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Die Pränataldiagnostik gibt uns die Möglichkeit, sehr frühzeitig schwerwiegende Anomalien zu erkennen.“
Dies können zum einen genetische Defekte sein, aber auch körperliche Fehlbildungen. Holger Kastner: „Manchmal finden wir schwere Fehlbildungen, bei welchen es Sinn macht, die Schwangerschaft frühzeitig abzubrechen. Wir erkennen aber oftmals auch Dinge, beispielsweise Herzfehler, welche uns ermöglichen, die Geburt und anschließend notwendige Behandlungen optimal vorzubereiten.“
Doch es gibt auch Grenzen, wie der Mediziner betont: „Viele Untersuchungen richten ihren Fokus auf die Frühschwangerschaft. Dort sind viele Fehlbildungen des ungeborenen Kindes noch nicht wirklich zu erkennen. Auch können zum Beispiel Herzfehler sehr versteckt und sehr vielfältig in ihrer Ausprägung sein“, so Kastner.
Methoden der pränatalen Diagnostik
Die pränatale Medizin hält eine Reihe spezieller Untersuchungsverfahren bereit, mit deren Hilfe bereits in der Frühschwangerschaft Chromosenabweichungen, Fehlbildungen oder genetisch bedingte Erkrankungen erkannt werden können. Die bekannteste ist das Down-Syndrom (Trisomie 21).
Für die gesamte Schwangerschaft gilt: Das Wichtigste ist eine umfassende ärztliche Beratung der werdenden Eltern.
Reguläre Untersuchungen während der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft werden bei der werdenden Mutter in regelmäßigen Abständen Blut- und Urinuntersuchungen in der behandelnden frauenärztlichen Praxis vorgenommen.
Auch beim Baby werden das zeitgerechte Wachstum, die Lage in der Gebärmutter und die Herztöne überprüft. Um die 10., 20. und die 30. Schwangerschaftswoche herum finden zusätzliche Ultraschalluntersuchungen statt. Die Kosten für diese Untersuchungen werden von der Krankenkasse übernommen.
Nichtinvasive Methoden der Pränataldiagnostik
Grundsätzlich wird in der Pränataldiagnostik zwischen „nichtinvasiven“ vorgeburtlichen Untersuchungen und „invasiven“ Methoden unterschieden. „Invasiv“ bedeutet, dass in den Körper eingedrungen wird. Da invasive Verfahren oftmals mit dem Risiko einer Frühgeburt einhergehen, wurden nichtinvasive Tests entwickelt.
Ersttrimester-Screening
Das Ersttrimester-Screening ist eine freiwillige Untersuchung und wird zwischen der 11. und der 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Dieses Screening (Untersuchung) bewertet verschiedene Faktoren, welche ein erhöhtes Risiko für eine Chromosomenstörung wie beispielsweise das Down-Syndrom, anzeigen.
Das Alter der Frau ist dabei ein wichtiger Einflussfaktor: Je älter die werdende Mutter, desto höher die Wahrscheinlichkeit für Chromosomenschäden beim Kind. Daher wird vor allem Frauen ab 35 Jahren das Ersttrimester-Screening empfohlen.
Bei der Untersuchung wird der Schwangeren Blut entnommen, das auf bestimmte Hormonwerte untersucht wird. Zusätzlich wird ein Ultraschall beim Ungeborenen über die Bauchdecke der Mutter durchgeführt. Hierbei erfolgen eine Nackenfaltenmessung und eine Nackentransparenzmessung.
Die Ergebnisse dieses Screenings stellen keine sichere Diagnose dar, sondern zeigen lediglich eine Tendenz. Bei einem auffälligen Befund und dem Verdacht einer Chromosomenstörung ist immer noch eine invasive Untersuchung notwendig.
Die Kosten für das Ersttrimester-Screening werden von den Krankenkassen nicht übernommen. Sie liegen zwischen 100 und 300 Euro.
Nichtinvasiver Bluttest (NIPT)
Beim nichtinvasiven Bluttest werden aus dem Blut der Mutter Zellen des Ungeborenen herausgefiltert und hinsichtlich der genetischen Informationen analysiert.
Die Testverfahren sind ab der 10. Schwangerschaftswoche möglich und werden mit einer rund 99-prozentigen Wahrscheinlichkeit als sehr sicher eingestuft. Das Testergebnis liegt spätestens nach einer Woche vor.
Sind die Eltern an einer solchen Untersuchung interessiert, sollten sie das mit den behandelnden Ärzt:innen absprechen. Der Test kann allerdings nicht in jeder frauenärztlichen Praxis durchgeführt werden. Denn nicht alle Praxen haben die Zulassung für eine genetische Beratung – dies ist den ausgebildeten Pränatalmediziner:innen vorbehalten.
Invasive Pränataldiagnostik
Bei einer invasiven Untersuchung werden die Eihülle und die Gebärmutter durchstochen und Fruchtwasser oder Nabelschnurgewebe entnommen. Ein solcher Eingriff ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden und kann Wehen, Blutungen und im schlimmsten Fall eine Fehlgeburt auslösen. Aus diesem Grund sollte sich die werdende Mutter vorab immer einer ausführlichen Beratung unterziehen.
Eine Fruchtwasseruntersuchung, die sogenannte Amniozentese, ist ab der 14. Schwangerschaftswoche möglich. Mit einer dünnen Hohlnadel wird unter Ultraschallüberwachung durch die Bauchdecke die Fruchtblase durchstochen und eine kleine Menge Fruchtwasser entnommen. Eine örtliche Betäubung ist hierbei nicht erforderlich.
Im Fruchtwasser befinden sich Zellen des Ungeborenen, welche dann genetisch auf Abweichungen des Erbmaterials hin analysiert werden können. Auch vererbbare Stoffwechselstörungen und Fehlbildungen wie ein offener Rücken und Bauchwanddefekte kommen zum Vorschein. Ebenso wird das Geschlecht bestimmt. Die Untersuchung wird Schwangeren mit einem erhöhten Risiko für einen Fehler im Erbgut des Kindes empfohlen. In diesen Fällen übernimmt die Krankenkasse die Kosten, welche sich auf rund 700 Euro belaufen.
Eine Chorionzottenbiopsie läuft ganz ähnlich ab, hier werden die Zellen jedoch aus dem Gewebe der Plazenta, dem Mutterkuchen, entnommen. Die Untersuchung kann bereits ab der 11. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.
Vor- und Nachteile der Pränataldiagnostik?
Durch die Möglichkeiten der modernen Medizin, werden die künftigen Eltern aber auch mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert und müssen Risiken bewerten. Oberarzt Kastner hat seine eigene Meinung dazu: „Die Untersuchungen werden immer besser. Somit können wir immer früher erkennen, ob eine Fehlbildung vorliegt oder nicht. Die Frau, bzw. die Eltern müssen dann selbst entscheiden, was sie mit diesem Wissen machen.“
Für eine solche Entscheidung sind neben gesundheitlichen Aspekten auch die jeweiligen Lebensumstände sowie die individuelle Einstellung entscheidend.
„Wir als Ärzte fällen da kein Urteil. Und was noch wichtiger ist: Wir lassen die Frau in dieser sehr schwierigen Situation nicht allein. Es gibt sehr umfassende ethische und genetische Beratungen, welche einen guten Gesamtüberblick über die Erkrankung und deren Auswirkungen geben. Und egal wie sich die Frau am Ende entscheidet – wir unterstützen sie auf diesem Weg“, ergänzt Holger Kastner.
Mom2B – bestens beraten durch die Schwangerschaft: Pränataldiagnostik: kurz erklärt
Welche Untersuchungen übernimmt die Krankenkasse und was müssen werdende Eltern selbst übernehmen? Dr. Dr. Andreas Klee ist Sektionsleiter der Geburtshilfe und Pränatakmedizin in der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden und erklärt welche Chancen, Risiken und Methoden die Pränataldiagnostik mit sich bringt.
Hinweis der Redaktion: Die im Zitat gewählte männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche und diverse Personen, die ausdrücklich mitgemeint sind.