Mich wird es schon nicht treffen
„Krankwerden ist was für die anderen – mich wird es schon nicht treffen“. So denken viele, einer von ihnen war Peter Springer. Bis es ihn selbst getroffen hat. Peter ist Anfang sechzig, sportlich, aktiv. Er arbeitet im Krankenhaus und betreut dort Schmerzpatient:innen, die teils frisch operiert sind. Bei seiner Arbeit hat er schon so manches Schicksal hautnah erlebt – doch nie hätte er gedacht, dass er selbst einmal betroffen sein würde. Denn eine schwere Erkrankung passt so gar nicht zu seinen persönlichen Lebensumständen.
Erkrankung eines guten Freundes führt zum Umdenken
„Ich habe mich schon immer gerne bewegt. Oft fahre ich sogar mit dem Fahrrad zur Arbeit, gehe gerne joggen oder fahre in den Urlaub“, berichtet der Griechenland-Fan. Als ein Freund mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert wird, lässt auch er sich überreden zur Vorsorge zu gehen. „Ich wollte das nur aus dem Kopf haben. Aber dass ich selbst erkrankt sein könnte, damit habe ich nicht gerechnet“. Sein Urologe nimmt ihm im Februar 2019 Blut ab, um seinen PSA-Wert zu überprüfen. PSA steht für „prostataspezifisches Antigen“, der Wert sollte unter drei sein. Bei Peter liegt er bei über fünf. „Da habe ich mir noch nichts bei gedacht, manchmal kann der Wert zum Beispiel durch häufiges Fahrradfahren erhöht sein“, erzählt er. Der Urologe empfiehlt ihm, sich in drei Monaten noch einmal vorzustellen.
Gesagt, getan: Im Mai 2019 lässt er den Wert erneut überprüfen. Das Ergebnis: Der Wert ist immer noch zu hoch. „Da fängt man dann schon an, sich seine Gedanken zu machen. Es entwickelt sich eine ganz eigene Dynamik. Ich habe mir die Frage gestellt: Wenn du wirklich krank bist, was machst du dann?“ Der Arzt überweist ihn zu einer prostataspezifischen Magnetresonanztomographie (MRT), um der Ursache auf den Grund zu gehen.
Belastung auch für die Familie
Zu diesem Zeitpunkt berichtet der gelernte Krankenpfleger seiner Familie das erste Mal von dem Verdacht. Seine Tochter trifft die Nachricht besonders: „Sie dachte sofort, es geht mit mir zu Ende. Da ich selbst eine Pflegeausbildung habe, konnte ich ihr die Angst ein bisschen nehmen.“
Im MRT werden zwei Auffälligkeiten entdeckt und in den Aufnahmen markiert – kein gutes Zeichen. Da diese an sich noch kein eindeutiges Ergebnis sind, begibt er sich für eine Fusionsbiopsie in die Urologie des Helios Universitätsklinikums Wuppertal, zu Oberarzt André J. Pantaleon. Für die Fusionsbiopsie legt der Oberarzt die angefertigten MRT-Aufnahmen, auf denen die krebsverdächtigen Areale zuvor markiert wurden, mit einem Live-Ultraschall-Bild übereinander. Er entnimmt dem Patienten Proben direkt aus den verdächtigen Arealen der Prostata und schickt sie ein. Der Verdacht bestätigt sich – Peter hat Krebs, ein Prostatakarzinom. Ein Schock für ihn.
Um ausschließen zu können, dass bereits Knochen von Metastasen befallen sind, wird ein Knochenszintigramm durchgeführt. Endlich eine gute Nachricht, denn bei Peter ist das nicht der Fall. Ein Abdomen-Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel bestätigt dies auch für den Unterleib: Keine Metastasen zu finden, der Tumor ist lokal begrenzt.
Weitere Behandlungsschritte in enger Abstimmung zwischen Ärzten und Patient
An einer Operation führt kein Weg mehr vorbei. Chefarzt Prof. Friedrich-Carl von Rundstedt klärt ihn über die Möglichkeiten auf und stellt auch eine besondere Methode vor: Er möchte den Da-Vinci-Operationsroboter zu Hilfe nehmen.
„Der Vorteil einer robotergestützten Prostataoperation ist, dass der Eingriff minimal-invasiv vorgenommen werden kann“, erklärt von Rundstedt. „Anstatt den Bauchraum über einen großen Schnitt zu öffnen, können wir uns mittels Da-Vinci auf sechs kleine Schnitte beschränken. Über diese werden dünne Röhren platziert, durch die wir die an den Roboter angeschlossenen mikrochirurgischen Instrumente einführen und bei Bedarf einfach tauschen können.“ Bedient werden Instrumente und Arme über eine Art Konsole neben dem Patienten. Dies ist gerade im Bereich der Prostata besonders schonend, da umliegende Organe und Nerven nicht so gefährdet sind, beschädigt zu werden.
Die Schwierigkeit bei Peter Springer: Er ist bereits an der Blase voroperiert, hatte 2003 einen Eingriff, der auch die Prostata in Mitleidenschaft gezogen hatte. Vernarbungen von der alten Operation könnten den Einsatz des Da-Vinci-Operationsroboters gefährden. Doch Chefarzt von Rundstedt kann Entwarnung geben. Er empfiehlt einen zeitnahen Eingriff, innerhalb der nächsten drei Monate.
„Nach dem Aufklärungsgespräch war mir klar, dass ich das so schnell wie möglich hinter mich bringen möchte“, erinnert sich der Patient. Die Zeit bis zur Operation war für den gelernten Krankenpfleger besonders aufwühlend, berichtet er. „Ich habe selbst viele Patienten betreut, bei denen der Krebs in die Knochen gestreut hat, weil er zu spät entdeckt wurde. Als ich dann kurz vor der Operation Rückenschmerzen bekommen habe, habe ich mir schon so meine Gedanken gemacht.“ Doch die Sorgen stellen sich als unbegründet heraus.
Prostataentfernung mithilfe des Da-Vinci-Operationsroboters
Im September 2019 ist es dann soweit. Chefarzt von Rundstedt und sein Team entfernen die Prostata sowie die Lymphknoten im Becken vollständig und können mit Unterstützung des Operationsroboters die Gefäßnervenbündel erhalten. Diese sind für die Steuerung des Urinflusses und die erektile Funktion zuständig.
Dennoch wird dem Patienten, wie bei jeder Prostataentfernung, ein Blasenkatheter gelegt. „Man muss sich vorstellen, dass die Prostata eng mit der Blase und der Harnröhre verbunden ist, diese quasi stützt und daher maßgeblich für eine gute Blasenfunktion verantwortlich ist“, erklärt der Chefarzt. Entferne man die Prostata, komme es daher zu Blasenentleerungsstörungen, die mit Beckenbodentraining meist in den Griff zu bekommen sind. Für einen besseren Heilungsprozess dient der Blasenkatheter, der in der Regel nach rund zwei Wochen entfernt werden kann.
Bei Peter Springer ist der Heilungsprozess sogar so gut, dass er nach einer Dichtigkeitsprüfung bereits nach wenigen Tagen auf den Katheter verzichten kann: „Dafür war ich dem Oberarzt sehr dankbar!“. Auch die Operation selbst übersteht er gut. „Ich muss nur die erste Zeit danach schrecklich ausgesehen haben“, berichtet Springer mit einem Augenzwinkern. „Man wird für den Eingriff circa 30 Grad mit dem Kopf nach unten gelagert, dadurch ist mein Gesicht ganz schön angeschwollen“. Die Schwellung habe sich aber nach einigen Tagen wieder vollständig zurückgebildet.
Um sicherzustellen, dass der Krebs nicht metastasiert hat, wird das entnommene Gewebe pathologisch untersucht. Soweit sieht alles gut aus, doch ein Lymphknoten ist positiv: Hier hatte sich eine kleine Metastase gebildet. „Diese war jedoch so klein, dass wir nicht weiter tätig werden mussten“, sagt Friedrich-Carl von Rundstedt. Finden sich größere betroffene Bereiche, muss der Patient in eine Anschlussbehandlung mittels Bestrahlung oder Chemotherapie gehen. Das bleibt Peter erspart.
Im Anschluss: Reha
Auf die Operation folgt eine dreiwöchige Reha-Maßnahme im niedersächsischen Bad Gandersheim. Hier steht vor allem das Beckenbodentraining im Vordergrund, um die Kontinenz zu stabilisieren. „Die erste Zeit nach dem Eingriff musste ich ständig auf die Toilette und Vorlagen tragen, damit mir bei einer falschen Bewegung kein ‚Unfall‘ passiert“, erinnert sich der Patient.
Doch die Zeit in der Reha habe ihm gutgetan. Insgesamt ist er vier Monate außer Dienst, bevor er seinem Beruf wieder voll nachgehen kann. „Ich war froh, unter Leute zu kommen und zurück in den Alltag zu finden.“
Regelmäßige Blutwert-Kontrolle
Peter Springer geht es heute wieder richtig gut. Alle drei Monate wird ihm Blut abgenommen, um seinen PSA-Wert zu überprüfen. Seit der Operation befindet sich dieser im grünen Bereich, sodass keine weitere Behandlung notwendig ist. Er kann wieder ungetrübt seinen Hobbys nachgehen und in den Urlaub fahren. Nur bei bestimmten Bewegungen spürt er ab und an, dass etwas anders ist, was ihn aber nicht einschränkt. Seine Lebenseinstellung hat sich durch die Diagnose verändert: „Erst einmal habe ich alle männlichen Verwandten zur Krebsvorsorge gezwungen“, erzählt der Krankenpfleger lachend.
Er lebe mittlerweile aber auch bewusster, rege sich nicht mehr über so viele Dinge auf. Seinen Ärzt:innen ist er sehr dankbar: „Dass ich heute wieder so unbeschwert leben kann und alles glimpflich vonstattengegangen ist, verdanke ich der Gemeinschaftsarbeit von Herrn Dr. Pantaleon und Herrn Prof. von Rundstedt.“
Er rät jedem, frühzeitig zur Krebsvorsorge zu gehen. Denn manche Erkrankungen verursachten in frühem Stadium keine Schmerzen, was es schwieriger mache, die Diagnose anzunehmen. „Je früher der Krebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen.“ So haben auch andere die Chance auf einen positiven Ausgang – wie Peter.