Was macht Stress mit der Muskulatur?
Fehlender Stressabbau kann zu Muskelverspannungen führen. „Sobald ein Mensch Stress empfindet, sendet das Gehirn Informationen an die Muskulatur und diese spannt sich an. Bleibt die Stresssituation länger bestehen, bleibt auch die muskuläre Anspannung bestehen. Stressbedingte Dauerverspannungen der Rücken-, Schulter- oder Nackenmuskulatur sind die Folge", sagt Daniel Kučera, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Helios Fachkliniken Hildburghausen.
Durch diese muskulären Dysbalancen können sich Folgeprobleme wie Fehlhaltungen und Haltungsschäden manifestieren. Diese wiederum führen zu weiteren Verspannungen und haben die Tendenz, chronisch zu werden. Daher reicht eine reine körperliche Therapie bei Rückenschmerzen oft nicht aus, wenn der Verdacht auf psychische Ursachen besteht.
Ursachen von psychischen Verspannungen und Rückenschmerzen
Die Auslöser für Rückenschmerzen sind vielfältig. Das gilt auch für die Lokalisation und den Charakter der Schmerzen. Der häufigste Grund sind muskuläre Verspannungen. „Mit zunehmenden Alter setzen zudem Abnutzungsprozesse ein, die alle Abschnitte der Wirbelsäule betreffen können. Auch das führt zu Schmerzen im Rücken", so Dr. Gabriele Gora, Oberärztin der Klinik für Neurologie, Helios Fachkliniken Hildburghausen.
Die Veränderungen der Bandscheiben in gradueller Abstufung zum Bandscheibenvorfall stellen eine weitere Ursache für Rückenschmerzen dar. Auch entzündliche Prozesse der Wirbelsäule und Nervenwurzel verursachen Schmerzsymptome.
Ein weiterer häufiger Ursprung von psychischen Verspannungen ist unter anderem Unachtsamkeit. Der Mensch macht und denkt an immer mehrere Dinge gleichzeitig. In diesem „Multitasking“-Prozess springt auch die Aufmerksamkeit schnell von einem Thema zum anderen und der Fokus auf mögliche erste Symptome sinkt.
„Mangelnde Bewegung ist eine weitere Ursache, die sich negativ auf die Psyche auswirken kann und letztlich Rückenschmerzen begünstigt", erklärt Chefarzt Kučera.
Symptome von psychischen Verspannungen
„Psychische Verspannungen können oft nur in Form von Schmerzen ausgedrückt werden", sagt Dr. Ruxandra Ioana Hald, Oberärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Helios Fachkliniken Hildburghausen.
Wenn Schmerzen intensiv werden und lange andauern, beherrschen sie mit der Zeit das Fühlen und Denken, sodass der Schmerz ein zentraler Bestandteil des Lebens der Betroffenen wird.
Wichtige Risikofaktoren für die Chronifizierung von Schmerzen sind ein passives, etwa ausgeprägtes Schon- und Vermeidungsverhalten oder ein überaktives Schmerzverhalten. Ebenso ein beharrliches Arbeiten („Durchhalten“), ein suppressives Schmerzverhalten sowie schmerzbezogene Kognitionen, wie beispielsweise Gedankenunterdrückung.
Psychische Verspannungen können auch in Form von:
- psychovegetativen Beschwerden oder Dysregulationen,
- Überforderungs- oder Überlastungsgefühlen,
- Kränkungserleben,
- Niedergeschlagenheit,
- Schlafstörungen,
- Ängsten,
- Schwindel,
- Herzrasen oder Magen-/Darmproblemen zum Ausdruck kommen.
Daneben lassen sich auch Hilflosigkeitserleben (etwa bei geringem Einfluss auf die Arbeitsgestaltung), Unzufriedenheit, Insuffizienzerleben wie das fehlende Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, Schuldgefühle, Selbstwertverlust, Rückzugsverhalten feststellen.
Diagnose und Therapie bei psychosomatischen Verspannungen im Rücken
Patient:innen bei denen nach der neurologischen Untersuchung und Beschwerdeabklärung keine körperliche Ursache für die Rückenschmerzen gefunden wird, können sich an einen Psychologen oder eine Praxis für Psychosomatik wenden.
Dort wird zunächst eine umfassende psychiatrische, psychotherapeutische, testpsychologische und auch somatische Untersuchung durchgeführt. In der sich anschließenden Therapie liegt der Fokus auf der Behandlung der körperlichen und seelischen Ursachen. Patientinnen und Patienten lernen dabei ihre individuellen Auslöser der Muskelverspannungen kennen – etwa Stress oder auch negative Gedanken. Zudem erfahren sie, wie sie mit diesen Auslösern besser umgehen können.
Auch Physiotherapie, Bewegung und der Einsatz von Medikamenten spielen in der Therapie eine große Rolle. Es herrscht ein multimodaler Ansatz.
Depression und Rückenschmerzen: Gibt es einen Zusammenhang?
„Die Psyche und der Körper befinden sich in einem sehr komplexen Wechselspiel. Dieser Zustand sollte in der Behandlung immer berücksichtigt werden", so Dr. Daniel Kučera.
Leiden Menschen unter Depressionen, können sich diese auch in körperlichen Symptomen, wie zum Beispiel Rückenschmerzen, zeigen. Umgedreht können dauerhafte Rückenschmerzen auch zu einer Depression führen. Oft bedingen sich Rückenschmerzen und Depressionen gegenseitig, da Menschen mit einer depressiven Verstimmung meist schmerzempfindlicher sind.
Studien zeigen, dass ein Großteil der Menschen mit chronischen Rückenschmerzen auch an einer Depression oder zumindest einer depressiven Verstimmung leidet.
Psychosomatische Verspannungen lösen
Wichtig ist, sowohl die psychischen Ursachen als auch die körperlichen Beschwerden zu behandeln. Änderungen im Tagesablauf sind ebenfalls ratsam: Betroffene sollten langsamer und achtsamer mit Entspannungspausen umgehen. Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation oder Qigong sollten fest in den Alltag eingeplant werden. Gleichzeitig ist auch eine körperliche Aktivität sehr wichtig. Die Kombination aus Bewegung und Stressreduktion ist das beste Mittel gegen psychosomatische Rückenschmerzen.
„Bringt eine Umgestaltung der Lebensgewohnheiten keine Besserung, sollten Betroffene professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Dies kann in Form einer ambulanten Psychotherapie oder in einer Selbsthilfegruppe erfolgen", rät Dr. Kučera.