Krankheiten der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule des Menschen ist durch den aufrechten Gang besonderen Belastungen ausgesetzt. Die Hals- und Lendenwirbelsäule sind dabei die beweglichsten Abschnitte. An den Übergängen zur eher starren Brustwirbelsäule und zum starren Steißbein wirken besonders hohe Belastungen, sodass es hier zu verstärkten Verschleißerscheinungen und Beschwerden kommt.
Die erste Herausforderung besteht darin, aus den verschiedenen Symptomen, Schmerztypen und Untersuchungsergebnissen eine möglichst exakte Diagnose der Schmerzursache abzuleiten. Sie bildet die Voraussetzung für ein erfolgversprechendes Therapiekonzept.
Im Falle akuter Rückenschmerzen und leichter neurologischer Ausfälle (Sensibilitätsstörungen) spricht vieles gegen einen zu schnellen Griff zum Skalpell. Viele krankhafte Ursachen für Rückenbeschwerden lassen sich heute sehr gut konservativ behandeln. Das gelingt bei 70 bis 80 Prozent aller Patient:innen.
Untersuchungen an der Wirbelsäule
Verschiedene Gründe für Rückenbeschwerden lassen sich heute sehr gut nicht-operativ behandeln. Zum Beispiel: Bandscheibenschäden, Asymmetrien des muskulären Halteapparates sowie entzündliche Prozesse an den kleinen Wirbelgelenken (Facettengelenke) oder der gelenkigen Verbindung zwischen Kreuz- und Darmbein, dem sogenannten Iliosakralgelenk. Hierzu bedarf es sehr spezieller Untersuchungstechniken, die wir für Ihre Behandlung vorhalten:
Diagnostische Methoden sind:
- Röntgendarstellung der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte mit WS-Ganzaufnahmen
- Modernste Schnittbilddiagnostik mittels Magnet-Resonanz-Tomographie und Computertomographie
- PET -CT
- Diagnostische Untersuchungsmethoden wie Discographie und Myelographie der gesamten Wirbelsäule
- Neurologische Untersuchungen (elektrophysiologische Abklärung, Nervenleitgeschwindigkeit, Muskelstromuntersuchung)
- Diagnostische Facettengelenksinfiltrationen
Zwar können nicht alle Schmerzauslöser an der Wirbelsäule ursächlich therapiert werden. Mit Hilfe konservativer Verfahren gelingt es aber bei einer großen Mehrheit der Patienten, den Schmerzprozess effektiv zu durchbrechen und so den Reizzustand zu beruhigen. Dazu beigetragen hat eine veränderte Wahrnehmung und Beurteilung der Frage, welche anatomische Struktur an der Wirbelsäule schmerzursächlich sein kann. Gleiches gilt für den Stellenwert, den Mediziner:innen mechanischen Entzündungen im Facetten- und Iliosakralgelenk beimessen – etwa als Ursache für Rückenschmerzen, die auch vorübergehend so schlimm sein können, dass sie Betroffene ans Bett fesseln.
Ein typisches Beispiel für den Erfolg konservativer Therapien ist die Behandlung des akuten Bandscheibenvorfalls der Lendenwirbelsäule. Früher gehörte es zur klassisch-konservativen Therapie, Betroffene erst einmal unter Schmerzmitteln ins Bett zu legen. Heute heißt die Marschrichtung mittels medikamentöser Schmerztherapie in Aktivität zu bleiben.
Ziel ist es, die schmerzverursachenden Strukturen an der Wirbelsäule durch Bewegung und eine systematische Stärkung des muskulären Stützkorsetts zu entlasten und dem Körper Zeit zu verschaffen, den Bandscheibenvorfall mittels körpereigener Abwehrzellen und der Hilfe von Enzymen weicher zu machen und abzubauen.
Interdisziplinäre Therapieansätze und chirurgische Expertise
Sind die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft oder liegt ein Befund an der Wirbelsäule vor, der zwingend der operativen Intervention bedarf (Tumor, Infektion, Frakturen, Instabilitäten, erhebliche Achsverschiebungen), bieten wir ein breites Spektrum an operativen Techniken – von minimalinvasiven und mikrochirurgischen Eingriffen bis hin zu komplexen Rekonstruktionen der Wirbelsäule.
Sollten die Veränderungen an der Wirbelsäule größere Operationen bis hin zum Ersatz mehrerer Wirbelkörper notwendig machen, kommt die Interdisziplinarität bei uns besonders zum Tragen. Die gebündelte chirurgische Fachkompetenz und die Rahmenbedingungen machen eine Behandlung von Erkrankungen der Wirbelsäule, des Rückenmarks und des peripheren Nervensystems vom Übergang vom Schädel zur Halswirbelsäule bis zum Kreuz- und Steißbein möglich.
Wichtige Schwerpunkte bilden die schonenden minimalinvasiven und dynamischen Verfahren zur Behandlung von Frakturen, Entzündungen, Nervenwurzel- und Rückenmarkskompressionen, Tumoren sowie Bandscheibenvorfällen mit geringstmöglicher Beeinträchtigung und schnellstmöglicher Mobilisierung der Patient:innen.
In Fällen, bei denen die Wirbelsäule auch von vorne (ventral) stabilisiert werden muss, verfügen wir bei diesen hochkomplexen Eingriffen ebenfalls über viel Expertise und zwar für alle Regionen der Wirbelsäule. Hier kommt uns die gute Zusammenarbeit mit unseren Gefäßchirurg:innen, Neurochirurg:innen, Thoraxchirurg:innen wie auch unseren Intensivmediziner:innen sehr zugute, sodass Sie als Patient:in davon ausgehen dürfen, die maximale Therapie, die Ihre Erkrankung im Bedarfsfall fordert, auch zu bekommen.
Aber nicht immer muss es die „große Chirurgie“ sein, die hilft. So können bei Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke oder Bandscheiben sowie dem sogenannten Wirbelgleiten die schmerzleitenden Nervenfasern minimal-invasiv durch Thermokoagulation oder Endoskopie verödet werden. Auch bei Wirbelkörpereinbrüchen aufgrund von Osteoporose wird der Wirbel in Schlüssellochtechnik mit Knochenzement aufgefüllt und aufgerichtet, ohne intakte Knochensubstanz zu zerstören.
Nicht-operative (konservative) Therapieansätze
- Intensivierte Schmerztherapie (intravenös und/oder oral in Zusammenarbeit mit der Klinik für Schmerztherapie)
- SpineMED Behandlung (computergestützte Distraktionsbehandlung)
- Röntgenologisch gestützte Nervenwurzelblockaden (PRT)
- Infiltrationen und Verödungen schmerzhafter Wirbelgelenke (Facettengelenksthermokoagulation)
- Im Kreuzbeinbereich sogenannte Ileosacralfugeninfiltrationen
- Neuraltherapie
- Krankengymnastische Übungsbehandlung und physikalische Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der physiotherapeutischen Abteilung
- Magnetfeld
- Reizstromtherapie
- Balneotherapie
- Traktion
- Kryo-/Wärmetherapie
Operative Therapieansätze
- Mikroskopische Bandscheibenoperation der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule
- Mikrochirurgische Halsbandscheibenentfernung und Implantation von Bandscheibenprothesen
- Endoskopische Facettendenervierungen
- Endoskopische Neuroforamenerweiterung und Entfernung von Bandscheibenvorfällen
- Mikrochirurgische Behandlung von Wirbelkanalverengungen (Spinalkanalstenosen)
- Stabilisierungsoperation an Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sowohl von hinten als auch im Bedarfsfall durch den Brust- oder Bauchraum
- Stabilisierung von Wirbelkörperfrakturen durch minimalinvasives Einspritzen von Knochenzement (sogenannte Kyphoplastie)
- Langstreckige Versteifungsoperation mit Korrektur des Wirbelsäulenprofils zum Beispiel bei Skoliose oder Wirbelkörpergleiten (Spondylolisthesis)
- Wirbelkörpersatz, auch mehrere Wirbel von vorne und von hinten
- Skoliose und Aufrichtungsoperationen bei Kindern und Erwachsenen
- 3D Bildwandler
- Navigationsgestützte Operationstechniken
Gemeinsam mit Ihnen kann ein individuell abgestimmtes Behandlungskonzept entwickelt werden. Jede:r Patient:in ist ein „Einzelfall“ und muss so eingeschätzt und behandelt werden. Unser grundsätzliches Bestreben ist es, zu versuchen, die Operation zu vermeiden. Da, wo sie jedoch notwendig und erfolgsversprechend ist, dürfen Sie sich drauf verlassen, dass wir ausgiebig mit Ihnen die Vor- und Nachteile besprechen und Ihnen eine realistische Erwartungshaltung vermitteln werden.
Mögliche Risiken müssen in jedem Fall abgewogen werden. Immer muss das Nutzen-Risiko-Verhältnis deutlich zugunsten des „Nutzens“ stehen. Hochpräzise Instrumente und Implantate, schonende Narkoseverfahren und Operationstechniken sowie ein speziell geschultes Team aus Physiotherapeut:innen tragen dazu bei, dass selbst betagte Patient:innen schnell wieder auf die Beine kommen. Dabei stehen immer der Erhalt und die Wiederherstellung möglichst der kompletten Bewegungsfähigkeit sowie die Schmerztherapie im Vordergrund.