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Wochenbettdepression: Das Tief nach der Geburt

Die Geburt eines Kindes sollte eine der schönsten Erfahrungen sein. Die Hormone spielen verrückt. Eltern spüren Freude, Glück und eine unfassbare Liebe. Doch dieses Erlebnis kann auch negative Gefühle, wie Hilflosigkeit oder Angst, hervorrufen. Einige Mütter entwickeln in der Zeit danach, dem Wochenbett, eine Wochenbettdepression.

Wochenbettdepression

Was ist eine Wochenbettdepression?

Eine Wochenbettdepression ist ein depressiver Zustand, der sich im gesamten ersten Jahr nach der Geburt entwickeln und über mehrere Wochen bis Jahre erstrecken kann.

Das Wochenbett ist die Zeitspanne von der Entbindung, also der Geburt des Kindes, bis zur Rückbildung der schwangerschafts- und geburtsbedingten Veränderungen. Das dauert im Durchschnitt sechs bis acht Wochen.

Bei rund einem Viertel bis zwei Drittel aller Mütter tritt ein postpartales Stimmungstief auf. Es ist besser bekannt als „Baby-Blues”, welches keine Erkrankung ist und zumeist innerhalb weniger Stunden oder Tage verschwindet. Spontanes Weinen oder Traurigkeit sind Anzeichen, aber nicht als Depression zu werten.

Wochenbettdepression: Das sind die Anzeichen

Es zeigen sich mindestens fünf depressive Symptome über mehr als zwei Wochen, die eine Behandlung erfordern.

Diese Symptome sind charakteristisch:

  • gedrückte Stimmung
  • Interessen- und Appetitverlust
  • Schlafstörungen/erhöhte Ermüdbarkeit
  • Gefühl von Wertlosigkeit und Schuldgefühle
  • verminderte Konzentrationsfähigkeit sowie
  • Suizidgedanken und Suizidhandlungen 

Zittern, Herzklopfen und Schwindel gelten ebenfalls als mögliche Symptome einer Wochenbettdepression.

„Viele Mütter übersehen die ersten Anzeichen oder teilen sie aus Scham, Schuldgefühlen oder auch aus Angst nicht mit“, weiß Priv.-Doz. Dr. Deborah Janowitz, Chefärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Helios Hanseklinikum Stralsund. Zwiespältige Gefühle gegenüber dem Kind würden von der Umgebung oft nicht verstanden. Vorwürfe wie: „Du musst dich doch über dein Baby freuen, was bist du für eine Mutter?“, würden das Problem eher verstärken und lassen Mütter an sich zweifeln.

Häufig treten die Symptome erst nach der Entlassung aus der Klinik auf. In der Regel achten während dieser Zeit Nachsorgehebammen, Frauen- und Kinderärzt:innen auf Kennzeichen der Wochenbettdepression, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. „Wichtig ist aber auch, dass das soziale Umfeld, also Partnerin oder Partner, Familie, Freundeskreis, die Symptome kennen und für Hinweise auf die Erkrankung sensibilisiert sind“, macht Dr. Janowitz deutlich.

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Wochenbettdepression: Ursachen und Risikofaktoren

Mediziner:innen gehen davon aus, dass die starken und schnellen hormonellen Veränderungen und die schlagartigen Wechsel unter der Geburt eine Wochenbettdepression auslösen können. Östrogen steigt an (es steigt in der Schwangerschaft bis zu 200-fach gegenüber den normalen Werten) und fällt dann stark ab, ebenso steigt das Progesteron (um 50- bis 100-fach erhöht gegenüber den normalen Werten) und fällt nach der Geburt schlagartig. Zudem steigt das Oxytocin, was nicht nur Bindung erzeugen, sondern auch zu Ängsten, Reizbarkeit und Depressionen führen kann.

Zudem werden Veränderungen der Stresshormone, Wechselwirkungen der Hormone mit den Neurotransmittern, die die Stimmung regulieren (Serotonin, Dopamin, Noradrenalin) und Dysregulationen der Schilddrüsenhormone in Zusammenhang der Erkrankung gebracht.

Welche Risikofaktoren gibt es?

„Daneben gibt es viele weitere Risikofaktoren, die eine Wochenbettdepression begünstigen können. Dazu zählen traumatische Erlebnisse wie Missbrauch oder Vernachlässigung in der eigenen Kindheit. Stressbelastung in der Schwangerschaft, traumatisches Erleben der Geburt, biologische Auslöser, sozioökonomische Faktoren, geringe oder keine soziale Unterstützung und eine geringe Zufriedenheit in der Partnerschaft“, erklärt Dr. Janowitz.

Auch Veränderungen im Selbst- und Körperbild sowie Unsicherheit im Übergang zur Mutter-Vater-Kinder-Beziehung, zum Beispiel durch fehlende, schlechte oder verängstigende Vorbilder, könnten eine Wochenbettdepression auslösen, sagt die Psychiaterin. Gleiches gilt für Leistungsorientierung, Berufstätigkeit, Sorge um die Partnerschaft auch im Rahmen von verminderter Attraktivität, verminderter Sexualität, Gewichtszunahme, hoher Perfektionismus, Angst vor Verantwortung und dem Bindungsaufbau zum Neugeborenen.

Zurückliegende depressive Episoden der Mutter sind einer der häufigsten Risikofaktoren, an einer Wochenbettdepression zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit für diese sogenannte postpartale Depression ist in diesen Fällen um 25 Prozent erhöht. Die Wahrscheinlichkeit eine manisch-depressive Erkrankung (bipolare affektive Störung) zu bekommen, kann sogar um bis zu 60 Prozent steigen.

Wie lange kann eine Wochenbettdepression dauern?

„Grundsätzlich lässt sich sagen, dass zehn bis zwanzig Prozent aller Mütter an einer Wochenbettdepression erkranken“, so die Chefärztin. Betroffene leiden nach neuesten klinischen Ergebnissen Wochen, Monate oder bis zu einem Jahr an der Erkrankung. Diese Depression kann auch Männer betreffen und zwischen drei und sechs Monaten nach der Geburt auftreten.

Es gibt einen Fragebogen, um die postpartale Depression zu erfassen. Der Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS) beurteilt die vergangenen sieben Tage und ist das wichtigste Messinstrument.

„In den meisten Fällen ist eine Psychotherapie in Einzel- und Gruppensitzungen zu empfehlen“, sagt Dr. Janowitz. „Medikamentös können Antidepressiva und Schlafmedikamente helfen, wobei immer berücksichtigt werden muss, dass sie das Stillen nicht beeinträchtigen. Sollte die Mutter nicht stillen wollen, ist dieser Wunsch unbedingt zu respektieren, um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden.“

Tagespläne sind in der Therapieplanung wichtig. Zudem sollte die Patientin entlastet werden. Da hilft es schon, wenn sie während ihres Schlafes weiß, dass ihr Kind gut versorgt und die Mutter nicht allein ist. „Insbesondere Einsamkeit im Wochenbett sollte vermieden werden. Sie kann zu starker Überlastung führen. Einer der wichtigsten Behandlungsbausteine ist, den Vater einzubeziehen“, betont Dr. Janowitz.

Falls es aufgrund der Schwangerschaft, einer beeinträchtigten körperlichen Situation oder bezüglich des Managements schwierig ist, eine Psychotherapie zu beginnen, können auch Telefongespräche stattfinden, die von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten geführt und begleitet werden. Bei Suizidalität oder besonderer Schwere ist eine stationäre Therapie dringend erforderlich, beispielsweise mit Rooming-In (Mitaufnahme des Kindes). Die gemeinsame Therapie sei zur Bindungsaufnahme zum Baby sehr wichtig, so die Expertin.

Wochenbettdepression vorbeugen

Eine Wochenbettdepression kann nicht immer verhindert werden. Einige Umstände reduzieren aber die Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Dazu zählen eine gute soziale Unterstützung, eine glückliche Partnerschaft und eine gute psychische Stabilität. Hilfreich ist außerdem Aufklärung über die Erkrankung, möglichst vor der Geburt des Kindes, spätestens aber bei den ersten Anzeichen. Risikofaktoren wie zurückliegende psychische Erkrankungen sollten offen angesprochen werden, damit Ärztinnen und Ärzte schnell reagieren können. Ebenso sollten Eltern Hilfsangebote kennen und sie ohne Zögern in Anspruch nehmen. Zu nennen ist zum Beispiel das bundesweite Programm „Frühe Hilfen“, das Eltern unterstützt, die nach der Geburt eines Kindes besonders belastet sind.

Eine frühzeitige psychotherapeutische Begleitung und Unterstützung betroffener Familien hilft, die Dauer der Erkrankung zu senken und Familien zusammenzuführen.

Folgen für das Kind durch eine postpartale Depression

Eine postpartale Depression dauert im Durchschnitt sieben Monate. Die Prognose ist hinsichtlich der Krankheitsdauer und des Wiedererkrankungsrisikos günstiger als bei anderen Formen der Depression. „Trotzdem kann sich eine durchlebte Wochenbettdepression auf das Kind auswirken. Dies können Störungen in der Mutter-Kind-Bindung, Verhaltensstörungen sowie Störungen der emotionalen und kognitiven Entwicklung der Kinder sein. Ebenso können Stillschwierigkeiten, weitere depressive Episoden der Mutter und in Ausnahmefällen auch Suizidalität oder ein erweiterter Suizid (Suizid der Mutter mit dem Baby) die Folge sein“, sagt die Medizinerin. Etwa die Hälfte der Frauen mit postpartaler Depression entwickelten nach der nächsten Entbindung erneut eine Wochenbettdepression, führt die Chefärztin aus.

In der „Avon Longitudinal Study of Parents and Children“ (deutsch: Die Avon-Längsschnittstudie über Eltern und Kinder) der Universität Oxford wurden Daten von mehr als 9.000 Teilnehmerinnen ausgewertet. Insgesamt sind 970 Frauen an einer postpartalen Depression erkrankt. Sie wurden mehrere Jahre mit ihren Kindern nachbetreut. Das Ergebnis: Bei Betroffenen lag ein etwa doppelt so hohes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern im Alter von dreieinhalb Jahren vor, wenn die Dauer der Depression nicht über sieben Monate hinausging. Eine deutliche Entwicklungsstörung zeigte sich bei Kindern, deren Mütter zuvor einen hohen EPDS-Score auswiesen und einen chronischen Depressionsverlauf von länger als acht Monaten durchlebten.

Im Vergleich mit Kindern von Müttern ohne Wochenbettdepression hatten sie ein 4,8-fach höheres Risiko für Verhaltensauffälligkeiten im Kindergartenalter, ein 2,7-fach höheres Risiko für schlechte schulische Leistungen sowie ein 7,4-fach höheres Risiko für die Entwicklung einer Depression im Alter von 18 Jahren.

Was ist eine postpartale Psychose?

„Sehr selten, aber umso gefährlicher ist eine postpartale Psychose“, verdeutlicht die Psychiaterin. „Sie betrifft rund 0,1 bis 0,3 Prozent aller Mütter. Bis zu vier Wochen nach der Geburt kann es dabei zu Halluzinationen oder Wahnvorstellungen kommen. Es macht sich das Gefühl breit, dass ihnen Gedanken eingegeben werden oder dass sie von außen gesteuert werden. In diesen Fällen muss sofort eine Therapie begonnen werden.“

Schwangerschaften durch Hebammen, Frauen- und Kinderärzt:innen zu begleiten, ist extrem wichtig, da sie im Erstkontakt zur werdenden Mutter stehen und Risikofaktoren frühzeitig identifizieren können. Entscheidend für Familien ist es, den Kontakt zu suchen und auch die Kontaktstellen in der Umgebung zu kennen, an denen Hilfeleistungen angeboten werden.

Offene Gespräche und der Erfahrungsaustausch sind für betroffene Mütter und Väter eine optimale Hilfe. Auch für Alleinerziehende bedeutet eine soziale Unterstützung für sich und dem Kind eine erhebliche Stütze, die sie nicht allein bewältigen sollten.

Weitere Informationen bietet die „Initiative peripartale psychische Erkrankungen“, Schatten & Licht e.V..

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