„Im Vorjahr waren es in den Monaten Juli und August noch insgesamt 41 Patienten“, erläutert Oberarzt Dr. med. Paavo Beth. Zu den Haupttätern zählen neben den Bienen auch Wespen und Hornissen. Von letzteren fliegen in diesem Jahr deutlich mehr herum, was die angestiegenen Fallzahlen in der Notaufnahme erklären könnte.
„Das zurückliegende Winterhalbjahr war optimal, weil es nicht zu kalt war und es wenig Frost gab. So konnten auch überwinternde Insekten überleben, die nicht so gut versteckt waren“, erklärt Holger Ackermann aus Storkow, der Experte für Hornissen und Wespen ist. Er wertet das als eine positive Entwicklung. Ein Anstieg der Wespen- und Hornissenstaaten bedeute, dass es auch von den anderen Insekten wieder mehr gebe, da sie eine Nahrungsgrundlage für die Raubinsekten bilden.
Hitzesticks mildern Stiche ab
Wer von einer Wespe, Biene oder einem anderen Insekt gestochen wurde, sollte vor allem Ruhe bewahren. „Es kommt in den ersten 24 Stunden zu einer lokalen Entzündungsreaktion, die sich durch Rötung, Schwellung und Juckreiz äußert“, erklärt Oberarzt Dr. med. Paavo Beth. Je nach Insektengift dauert die Hautreaktion eine oder mehrere Tage an. Der Facharzt für Anästhesie empfiehlt, die Stelle unmittelbar nach dem Einstich mit einem Hitzestick zu behandeln. „Dieser führt kurzzeitig eine lokale Überwärmung der Haut auf 60 Grad herbei, sodass die Proteine im Insektengift zerstört werden, was die körperliche Reaktion abmindert.“ Ansonsten helfe Kühlen zur Milderung der Schwellung. Gegen alternative Methoden wie Essigumschläge oder Zwiebel- und Zitronensaft hat der Oberarzt keine Einwände. „Wer auf ein bestimmtes Hausmittel schwört und gute Erfahrungen gemacht hat, kann dies ruhig verwenden.“
Allerdings sollte die Stelle mit einem Antiseptikum desinfiziert werden, um eine Superinfektion zu vermeiden. Antijuckmittel in Form von Gels oder Cremes helfen gerade bei Kindern, ein Kratzen an der Stelle zu vermeiden. Übrigens ist Insektengift für Kinder nicht gefährlicher als für Erwachsene. „Doch muss man mehr auf sie achten“, sagt Dr. med. Paavo Beth. „Kinder reagieren meist falsch, weil sie intuitiv hektischer reagieren und versuchen die Tiere wegzuschlagen. Das erhöht das Aggressionspotential der Wespe.“
Besondere Vorsicht: Insektenstiche im Mundraum
Wenn unbedacht am Glas genippt oder der Löffel angesetzt wurde, kann es schnell passieren, das eine Wespe mit in den Mundraum befördert wird und in ihrer Panik zusticht. In diesem Fall rät Dr. med. Paavo Beth dazu, den Rettungsdienst zu alarmieren, da es durch die anschwellenden Schleimhäute zu einer Atemnot kommen kann. Der Notarzt empfiehlt unbedingt zu kühlen. „Etwa durch das Lutschen eines Eiswürfels oder kalte Umschläge um den Hals.“ Zudem sollte bei merkbaren Atemproblemen nicht mehr getrunken werden, um Verschlucken zu vermeiden. Wichtig ist zudem, den Stachel – mit desinfizierten Händen – zu entfernen, sollte er noch in der Wunde stecken. Im Falle eines Atemstillstandes müssen Wiederbelebungsmaßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes vorgenommen werden.
Vorsichtsmaßnahmen für Allergiker
Bei einer Allergie auf Insektengift kommt es erst beim zweiten Stich zu einer Überreaktion des Körpers. „Die Allergie entwickelt sich nach dem ersten Kontakt des Immunsystems mit dem Gift “, erläutert Dr. med. Paavo Beth. In Deutschland leiden rund 20 Prozent der Menschen an einer übersteigerten, örtlichen Reaktion auf Insektengift. Bei fünf Prozent der Betroffenen treten sogar Ganzkörperreaktionen wie Ausschlag, Atemnot oder Herz-Kreislauf-Reaktionen auf.
In den ersten Momenten nach dem Stich gilt aber erst einmal der Grundsatz: Atmung sichern, Kreislauf stabilisieren und den Krankenhaus-Transport organisieren. „Bei Luftnot, Herzrasen, verschwommenem Sehen, Schweißausbrüchen, Schwindel und Übelkeit sollte schnellstmöglich der Rettungsdienst gerufen werden“, sagt Dr. Paavo Beth.
Daher sollten Allergiker immer ein Notfallset bei sich zu tragen. Für Kinder gibt es zudem spezielle Notfallarmbänder, die Ersthelfer auf die Allergie gegen Insektengifte aufmerksam machen. Dennoch sollte im Notfall immer der Rettungsdienst gerufen werden, da weitere Reaktionen des Körpers auch nach einer Medikamentengabe nicht vorhersehbar sind.
Wespenpopulation erreicht bald Zenit
„Das schlimmste Gift ist eigentlich das der Bienen“, sagt Experte Holger Ackermann. Doch ist das Wespengift auch nicht zu unterschätzen. „Die Toxizität ist zwar nicht so schlimm, aber da Wespen Aasfresser sind, können Keime in die Wunde gelangen.“ Die Stiche von Hornissen, die nur lebende Insekten verzehren, seien daher weniger gefährlich.
In den nächsten Wochen könnte es noch mehr Wespen geben. Erst im Spätsommer erreichen die Deutsche und die Gemeine Wespe den Zenit ihrer Population. Die Aufzucht der Nachkommen ist abgeschlossen, sodass die Tiere mehr Freizeit haben. „Man sagt, wenn die Pflaumen reif sind, sind auch die Wespen reif“, erklärt Holger Ackermann. Die Tiere sind dann vorranging unterwegs, um ihren Appetit auf Zucker zu stillen. „Den Wespen reichen nur wenige Duftmoleküle in der Atmosphäre aus, um angelockt zu werden.“ In Windeseile hat die Kundschafterin den anderen Wespen kommuniziert, wo die Naschereien zu finden sind, sodass sich ruckzuck bis zu 30 ihrer Schwestern dazu gesellen.
Wovon Ackermann dringend abrät sind Wespenfallen. „Sie sind unsinnig. Weil sie die Wespen erst anlocken, jedoch schnell von ihnen durchschaut und umgangen werden.“ Zudem fallen für das vorsätzliche Töten von Wespen saftige Bußgelder an. Ohne triftigen Grund kann das in Brandenburg 13.000 Euro kosten, da die Tiere unter Naturschutz stehen. Ackermann hebt noch hervor, dass in Brandenburg von den elf beheimateten Wespenarten nur die Gemeine und Deutsche Wespen den Menschen lästig werden. Doch seien sie wichtig für das Ökosystem, weil sie Schädlinge wie Blattläuse fressen, ebenfalls Pflanzen bestäuben und Aas fressen.
Das besonders penetrante Verhalten der Wespen kann mit der derzeit herrschenden Trockenheit zusammenhängen. Wenn der zuckerhaltige Siebröhrensaft in den Pflanzen rar wird, stimmt das die Tiere nervös. „Das kann auch eine Ursache dafür sein, dass mehr Leute einen Stich abbekommen“, erklärt Ackermann.
Helios Klinikum Bad Saarow
Katharina Schmidt
Volontärin
Unternehmenskommunikation/Marketing
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