Das Kniegelenk ist ein Hochleistungsgelenk. Durchschnittlich 330millionenmal beugt der Mensch sein Kniegelenk im Lauf des Lebens. Im Stand wird jedes Kniegelenk mit dem vollen Körpergewicht belastet.
Im Einbeinstand lastet sogar das ca. 2,5fache Körpergewicht auf dem Kniegelenk. Dabei werden alle Strukturen des Kniegelenkes belastet. Eine besondere Schwachstelle ist der Knorpel, der wie Zuckerguss über den Gelenkflächen liegt. Durch Abnutzung, Sport oder Verletzungen des natürlichen Kniegelenkes kann dieses irreparablen Schaden nehmen, der seine Funktion deutlich einschränkt oder schlimmstenfalls zerstört.
Die Gonarthrose
Der Knorpel im Kniegelenk erfüllt eine „Pufferfunktion“ zwischen Oberschenkel- und Unterschenkelkonochen. Mit zunehmendem Alter kann sich diese „Knautschzone“ jedoch langsam zurückbilden.
Die verschleißbedingte Abnutzung des Knorpels im Kniegelenk wird als Kniegelenkarthrose (Gonarthrose) bezeichnet. In Deutschland leiden zwischen 30 – 60% aller Menschen im Alter ≥ 60 Jahre an einer Gonarthrose. Dabei ist der Verlauf chronisch und nicht heilbar. Die Schmerzen spüren die Betroffenen in der Regel zunächst beim Gehen, dann beim Treppensteigen, aber auch nach langem Sitzen oder Liegen; hinzu kommen eine eingeschränkte Beweglichkeit des Kniegelenkes, Gelenkergüsse, Morgensteifigkeit und Anlaufschmerzen einschließlich der Schmerzen in Ruhe mit Schonhaltung: Arthrose im Kniegelenk betrifft viele der Patienten besonders im Alter. Wenn also der Arthroseschmerz im Kniegelenk Ihre Lebensqualität immer mehr einschränkt und konservative Therapiemaßnahmen nicht mehr helfen, ist ein künstliches Kniegelenk oft die Möglichkeit für Sie, Ihre ursprüngliche Mobilität und ein schmerzfreies Leben zurückzuerhalten.
Nach Ausschöpfung von konservativen Therapien wie z.B. das lokale Auftragen von Voltarensalbe, die Anlage von entlastenden oder stützenden Schienen (Orthesen), Schmerzmedikamente oder Physio- sowie Chirotherapie besteht in der Regel eine deutliche Einschränkung der Kniegelenkfunktion und damit der Lebensqualität des Patienten*. Dann stellt die Implantation einer Kniegelenk-Endoprothese (Knie-TEP) bei valider Indikationsstellung, korrekt durchgeführter Operationstechnik und einem komplikationslosen postoperativen Verlauf eine zuverlässige und effektive Behandlungsmethode für die Gonarthrose dar. Durch die Implantation einer Kniegelenk-totalendoprothese kann der Arthroseschmerz beseitigt und eine nachhaltige deutliche Verbesserung der Kniegelenkfunktion erzielt werden.
*Die ausschließliche Verwendung von Patient hier und im Folgenden dient allein dem Sprachfluß und bedeutet in keinem Fall eine Diskriminierung der anderen Geschlechter.
Ursachen des Kniegelenkverschleißes (Gonarthrose)
Die Gonarthrose ist definiert als degenerativer Knorpelabbau der von Oberschenkelknochen und Schienbeinknochen im Kniegelenk. Im Krankheitsverlauf kommt es zu einer Entzündung des Kniegelenkes und schließlich zur Gelenkfehlstellung. Im Alltag und speziell bei sportlicher Aktivität ist das Kniegelenk hohen Belastungen ausgesetzt (s.o.). Die Arthrose entwickelt sich aufgrund von Fehlbelastungen oder erworbener Formveränderungen, Übergewicht, Verletzungen sowie einer vermehrten Alltagsbelastung oder auch von Spitzenbelastungen im Leistungssport. Durch Spitzenbelastungen bei sportlicher Aktivität kann es auch bei jüngeren Patienten zum frühzeitigen Verschleiß des Kniegelenkes kommen. Höheres Lebensalter und erhöhtes Körpergewicht (Adipositas) sind zusätzliche Risikofaktoren für die Entstehung der Gonarthrose.
Die Ursachen der Gonarthrose lassen sich in anlagebedingte (primäre) oder erworbene (sekundäre) Krankheitsursachen einteilen. Dabei ist die primäre Gonarthrose viel häufiger (ca. 80-85%) als die sekundäre Gonarthrose (ca. 20-25%). Bei der primären Gonarthrose ist keine spezifische Ursache für den Knorpelverschleiß bekannt. Dagegen findet sich bei der sekundären Gonarthrose immer eine Ursache.
Weitere mögliche Ursachen der Gonarthrose sind:
- • Gelenkfehlstellung (O- und X-Beinstellung)
- • Verletzungen (z.B. Frakturen der knöchernen Gelenkpartner von Oberschenkelknochen (Femur), Kniescheibe (Patella) und Schienbeinkopf (Tibia))
- • Durchblutungsstörung des Knochen (Aseptische Nekrose)
- • Gelenk-Rheuma (z.B. Rheumatoide Arthritis)
- • Spätfolgen von Kniegelenkinfektionen (z.B. Septische Arthritiden)
Wann sollte operiert werden?
Die Indikation zum künstlichen Gelenkersatz sollte zurückhaltend und im engen Dialog mit dem Patienten gestellt werden:
Jeder Patient hat die berechtigte Erwartung, dass wir im Dialog mit ihm ein sorgfältig auf das individuelle Krankheitsbild zugeschnittenes Therapiekonzept erarbeiten. Nur so können wir das notwendige Vertrauen der Patienten in den Behandlungserfolg aufbauen und verständliche Ängste abbauen. Es herrscht fachlicher Konsens darüber, dass die Indikation zur endoprothetischen Versorgung unter folgenden Voraussetzungen gegeben ist:
1. Ausschöpfung der konservativen Therapie
2. Leidensdruck: Ruhe- und Belastungsschmerz des Patienten
3. Verminderte Lebensqualität
4. Einklang der Kniebeschwerden mit radiologischen Arthrosezeichen
Formen der Gonarthrose
Das Kniegelenk besteht aus drei Gelenkabschnitten, die jedes für sich oder im Verbund betroffen sein können. Namentlich lassen sich diese Gelenkabschnitte wie folgt einteilen:
· Retropatellararthrose: Arthrose des rückwärtigen Kniescheiben-Gelenkes (Femoropatellargelenk)
· Mediale Gonarthrose: Arthrose des innenseitigen Kompartments des Kniegelenkes (Femorotibialgelenk)
· Laterale Gonarthrose: Arthrose des außenseitigen (lateralen) Kompartments des Kniegelenkes (Femorotibialgelenk)
Sind alle drei Abschnitte durch die Arthrose verändert, spricht man von einer Pangonarthrose.
Abhängig von der durch die Arthrose veränderten Beinachse unterscheidet man die Gonarthrose zusätzlich in:
· Valgus-Gonarthrose: außenseitige (laterale) Gonarthrose mit konsekutiver X-Bein-Fehlstellung: d.h. die Tragachse des Beines wandert nach außen.
· Varus-Gonarthrose: innenseitige (mediale) Gonarthrose mit konsekutiver O-Bein-Fehlstellung: d.h. die Tragachse des Beines wandert nach innen.
Aktueller Stand der Knietotalendoprothetik: Implantate und Material
Die modernen Knietotalprothesen (Knie-TEP) kommen den natürlichen Gelenken immer näher. Das klassische künstliche Kniegelenk ist analog zum Hüftgelenk modular aufgebaut: d.h. nach dem Baukastenprinzip. Das künstliche Kniegelenk ist eine Oberflächenprothese. Hier werden nur die abgenutzten Knorpeloberflächen entfernt und der darunterliegende Knochen bleibt weitgehend unversehrt. Die Knie-TEP besteht in der Regel aus einer Prothesenkomponente, die das Ende des Oberschenkelknochens (Femur) überkront. Die andere Prothesenkomponente überkront das Schienbeinplateau (Tibia). Dazwischen befindet ein Polyethyleneinsatz aus medizinischem Kunststoff, der als Gleitlager für die beiden metallischen Prothesenkomponeten dient. Dabei kommen verschiedene Materialkombinationen zur Anwendung. Derzeit sind analog zu den Hüft-TEP-Implantaten Polyethylen (medizinischer Kunststoff), Metall- und Titanlegierungen die häufigsten Materialien für Kunstgelenke am Kniegelenk. Insbesondere die Titanlegierungen zeichnen sich durch eine sehr gute Körperverträglichkeit und hohe Festigkeit aus. Dadurch lassen sich auch Patienten mit einer Allergie (insbesondere Patienten mit Nickelallergie) sicher und hochwertig mittels einer Knie-TEP versorgen. Beim Polyethylen handelt es sich um einen speziell für die Endoprothetik formgepressten medizinischen Kunststoff. Durch Bestrahlung und die Zugabe von Vitamin E wurde die Haltbarkeit dieses medizinischen Kunststoffs entscheidend verbessert.
Dank dieser hochwertigen Implantate in Kombination mit den weichteil-schonenden Operationsmethoden zeigen sich exzellente klinische Ergebnisse und eine sehr gute Implantatfunktion über einen langen Zeitraum. Die Implantatstandzeit hat sich innerhalb der letzten dreißig Jahre ständig verbessert. Die Standzeit einer Knietotalendoprothese beträgt – nach den Daten internationaler Prothesenregister – über 95% nach 10 Jahren Beobachtungszeit.
Wir legen großen Wert auf die Feststellung, dass in der Helios Klinik Blankenhain nur die hochwertigsten Endoprothesensysteme mit der entsprechend hochwertigen und langlebigen Gleitpaarung eingesetzt werden.
Knieprothese ist nicht gleich Knieprothese:
Individuelles Behandlungskonzept für eine optimale Patientenversorgung
Alle Gelenkersatzoperationen werden auf Basis spezieller Röntgenaufnahmen (Ganzbeinaufnahme, Kniegelenkaufnahme in seitlicher Ebene und Kniescheibenzielaufnahme) präzise computergestützt geplant, durchgeführt und analysiert.
Moderne Knietotalendoprothesen haben ein verbessertes Design, das es ermöglicht, eine individuelle Anpassung für jeden Patienten vorzunehmen. So lassen moderne Knie-TEPs durch eine spezielle Implantat-Geometrie die Rekonstruktion des natürlichen gesunden Kniegelenkes zu. In der Helios Klinik Blankenhain halten wir auch besondere Knie-TEP-Größen speziell für Frauen und Männer vor. Des Weiteren haben wir die Möglichkeit, im Fall einer isolierten innen- bzw. außenseitigen sowie auch einer retropatellaren Verschleißsituation, eben nur diese mit einer Kniegelenkteilprothese (sog. „Knieschlittenprothese“) zu versorgen bzw. isoliert die Gleitfläche hinter der Kniescheibe (Femoropatellarer Gleitbahnersatz) zu ersetzen (s.u.).
Philosophie der Knie-TEP-Implantation
Unsere Philosophie bei der Knie-TEP-Implantation ist immer der größtmögliche Erhalt körpereigener Gewebsstrukturen unter Verwendung des kleinstmöglichen künstlichen Kniegelenk-Implantates, um eine natürliche Kniegelenkskinematik wiederherzustellen. Dadurch kann die anatomische Tragachse und ein natürlicher Bewegungsablauf des Kniegelenkes wiederhergestellt werden.
Dabei legen wir großen Wert auf den Knochenerhalt und die Schonung von Bändern und Weichteilen sowie der Muskulatur. Die Seitenbänder und das hintere Kreuzband bleiben erhalten.
Die orthopädischen Chirurgen der Helios Klinik Blankehain verfügen über eine langjährige Expertise auf dem Gebiet der Knieendoprothetik und können so die Patienten – sowohl die älteren Patienten als auch Patienten mit hohem sportlichen Anspruch – weichteilschonend und knochensparend mit einer Knie-TEP versorgen.
Prothesentypen
Abhängig von der Verschleißsituation des Kniegelenkes erfolgt die Wahl der Prothese.
Knieteilprothesen
Sofern nur ein Teil des Kniegelenks durch die Arthrose betroffen ist, lässt sich das verschlissene Kompartiment isoliert mittels einer Teilprothese ersetzen. Ist nur das äußere oder das innere Kompartiment verschlissen, kommen sogenannte Knieschlittenprothesen zum Einsatz.
Dadurch lässt sich sowohl das vordere als auch das hintere Kreuzband im Kniegelenk vollständig erhalten. Die beiden Kreuzbänder kreuzen sich in der Gelenkmitte und stellen gemeinsam mit den Seitenbändern (Innen- und Außenband) den Hauptstabilisator des Kniegelenkes dar. Intakte Kreuzbänder sind eine entscheidende Voraussetzung für die Implantation einer „Schlittenprothese“. Bei der unikondylären „Schlittenprothese“ wird nur der defekte Knorpelanteil im Kniegelenk entfernt und der Defekt durch die „Schlittenprothese“ ersetzt. Dabei wird im Gegensatz zur Knie-TEP (Vollprothese) keine Korrektur der mechanischen Tragachse durchgeführt. Die „Schlittenprothese“ besteht aus einer Metallkufe für den Oberschenkelknochen und dem dazugehörigen Gegenpart für den Schienbeinkopf. Dazwischen befindet sich ein Einsatz aus Polyethylen (Inlay) auf dem die Kufe des Oberschenkels gleitet. Schlittenprothesen haben in der Regel eine Standzeit von ca. 15 Jahren. Dadurch lässt sich die Implantation einer Vollprothese bzw. die Wechseloperation einer „Schlittenprothese“ zu einer Knie-TEP (Vollprothese) weit in die Zukunft hinausschieben.
Patellofemoraler Gleitbahnersatz (Kniescheibenprothese)
Die sogenannte isolierte Patellofemoralarthrose ist eine eher seltene Arthroseform am Kniegelenk. Es ist nur die Gelenkfläche bzw. Gleitbahn zwischen Kniescheibe (Patella) und Oberschenkel (Femur) verschlissen. Hier kann isoliert dieser Teil mit einer Teilprothese, der sogenannten Patellofemoralprothese, ersetzt werden.
Vollprothese (Knietotalendoprothese/ Knie-TEP)
Wenn das gesamte Kniegelenk verschlissen ist, wird in der Regel eine Vollprothese i. S. einer Knietotalendoprothese eingesetzt (s.o.). Sofern die Arthrose auch die Kniescheibenrückfläche betrifft, wird zusätzlich zur Knie-TEP auch noch eine Prothese hinter der Patellarückfläche (Retropatellarersatz) aufgebracht. Dadurch sind alle arthrotisch verschlissenen Gelenkflächen des Kniegelenkes ersetzt. Bei der Implantation einer Knie-TEP wird die mechanische Tragachse immer vollständig korrigiert, damit wieder eine gleichmäßige Belastung von innerem und äußerem Kniegelenkkompartiment gewährleistet ist. Die Knieprothese ist modular, also nach dem Baukastenprinzip, aufgebaut. Damit hat der Operateur die Möglichkeit, die primär ungekoppelte Knie-TEP bezüglich des Kopplungsgrades zu erhöhen. Bei knöchernen Defekten oder höhergradigen Achsabweichungen in Kombination mit einer nicht ausgleichbaren Bandstabilität muss der Kopplungsgrad der Prothese erhöht werden. Dafür kommen dann teilgekoppelte Systeme oder komplett gekoppelte Systeme wie die Rotationsprothese und das Schaniergelenk – als Prothese mit dem höchsten Kopplungsgrad – zur Anwendung.
Verankerungsmöglichkeiten des Implantates
Eine Knietotalendoprothese lässt sich prinzipiell durch zwei Verfahren im Knochen verankern:
Bei der zementfreien Verankerungstechnik wird die Oberflächenersatz - Prothese – i. d. Regel mit einer aufgerauten Rückseite – in eine vorpräparierte Knochenlücke eingebracht und verklemmt, vorausgesetzt der Knochen zeigt eine gute Knochenqualität und normwertige anatomische Form. Durch diese Press-Fit-Technik-Fixation (mechanisch: Presspassung) der zementfreien Knietotalendoprothese wird die Primärstabilität der Prothese erzielt. Sekundär kommt es dann zu einer dauerhaften Integration (knöchernes Einwachsen) des Implantates. Dadurch wird die Sekundärstabilität mit dauerhaftem knöchernen Einbau des Implantates in den Knochen erreicht (Kontakt-Knocheneinheilung). Eine feste Verbindung zwischen Knochen und Prothese entsteht erst nach einigen Wochen. Deshalb wird in den ersten Wochen nach zementfreier Knie-TEP eine moderate Teilbelastung des operierten Beines an Unterarm - Gehstützen empfohlen.
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird die Knietotalendoprothese zementiert im Knochen befestigt. Hier wird die stabile Verankerung der Prothese über einen dünn auf der Prothesenrückseite aufgetragenen Füllstoff zwischen Metallprothese und Knocheninterface im Knochenbett sichergestellt. Der Füllstoff ist ein spezieller schnell bindender Knochenzement, genauer: ein transparenter thermoplastischer Kunststoff (PMMA = Polymethylmethacrylat).
Beim primären Ersatz der Kniescheibenrückfläche wird stets Knochenzement angewendet. Die zementierte Verankerung der Knie-TEP bietet im Gegensatz zur zementfreien Knie-TEP einen großen Vorteil in der postoperativen Phase, da sofort nach der Operation eine feste Verbindung zwischen Knochen und Kniegelenk besteht, die Patienten das implantierte zementierte Kunstgelenk also sofort voll belasten können.