"Niemand muss sich Sorgen machen"
Seit 100 Tagen leitet Thorsten Sleifir die Helios-Kliniken im Landkreis. Im Interview spricht er über die Auswirkungen der geplanten Klinikreform, Mitarbeitergewinnung und die Zukunft der drei Standorte.
Herr Sleifir, Sie sind nun 100 Tage im Amt. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Sleifir: Ich bin überrascht, dass es erst 100 Tage sind, weil ich eigentlich das Gefühl habe, schon länger dabei zu sein. Das liegt sicher zum einen daran, dass ich aus der Region komme, und zum anderen an der Unterstützung innerhalb der Helios-Familie. Alle Mitarbeitenden der drei Kliniken haben mich mit offenen Armen empfangen. Bevor ich begonnen habe, dachte ich, es wird sicherlich ein halbes Jahr dauern, bis die ersten Themen angestoßen sind. Da sind wir jetzt schon deutlich weiter.
Welcher Termin ist Ihnen aus den ersten drei Monaten besonders im Gedächtnis geblieben?
Sleifir: Die schönsten Termine sind eigentlich die, die keine Termine sind. Ich laufe gerne über die Stationen oder zum Beispiel ins Labor. Es ist ganz wichtig, die Häuser zu spüren und präsent zu sein. Das möchte ich zukünftig noch stärker in den Alltag einbringen. Ich möchte eigentlich jede Woche an jedem Standort zwei Tage vor Ort sein.
Welche Stimmung nehmen Sie denn dann beim Klinikpersonal wahr?
Sleifir: Ich glaube, die Mitarbeiter haben ein sehr gutes Fingerspitzengefühl und nehmen alles um sie herum sehr genau wahr. Zum Beispiel Hiobsbotschaften aus Nachbarlandkreisen, in denen sich die Krankenhäuser bereits in Insolvenz oder Sanierung befinden. Darauf werde ich angesprochen. Ganz wichtig ist, dass wir miteinander sprechen und transparent sind. Wir haben bereits Mitarbeiterversammlungen organisiert, um offen über Herausforderungen und Sorgen zu sprechen. Da war es ganz wichtig, von mir zu hören, dass keiner der Standorte geschlossen werden wird. Ich sage aber auch, dass wir etwas dafür tun müssen. Wir müssen das medizinische Leistungsangebot an die Bedürfnisse der Region anpassen und immer agil bleiben.
Wie sehen Sie denn die drei Klinikstandorte aufgestellt?
Sleifir: Da sind wir ein bisschen wie der SC Freiburg: Über Zahlen sprechen wir nicht, das gilt insbesondere für die Einzelstandorte. Wir sind ja Teil von Fresenius. Und wenn Sie sich die zurückliegenden Geschäftsberichte anschauen, dann war Helios insgesamt in den vergangenen Quartalen ganz gut. Was das medizinische Versorgungsangebot in der Region angeht, wird es keine Überraschungen geben. Jede unserer drei Kliniken funktioniert für sich mit ihrem Angebot an ihrem Standort gut - aber auch als Cluster insgesamt. Große Anpassungen brauchen wir daher nicht, aber auch wir werden unsere medizinische Angebotsstrategie ständig überarbeiten und auf die Bedürfnisse der Region anpassen, so werden wir zum Beispiel die geriatrische Versorgung an allen drei Standorten konsequent ausbauen. Damit haben wir bereits begonnen.
Zuletzt gab es für die Aktionäre der Fresenius knapp drei Prozent Rendite. Ist das nicht ein großer Spagat, Überschüsse erwirtschaften zu müssen und gleichzeitig eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen?
Sleifir: Es ist genau anders herum. Gerade weil wir eine gute Versorgung sicherstellen, können wir auch gut wirtschaften. Die geplante Klinikreform sieht unter anderem vor, ab kommendem Jahr Qual itätszahlen der Kliniken offen zu legen. Das macht Helios bereits seit über 20 Jahren. Ich habe vom Konzern vorgegebene Qualitätsziele für die Häuser zu erreichen. Daran lässt sich nicht rütteln. Dadurch werden wir besser - und damit auch die Patientenversorgung. Daraus ziehen wir dann auch den wirtschaftl Chen Erfolg und reinvestieren weiter.
Das klingt ein wenig so, als ob Sie die anstehende Klinikreform kalt lässt?
Sleifir: Tatsächlich ja. Das sage ich auch meinen Mitarbeitenden. Mein Fokus liegt auf etwas ganz anderem, nämlich attraktiver Arbeitgeber zu bleiben, Mitarbeiter zu binden und die Attraktivität unserer Kliniken zu steigern. Natürlich beobachten wir die Diskussionen auf Landes- und Bundesebene sehr genau. Aber bisher gibt es nur Eckpunkte. Daher ist es viel zu früh, um abzuschätzen, welche Konsequenzen dies für unsere drei Standorte hat. Den Fokus der Flexibilisierung der stationären Versorgung sowie die Schwerpunktbildung begrüßen wir ausdrücklich, was letztendlich unsere eingeschlagene Strategie der Schwerpunkt- und Clusterbildung bestätigt. Hier in der Region muss sich niemand über die medizinische Versorgung Sorgen machen. Deswegen bleibe ich relativ gelassen.
Trotzdem stehen aktuell in allen Häusern Betten
Sleifir: Der Landesbettenplan sieht eine Maximalzahl vor, die wir betreiben können. Diese MaximalZahl erreichen wir aktuell nicht, dafür haben wir nicht das Personal. Wir konnten aber die betriebene Bettenzahl insgesamt im Cluster in diesem Jahr kontinuierlich steigern, auch wenn wir vereinzelt mit temporären Bettenreduktionen flexibel auf den Fachkräftemangel reagieren.
Welche Schritte haben Sie eingeleitet, um Personal zu gewinnen?
Sleifir: Neben einer großen Marketingkampagne auch in Frankreich - und gezie ten Mitarbeitergewinnung und -qualifizierung in Mexiko setzen wir vor allem auf die eigene Ausbildung. Im Oktober beenden 22 Schüler und Schülerinnen ihre Ausbildung an unserer Pflegeschule. Daraus haben sich bis auf zwei alle um eine Stelle in unseren Häusern beworben beziehungsweise werden übernommen. Das ist wirklich genial und spricht ganz deutlich für die Kultur in den Häusern. Außerdem haben wir in diesem Jahr 227 qualifizierte Bewerbungen für die Generalistikausbildung erhalten und konnten alle Ausbildungsplätze besetzen. Dies sind doppet so viele wie im Vorjahr. Es gibt also ganz viele Menschen, die sich zu Recht für diesen Beruf interessieren. Dies ist ein Riesenerfolg. Das ist viel wichtiger als jede Krankenhausreform. Dabei denken wir auch an unsere Partner in der Region und bilden für diese mit aus. Denn es bringt uns nichts, unsere Stellen alle besetzt zu haben, wenn aber zum Beispiel das Personal in den nachfolgenden Versorgungseinrichtungen fehlt.
Welches Thema wird Sie in den kommenden Jahren besonders beschäftigen?
Sleifir: Wenn Sie die Debatte um die Krankenhausreform verfolgen, geht es überwiegend um die Zukunft der stationären und der ambulanten Behandlung und deren Abgrenzung. Ich bin davon überzeugt, dass Gesundheitsversorgung auch noch in einem dritten Setting stattfinden wird, und zwar im digitalen Setting. Da spielt die Zukunftsmusik, und das kann auch eine Lösung für aktuelle Herausforderungen wie zum Beispiel den ländlichen Raum bedeuten. Sie können zum Beispiel schon heute über die App Curalie bei Helios in die medizinische Ver-sorgung einsteigen und haben Zugang zu allen Experten, sowohl digital als auch ambulant oder stationär. Darauf ist die Gesundheitsreform gar nicht ausgerichtet. Da sind wir schon einen Schritt weiter.
Blickt man auf die Geschäftsführer-Historie der Helios-Kliniken im Kreis, blieben ihre Vorgänger im Schnitt nicht viel länger als zwei Jahre. Wie lange bleiben Sie?
Sleifir: Solange wie man mich braucht. Ich wohne hier in der Region mit meiner Familie und habe mich bewusst für diese Aufgabe entschieden.
Thorsten Sleifir (39) ist seit Mai Geschäftsführer der Helios-Kliniken Breisgau-Hochschwarzwald GmbH und für die drei Klinikstandorte Breisach, Müllheim und Titisee-Neustadt verantwortlich. Zuletzt war er Departementsmanager für das Departement Kopforgane, Wirbelsäulen- und Neuromedizin im Universitätsspital Basel. Nach dem Studium unter anderem in Berlin, London und Freiburg arbeitete er auch an der Uniklinik in Freiburg. Außerdem ist er examinierter Physiotherapeut. Aktuell schreibt Sleifir seine Masterarbeit zum Thema Digital Nudging und Nachhaltigkeit im Unternehmenskontext. Sleifir lebt mit seiner Familie in Freiburg.