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„Kinder dürfen Nüsse erst essen, wenn sie Nüsse schreiben können“

Die sogenannte Aspiration, also das Einatmen von Fremdkörpern, ist eine der gefährlichsten Notfalldiagnosen bei Kindern. Die Haupt-Risikogruppe bilden dabei Kinder in den ersten vier Lebensjahren. Lebensmittel wie etwa Nüsse und kleine Spielzeugteile stellen die größte Gefahr dar. Warum sich die Fälle besonders in der Vorweihnachtszeit häufen und was Eltern zum Thema wissen sollten, darüber spricht Dr. med. Robert Schmitz, Kinder-Pneumologe und Oberarzt der Kinder- und Jugendmedizin an der Helios St. Johannes Klinik Duisburg. 

01. Dezember 2024

Was passiert bei einer Aspiration genau und warum sind Kleinkinder so häufig betroffen?

Rein medizinisch ausgedrückt, ist damit das Eindringen von Flüssigkeiten oder festen Stoffen in die Atemwege und die Lunge gemeint. Kinder unter vier Jahren sind dafür besonders anfällig, da sie oft Dinge in den Mund nehmen und dabei zeitgleich noch nicht die notwendige Koordination haben, um zwischen Essen und Atmen ausreichend zu trennen. So können etwa feste Teile, die eigentlich in die Speiseröhre gehören, in die Atemwege gelangen. Dazu kommt, dass aufgrund der noch sehr kleinen Atemwege schon kleinste Fremdkörper eine lebensbedrohliche Gefahr darstellen können.

Welche Fremdkörper „begegnen“ Ihnen im Klinikalltag am häufigsten?

Nüsse, vor allem Erdnüsse, gehören mit etwa zwei Dritteln all unserer Fälle zu den häufigsten Fremdkörpern, die Kleinkinder einatmen, da sie klein und hart sind und oft leicht in die Atemwege gelangen können und dort stecken bleiben. Leider häufen sich die Fälle vor allem in der Vorweihnachtszeit, wenn Nüsse mit auf vielen Plätzchentellern liegen. Daher gilt hier besonders: Kinder dürfen Nüsse erst essen, wenn sie Nüsse schreiben können. Gleich dahinter kommen übrigens kleine, oft nur wenige Millimeter große Spielzeugteile wie Bügelperlen oder Lego, gefolgt von anderen Lebensmitteln wie Apfel, Möhre oder Kernen.

Woran erkenne ich, dass mein Kind einen Fremdkörper eingeatmet hat?
Im schlimmsten Fall kann das Einatmen direkt den Luftweg blockieren und zu einer lebensgefährlichen Atemnot führen. Das ist natürlich ein akuter Notfall. Das Kind schnappt dann nach Luft, wird eventuell bewusstlos und die Haut färbt sich blau. Hier muss sofort erste Hilfe, sprich Mund-zu-Mund-Beatmung geleistet und der Rettungsdienst verständigt werden. Fast noch häufiger sind aber die Fälle, bei denen ein Fremdkörper nicht direkt den gesamten Atemweg behindert, sondern sich in der Lunge so festsetzt, dass das Kind zwar noch Luft bekommt, aber sehr viel und stark husten muss. Oftmals ist dann auch ein pfeifendes Atemgeräusch zu hören. Wird das Einatmen zunächst nicht bemerkt, kann innerhalb von Tagen in den Atemwegen eine schwere Lungenentzündung entstehen, was zu anhaltendem Husten, Fieber und einer Verschlechterung der Atemfunktion führen kann.

Wie behandeln Sie diese Fälle in der Klinik?
Das hängt sehr vom Zustand des Kindes und der Lage des Fremdkörpers ab. Im akuten Notfall versuchen wir das Kind zunächst zu stabilisieren. Dann muss der Fremdköper so schnell wie möglich entfernt werden. Eine Lungenspiegelung (Bronchoskopie) ist in diesen Fällen die sinnvollste und vor allem sicherste Untersuchung. Dabei wird ein dünnes, flexibles Instrument mit einer Kamera in die Atemwege eingeführt, um den Fremdkörper zu lokalisieren und zu entfernen. Das Kind liegt dafür in Narkose. Hat der Fremdkörper bereits eine Entzündung verursacht, kommen zusätzlich Antibiotika und gegebenenfalls weitere Medikamente zum Einsatz.

Gibt es noch etwas, dass Sie Eltern mit auf den Weg geben möchten?
Wenn der Verdacht auf eine Fremdkörper-Aspiration besteht, sollte wirklich immer die Kinderärztin, der Kinderarzt oder die nächstgelegene Kindernotaufnahme aufgesucht werden. Dort wird dann entschieden, ob eine Lungenspiegelung notwendig ist. Fremdkörper, die unerkannt längere Zeit in der Lunge verbleiben, verursachen schwere und teilweise irreparable Schäden. Daher sollte im Zweifelsfall immer nachgeschaut werden, um die Kinder vor den schwerwiegenden Folgen zu schützen. Für die Duisburger Eltern sei noch gesagt, dass wir am Standort St. Johannes in Hamborn hier diese besondere Expertise vorhalten und so 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr bereitstehen, um den Kindern im Notfall zu helfen.

schmitz robert