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„Ich habe mein Leben zurückerhalten“: Harburger Chefarzt operiert in Paraguay

Gut ein Viertel aller Männer und 3% aller Frauen weltweit erkranken im Laufe des Lebens an einem Leisten- oder Bauchwandbruch. Nahezu immer müssen die sogenannten Hernien operiert werden. Doch was in Deutschland selbstverständlich ist, bleibt vielen Menschen in anderen Teilen der Welt verwehrt – etwa, weil OPs unbezahlbar sind oder Kliniken bzw. ausgebildete Chirurgen fehlen. Dr. Wolfgang Reinpold, Chefarzt des Hamburger Hernien Centrums und der Abteilung für Hernienchirurgie an der Helios Mariahilf Klinik in Harburg möchte helfen: Schon zum 16. Mal hat sich der international renommierte Experte Ende 2023 auf „Hernienmission“ begeben. In Paraguay hat er 55 mittellose Patienten kostenfrei operiert und Chirurgen vor Ort geschult.

26. Januar 2024
Design ohne Titel - HEL-Mariahilf-Hernienzentrum-OP

Derlis Hernandez aus Santa Rosa de Aguaray und seine Familie samt sechs Kindern leben von der Landwirtschaft. Eigentlich: Denn die letzten zwei Jahre war der 53-Jährige aufgrund eines Leistenbruchs nicht mehr arbeitsfähig; die Familie entsprechend in großer wirtschaftlicher Not. Hinzu kam: Hernandezaus hatte starke Schmerzen und seine Hernie war bereits handballgroß. „Als wir ihn untersuchten, war der Bruch bereits eingeklemmt – ein Notfall, der sofort operiert werden musste“, betont Dr. Reinpold, der den Familienvater im Rahmen seiner jüngsten humanitären Hernienmission behandelt hat.

Eingeklemmte Hernie: Unbehandelt droht Lebensgefahr

Hintergrund: Leisten- und Bauchwandbrüche sind krankhafte Löcher in der Bauchwand, in die Eingeweide hineingleiten können. Es besteht dabei immer die Gefahr einer lebensgefährlichen Darmeinklemmung, die meist nur durch eine sofortige Notoperation behoben werden kann. Problematisch wird es, wenn Betroffene keinen Zugang zu einer adäquaten Gesundheitsversorgung haben und ein solcher Bruch nicht rechtzeitig fachgerecht operiert wird.

Aus insgesamt 16 Hernienmissionen nach Afrika, Lateinamerika und China kennt Dr. Reinpold zahlreiche dramatische Beispiele. 2023 zog es ihn zum wiederholten Mal nach Paraguay – eines der ärmsten Länder Südamerikas. Zwar existiert hier ein staatliches Gesundheitssystem, aber gerade in abgelegenen ländlichen Regionen mangelt es an Kliniken und Medizinern im Bereich der Hernienchirurgie. Zudem müssen Patienten viele Medizinprodukte aus eigener Tasche zahlen. Dr. Reinpold: „Die unverzichtbaren Herniennetze kosten in Paraguay etwa 100 US-Dollar – das ist für einen Großteil der ländlichen Bevölkerung unbezahlbar.“

Die Folge: Viele Betroffene leben über Jahre mit unbehandelten Brüchen, die im Laufe der Zeit sehr groß werden und ausgeprägte Beschwerden verursachen können. Schwere körperliche Arbeit ist oftmals nicht mehr möglich, sodass die weitere Verarmung ganzer Familien droht.

Hernienmission 2023: 4 Tage, 55 Patienten, 78 Hernien

Die Geschichte von Derlis Hernandez ist also leider kein Einzelfall. So haben Dr. Reinpold und der paraguayische Hernienspezialist Prof. Dr. Osmar Cuenca Torres 2023 innerhalb von vier Tagen 55 mittellose Menschen an insgesamt 78 Hernien operiert. Die meisten kamen aus dem ländlichen Department San Pedro im Norden, eine der ärmsten Regionen des Landes. Wie Derlis Hernandez waren zahlreiche Patienten aufgrund ihrer Herniengröße und der Beschwerden vor der OP nicht mehr arbeitsfähig. In 15 Fällen war der Bruch eingeklemmt; bei drei Patienten war der eingeklemmte Darm bereits durchblutungsgestört. Dr. Reinpold berichtet: „Glücklicherweise konnten wir den Darm in allen Fällen rechtzeitig befreien und retten. Eine Darmentfernung war bei niemanden erforderlich.“

Derlis Hernandez kann heute wieder arbeiten. „Durch die Hernienoperation habe ich mein Leben zurückerhalten“, sagt er rückblickend. Auch die anderen Patienten haben sich gut erholt. „Es traten keine nennenswerten postoperativen Komplikationen auf. Die Nachbetreuung wurde von Prof. Cuenca und seinem Team professionell organisiert und sichergestellt“, freut sich Dr. Reinpold.

Nachhaltige Hilfe: Würdigung durch Gesundheitsministerin

Wichtig: Das Projekt setzt auf nachhaltige Hilfe. Im Rahmen der 55 Operationen wurden daher junge einheimische Chirurgen sowie Operationspflegepersonal in modernen Techniken der Leisten- und Bauchwandchirurgie einschließlich MILOS Operation geschult. Darüber hinaus fand ein Tagesworkshop zur Lichtenstein-OP statt – aktuell weltweit die wichtigste offene Leistenbruchoperationstechnik.

Dieses Engagement würdigte auch die paraguayische Regierung: Gesundheitsministerin Maria Teresa Barán Wasilchuk besuchte Reinpold und Team im Militärkrankenhaus von Asunción und bedankte sich persönlich.

Dr. Reinpold dankt Spenderinnen und Spendern

Auch Dr. Reinpold selbst bedankt sich für eine erfolgreiche Hernienmission. Denn seine umfassende Hilfe wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Privatpersonen und Unternehmen nicht möglich. „Die erforderlichen Medizinprodukte wie chirurgische Instrumente, Naht- und Verbandsmaterial sowie Medikamente konnten wir aus Spendengeldern aus Hamburg und dem Umland finanzieren.“ Ein Großteil kam aus Wilhelmsburg, wo Dr. Reinpold bis 2021 tätig war. Die Hernienkunststoffnetze wurden von den deutschen Firmen GFE Dynamesh (Aachen) und PFM (Köln) gespendet.

Wie bei allen bisherigen Hernienmissionen nahm Dr. Reinpold auch in diesem Fall Urlaub und zahlte seine Reisekosten selbst. Die Mission fand unter der Schirmherrschaft der USamerikanischen Hilfsorganisation Hernia Repair for the Underserved (HRFU) statt, dessen Vorstandsmitglied Reinpold ist.

Design ohne Titel - HEL-Mariahilf-Hernienzentrum-Gruppe