Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Saisonabschluss und dem Gewinn des Double. Das war sicher auch für einen erfahrenen Mannschaftsarzt eine aufregende Saison.
Es war natürlich eine super aufregende Zeit! Ich glaube das wir alle in und um die Mannschaft herum diesen Erfolg sehr genossen haben. Wir konnten das Image des „Vizekusen“ endlich ablegen. Als gebürtiger Leverkusener war das für mich schon etwas sehr besonderes, Teil dieses Doubles zu sein. Aber die Art und Weise, wie die Jungs auf dem Platz die 90 Punkte in 34 Spielen plus die sieben Siege im DFB-Pokal geholt haben, erfüllt mich mit unglaublichem Stolz und Faszination.
Die erste Mannschaft der Geschichte des deutschen Profifußballs zu sein, die in einer ganzen Saison kein nationales Spiel verloren hat, wirkt da wie ein Katalysator. Die Jungs haben mit einer derartigen Überzeugung Woche für Woche ihre Leistung abgerufen und somit die Sympathien in Deutschland und Europa zurecht gesammelt - eins ist für mich nach dieser Saison glasklar: das Image des ‚Plastikclubs‘ existiert nicht mehr.
Wie haben Sie die entscheidenden Spiele erlebt? Sitzt man da ganz entspannt am Spielfeldrand?
Natürlich fiebere ich nach so vielen Jahren als Arzt des Vereines und Kind der Stadt mit und wünsche dem Verein den maximalen Erfolg. Das zu erreichen funktioniert allerdings auch nur über sehr viel Arbeit. Denn letzten Endes ist die Bundesliga und der DFB-Pokal ein einfacher Wettbewerb: Du musst besser sein als dein Gegner - Woche für Woche. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen viele Dinge zusammenkommen und das ist ein Haufen Arbeit. Wir Ärzte müssen zusammen mit den Physiotherapeuten, Sportwissenschaftlern und Athletiktrainern immer wieder einschätzen und beurteilen, welche Spieler wie stark gefährdet sind und inwiefern es gegeben ist, den Spieler dem Trainer im Spiel anzubieten. Denn mein Job ist letztendlich mit meinen Kollegen die maximale Spielerverfügbarkeit zu gewährleisten. Und so müssen wir immer erneut evaluieren, was vertretbar und wann das Limit der Belastbarkeit erreicht ist.
Welche besonderen Herausforderungen haben Sie während dieser außergewöhnlichen Saison erlebt, insbesondere in Bezug auf die Gesundheit und Fitness der Spieler?
Nach so einer Saison bin ich natürlich nicht besonders glaubwürdig, wenn ich jammere. Aber natürlich ist die Spielbelastung hier die größte aller Herausforderungen. Unsere Spieler spielen ja nicht nur die 53 Spiele für den Verein in dieser Saison. Da kommen ja noch Freundschaftsspiele und die ganzen Länderspiele dazu. Ohne die Europameisterschaft kommt unser Stammpersonal also seit August 2023 locker auf 65 Spiele und mehr. Und alles, was wir jetzt gerade im Fernsehen sehen, kommt noch obendrauf. Da bleibt nicht viel Zeit für Regeneration und wir sehen unterschiedliche Ermüdungszeichen und Vorboten von Verletzungen. Hier ist es dann häufig eine riskante Entscheidung, ob wir einen Spieler noch als gesund oder schon als nicht mehr einsatzfähig betrachten. Da ist die enge Kommunikation zwischen der medizinischen Abteilung und dem Trainerteam unerlässlich. Und hier ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit elementarer Bestandteil meines persönlichen Erfolges. Das ist uns dieses Jahr überragend gelungen, weil wir im Staff mit den Trainern als Team überragend funktioniert haben. Und das ist auch bis in die Medien gedrungen. So haben diese ja zurecht unseren Trainer Xabi Alonso sehr stark dafür gefeiert, dass er nach dem 3:0 Sieg gegen Bayern München Cotrainer, Physios und uns Ärzte in die Kurve geholt hat. Das war schon ein wirklich sehr besonders schöner Moment!
Wie gehen Sie und Ihr Team mit dem enormen Druck um, der mit dem Kampf um Titel und Pokale verbunden ist? Welche Strategien setzen Sie ein, um sowohl physische als auch mentale Belastungen der Spieler aber vielleicht auch des Stabs zu minimieren?
Wenn du über ein ganzes Jahr jeden Tag immer wieder zusammen bist, kennst du dich sehr gut. Hierbei geht es, glaube ich gar nicht so sehr darum, dass wir die mentale Gesundheit eines einzelnen immer über irgendwelche besonderen Strategien im Blick haben. Natürlich gehört auch das dazu. Aber am aller wichtigsten ist in meiner Erfahrung die Zusammenarbeit! Du musst als Team einfach gut funktionieren und für einander da sein. Und da funktioniert ein Krankenhaus letztendlich auch nicht anders als ein Fußballverein. Und die elf Jungs auf dem Platz funktionieren auch nicht anders als der Staff drum herum. Du musst ein Team sein, du musst füreinander da sein, du musst dir vertrauen und du musst die Stärken und Schwächen deiner Kollegen kennen und idealer Weise, die Stärken fördern und die Schwächen kompensieren. Dann funktionierst du als Team gut - und dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass du besser bist, auch am größten.
So etwas kann ich nach einer solchen Saison natürlich ganz einfach sagen. Denn es ist natürlich total einfach, Spaß zu haben, wenn du erfolgreich bist. Aber genau diesen Teamgedanken musst du besonders dann beibehalten, wenn es nicht läuft. Das ist sicherlich die wichtigste Aufgabe für alle im Team - und der schwierigste Moment. Insofern wünsche ich mir, dass ich diese Erfahrung der erfolgreichen Saison auch in meine Zukunft übertragen und anwenden kann. Ein Teil von diesem Teamgedanken zu stellen, ist für mich das ganz besondere dieser vergangenen Saison.