Die Grundlage für die Etablierung der modernen Thoraxchirurgie – die sich etwa der Behandlung von Lungentumoren widmet – wurde erst in den 1950er-Jahren gelegt, nachdem die Medizin deutliche Fortschritte in der Bekämpfung der Tuberkulose gemacht hatte. Für Lungenfachärzte gab es bis dahin im normalen Klinikbetrieb keinen Platz, denn Patienten mit Lungenerkrankungen wurden aus Angst vor Ansteckungen in eigenständigen Tuberkulosehäusern behandelt.
Der historische Exkurs verdeutlicht, welche weitreichenden Folgen mit medizinischen Entwicklungssprüngen einhergehen. Auch aktuell ist die Thoraxchirurgie am Helios Klinikums Krefeld in einen solchen Innovationsprozess involviert: Ab Mai wird das Krefelder Lungenzentrum als erstes am linken Niederrhein mit dem Hightech-Gerät DaVinci operieren.
Modernste Chirurgie an der Konsole
Dr. Melanie Toffel, Leitende Oberärztin der Klinik für Thoraxchirurgie, steckt mit ihrer Kollegin, Fachärztin Anthoula Alexandrou, in den letzten Vorbereitungen. „Die Operationen selbst führen wir schon jahrelang offen und auch mit minimalinvasiven Methoden durch. Aber der DaVinci bringt zahlreiche weitere Erleichterungen und Verbesserungspotenziale mit sich. Darauf haben wir hingearbeitet und können diese jetzt nutzen.
Neben den filigranen Drehbewegungen, die die Instrumentenarme auf engstem Raum vollziehen können, ist vor allem die extreme optische Vergrößerung durch die 3-D-Kamera zu nennen: „Statt einer drei- oder vierfachen Vergrößerung verfügen wir jetzt über eine zehnfache, mit der wir etwa bei der Entfernung von Lymphknoten feine Nervenbahnen noch viel deutlicher erkennen und so für die Patienten noch schonender arbeiten können“, berichtet sie. Die sechsmonatige Ausbildung erfolgte nach den umfangreichen, zeitaufwendigen Vorgaben des US-Herstellers. „Es geht vor allem darum, alle Funktionsweisen, Möglichkeiten und Eigenheiten kennen zu lernen“, erläutert die Leitende Oberärztin.
Mit der technischen Innovation verändert sich für sie aber mehr als nur das Instrumentarium: „Ich stehe nicht mehr direkt am Patienten, sondern sitze an der Konsole des DaVinci, mit der ich dessen Arme bediene. Aber durch das dreidimensionale Objektiv befinde ich mich dennoch direkt im Operationsfeld“, berichtet sie. „Meine Kollegin, Frau Alexandrou, steht hingegen weiterhin unmittelbar am Patienten und verfolgt die Operation zusammen mit dem OP-Pflegeteam und den Anästhesisten an einem eigenen Bildschirm.“ Die Aufstellung erfordert auch eine andere Kommunikation. Wo sonst ein einvernehmlicher Blickkontakt reichte, muss jetzt wieder mehr miteinander gesprochen werden. Dabei zahlt es sich aus, dass die beiden auch am OP-Tisch schon lange eng zusammenarbeiten und ein eingespieltes Team sind.
Fortschritt ist Teamsache
Die kleine Umgewöhnung nimmt die Ärztin angesichts der zahlreichen Vorteile, die die neue Technik mit sich bringt, aber gern in Kauf: „Um größere Mittelfell-Tumore zu entfernen, mussten wir früher das Brustbein eröffnen. Mit dem DaVinci operieren wir diese Tumore gewissermaßen durch kleine Schlüssellöcher. Das beschleunigt die Heilung und mindert das Infektionsrisiko“, weiß Dr. Toffel.
Unterstützt wird die Oberärztin am Helios Klinikum von einem versierten OP-Team, das bereits seit einem Jahr mit dem DaVinci arbeitet und seitdem zahlreiche Eingriffe der Viszeralchirurgie, der Urologie und der Gynäkologie betreut hat. „Der Ablauf einer DaVinci-Operation ist ein komplett anderer“, berichtet OP-Fachpfleger Georg Märzhäuser. „Schließlich nehmen wir ein hochsensibles Hightech-Gerät in Betrieb. Das Hochfahren des Systems, die Vorbereitung und Bedienung, die Positionierung des Patienten auf dem OP-Tisch und des OP-Roboters zueinander erfordern höchste Präzision, um alle technischen Möglichkeiten voll ausnutzen zu können.“
Das Team, das für den Instrumentenwechsel und die Unterstützung der Operateurin direkt am Patienten steht, begleitet die Operation am Bildschirm und kann entsprechend schnell reagieren. „Dazu ist gute Kommunikation extrem wichtig, klare Ansagen und Rückmeldungen. Auch Störgeräusche werden an der Konsole verstärkt wahrgenommen. Darauf muss sich das gesamte Team einstellen.“ Die Herausforderung, die die Einbindung der neuen Technik in den Arbeitsalltag bedeutet, wird mit Offenheit und Enthusiasmus angenommen, wie Georg Märzhäuser bestätigt: „In der OP-Pflege besteht ein großes Interesse daran, den DaVinci im Einsatz kennenzulernen und die entsprechenden Fortbildungen zu absolvieren. In der Medizin kann man nicht stehenbleiben. Das gilt für die Ärzte genauso wie für die Pflege.“
Ein Blick in die Zukunft der Medizin
Zwar wird es auch weiterhin offene Operationen geben und der erfahrene Chirurg in näherer Zukunft nicht durch eine Maschine ersetzt werden, aber gewiss werden Vernetzung, Digitalisierung und künstliche Intelligenz in den OP-Sälen eine zunehmend größere Rolle spielen. Eine Entwicklung, die sich auch auf die Ausbildung auswirken wird: „Wir werden sehen, ob etwa angehende Chirurgen sich irgendwann für das ,klassische Handwerk‘ oder die roboterassistierten Operation entscheiden müssen“, wagt Dr. Martin Hohls, Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie am Lungenzentrum des Helios Klinikums, einen Blick in die Zukunft. „Innovationen bringen immer Veränderungen mit sich. Auch wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wie wir junge Kolleginnen und Kollegen künftig möglichst breit und doch hochspezialisiert ausbilden. Und wann wird die Ausbildung am OP-Roboter zum Standard werden?“ Intensive Herausforderungen, die die Mediziner des Helios Klinikums aber nicht aus der Ruhe bringen: Die ständige Weiterentwicklung gehört schließlich zum Beruf dazu – und das Klinikum setzt auf Innovationen, die seinen Patienten zugutekommen.
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