Gestiftet wurde sie vom Förderkreis Dr. Isidor-Hirschfelder e.V., der das Kunstwerk zum ehrenden Andenken am Wochenende in feierlichem Rahmen übergab. Als erster ‚Spezialarzt für Kinderkrankheiten‘ legte Dr. Isidor Hirschfelder durch sein fortschrittliches Denken und Wirken in Krefeld den Grundstein für die Pädiatrie als spezialisierte Disziplin der Medizin. Trotz seiner Verdienste wurde er im Nationalsozialismus als Jude verfolgt und drangsaliert. Als seine Deportation unausweichlich schien, nahm er sich 1941 das Leben. „Das Schicksal von Dr. Isidor Hirschfelder muss uns bis heute eine Mahnung sein“, erklärt Oberbürgermeister Frank Meyer. „Er war in Krefeld ein hoch anerkannter Bürger und weithin geschätzter Mediziner, der vielen Kindern, Müttern und Familien geholfen hat. Durch den Rassenwahn der Nationalsozialisten hat er in kurzer Zeit alles verloren. Im Eingangsbereich der Kinderklinik auf diese Weise an ihn zu erinnern, ist ein wichtiges Signal gegen das Vergessen und gegen heutige Auswüchse des Antisemitismus.“
Förderung des jüdischen Gemeinde- und Kulturlebens in Krefeld
2003 wurde in Krefeld der Förderkreis Dr. Isidor-Hirschfelder e.V. in bürgerschaftlicher Initiative gegründet. Der Verein bezweckte den Aufbau und die Förderung des jüdischen Gemeinde- und Kulturlebens in Krefeld, darüber hinaus die Förderung jüdischer Kultur und Geschichte am Niederrhein, nicht zuletzt auch die Verbundenheit der Krefelder Bürgerschaft mit der Glaubensgemeinschaft. Insbesondere hat die Initiierung eines kulturellen Lebens in der neuen Synagoge und im September 2008 eingeweihten jüdischen Gemeindezentrums in Krefeld intensiv begleitet und unterstützt. In Anbetracht der Erfüllung seiner primären Aufgabenstellung hat der Verein 2019 in Verbindung mit der Tatsache, dass die allgemeine Zwecksetzung in Krefeld auch durch andere Einrichtungen und Vereine erfolgreich betrieben wird, seine Auflösung beschlossen. In diesem Zusammenhang wurde festgelegt, einen Teil des Vereinsvermögens für das Andenken des Namensgebers zu verwenden. „Mit der Erschaffung der Bronzebüste Dr. Isidor Hirschfelders wurde der Erkelenzer Bildhauer Michael Franke beauftragt, der das Werk vor zwei Jahren fertiggestellt hat“ berichtete Dr. Olaf Richter, Vorsitzender des Förderkreises. Aufgrund der pandemiebedingten Vorgaben für öffentliche Veranstaltungen, musste die Übergabe der Büste an das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum mehrfach verschoben werden. Auch Kent Hirschfelder, der in Missouri (USA) lebende Neffe von Dr. Isidor Hirschfelder, hätte der Enthüllung sehr gerne beigewohnt, musste seinen Besuch jedoch noch einmal verschieben.
Ehrendes Andenken an eine herausragende Persönlichkeit
Als 28-jähriger Facharzt für Kinderkrankheiten ließ sich Dr. Kurt (Isidor) Hirschfelder von Berlin kommend 1906 als erster Spezialarzt für Kinderkrankheiten in Krefeld nieder. Durch sein Engagement für seine kleinen Patienten und in der Stadtgesellschaft erwarb er sich das Vertrauen und die Anerkennung der Krefelderinnen und Krefelder. Mit seiner Unterstützung konnten die erste Mütterberatungsstelle des Krefelder Frauenvereins und ein Säuglingsheim eingerichtet werden. Er unterrichtete die Mütter auch über die richtige Ernährung und Pflege ihrer Kinder. Während des Ersten Weltkrieges wurde er als Sanitätsoffizier nach einer Verwundung mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Er kehrte nach Krefeld zurück und widmete sich dort wieder seinen Aufgaben unter anderem im Säuglingsheim.
Nach der sogenannten „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten 1933 konnte Hirschfelder zuerst als ehemaliger Weltkriegssoldat in Krefeld weiterleben. Seine Arbeit, unter anderem auch seine Tätigkeit für das Säuglingsheim, musste er jedoch umgehend beenden. In dieser Zeit kam es aber auch zu Sympathiekundgebungen: Mütter leiteten der Stadtbehörde eine Petition zu, man möge dem Retter ihrer Kinder ein Denkmal setzen. Seine Kameraden aus dem Ersten Weltkrieg holten ihren jüdischen Oberstabsarzt demonstrativ zu einem Regimentstreffen. Hirschfelders Leben wurde jedoch weiter eingeschränkt, seine Praxis zerstört, seine Wohnung musste er räumen, sein Vermögen wurde eingezogen und letztlich durfte er als Arzt nicht mehr praktizieren. Seinen Geburtsvornamen „Isidor“ legte Hirschfelder in den 1920er-Jahren selbst ab; erst wegen der Nazigesetzgebung musste er seinen jüdischen Vornamen wieder annehmen. Kurz vor seiner geplanten Deportation, Hirschfelder lebte zuletzt in einem so genannten Judenhaus am Westwall 50, erschoss er sich am 29. Oktober 1941. Das Eiserne Kreuz lag neben ihm. Sein Grab befindet sich auf dem Neuen Jüdischen Friedhof. In Krefeld erinnern heute unter anderem eine Straße und ein Platz an ihn sowie ein Stolperstein an seinem letzten freiwilligen Wohnort, dem Haus am Ostwall 148.
Unermüdlicher Einsatz für die Gesundheit der Jüngsten
Mit seinem unermüdlichen Einsatz hat Isidor Hirschfelder den Grundstein für die Krefelder Kinderklinik gelegt. 1903 bestand er in Freiburg sein Staatsexamen und wurde etwas später zum Dr. med. promoviert. Zunächst war Isidor Hirschfelder Frauenarzt und Geburtshelfer. Durch seine ständige Tätigkeit im Kreißsaal wurde er der Kinderheilkunde immer stärker verbunden und machte dann noch eine Ausbildung zum Kinderarzt im Städtischen Kaiserin-und-Kaiser-Friedrich-Kinderkrankenhaus in Berlin. „Damals war es nicht selbstverständlich, dass es überhaupt eine Kinderheilkunde gab, oft wurden die Kinder noch von den Internisten mitbetreut“, verdeutlichte Prof. Tim Niehues, Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Krefeld in seiner Ansprache. 1908 gründete Isidor Hirschfelder in Zusammenarbeit mit dem Krefeld Frauenverein eine Mütterbratungsstelle und 1914 war es so weit: Auf der Petersstr. 71 in Krefeld wurde die Kinderklinik gegründet. Zwischen 1914 bis 1933 entstand so eine Kinderklinik auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. „Wir freuen uns sehr, dem ehrenden Andenken neben der Gedenktafel ein Gesicht zu verleihen, das an die einzigartige Bedeutung von Isidor Hirschfelder für die Krefelder Kinderheilkunde erinnert. Noch heute erzählen Großeltern aus der älteren Generation von seinem Charisma und seiner erfolgreichen Art und Weise Kinder zu behandeln“, bedankte sich Niehues, der auch das Grußwort von Kent Hirschfelder verlas – darin der Appell und Wunsch: „Wenn wir uns an Isidors Leben erinnern, wollen wir alle jeden Tag daran arbeiten, Hass und Vorurteile auszumerzen, Menschlichkeit zu praktizieren und ein Beispiel für andere zu geben, die Lehren des Holocaust zu lehren, damit «Nie wieder» Realität wird.“
Eine gern angenommene Herausforderung
Bildhauer Michael Franke machte sich Anfang 2020 beherzt ans Werk. „Die künstlerische Herausforderung war in der Tat das spärliche Fotomaterial. Es war ein langsames Herantasten, bis ich das Gefühl hatte, sein Wesen ansatzweise erfasst zu haben. Beim Modellieren entstand so ein Abbild von Herrn Dr. Hirschfelder, das ihn um einige Jahre jünger zeigt, als auf den alten, kleinen Fotos zu sehen“, berichtet der Erkelenzer von seiner Arbeit. Nach etwa drei Monaten war die Wachsbüste fertig für den späteren Bronzeguss. Diese wurde im Juli 2020 zusammen mit dem Sockel gegossen. „Das Modellieren hat mir viel Freude bereitet. Es war auch für mich spannend zu sehen, wie sich eine kleine zweidimensionale Vorlage in eine lebendige dreidimensionale Skulptur verwandelt. Nach zwei Jahren in meinem Atelier, ist es schön, die Büste heute an ihren Bestimmungsort zu übergeben.“
Pressekontakt:
Förderkreis Dr. Isidor-Hirschfelder e.V.
Dr. Olaf Richter
olaf.richter@krefeld.de