Nach einer zweitägigen Anreise ist das Ziel seiner Reise erreicht: Die HNO-Klinik in Kamerun in Zentralafrika, die Einzige im ganzen Land, die regelmäßig chirurgische Eingriffe durchführt. Bis zu 800 Patienten werden dort jährlich behandelt.
„Die Klinik hat mein Kollege Dr. Max Leßle mit großem Engagement und der Hilfe von Spenden in den letzten 15 Jahren aufgebaut. Sie besteht aus einem OP-Raum für kleinere Eingriffe unter Lokalanästhesie, Endoskopen, Mikroskopen, einem Ultraschallgerät und Möglichkeiten zur Hördiagnostik“, berichtet der Chefarzt. Direkt am ersten Tag erwarten ihn Patient:innen mit weit fortgeschrittenen Tumoren und Entzündungen, Schilddrüsen so groß wie Handbälle, mehrere Kilogramm schwer. Auch Kinder mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder mit Ertaubungserscheinungen hervorgerufen durch Chinin nach einer Malaria-Therapie.
Nach einer Woche steht dann der erste große Eingriff an – eine Tumor-OP des linken Unterkiefers, die außer Prof. Schultz niemand in ganz Kamerun hätte durchführen können. „Ohne maschinelle Beatmung konnten wir nach fünf Stunden die Operation erfolgreich beenden, “ erinnert sich der erfahrene HNO-Experte. „In dem ungewohnten Setting war auch ich tatsächlich nervös vor der OP, umso mehr haben wir uns im gesamten Team gefreut, dass alles nach Plan verlief. Ich bin tief beeindruckt, welche Erfolge möglich sind unter diesen spartanischen Voraussetzungen.“
Zusätzlich erhält das Team nun Unterstützung durch eine Anästhesistin aus Osnabrück. Sie optimiert die perioperative Versorgung, schult die anästhesiologischen Kolleg:innen vor Ort und bringt die dringend benötigten Verbrauchsmaterialien mit, um komplexere Narkosen durchführen zu können. „Das war natürlich ein echtes Highlight, besonders nachdem einige Kollegen mit Malaria mehrere Tage ans Bett gebunden waren“, so Prof. Schultz. Er selbst infiziert sich während seines Einsatzes zweimal trotz Prophylaxe. Da Malaria nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird, setzte er sein Tun fort, um in diesen Wochen so vielen Menschen wie möglich zu helfen. „Durch unsere Arbeit und den hervorragenden Ruf von Dr. Leßle kommen die Patientinnen und Patienten von weit her, teilweise über die Landesgrenzen hinweg, um hier operiert zu werden. Das ist ein großer Antrieb, die Zeit für Hilfesuchende hier voll zu nutzen“, so der Chefarzt.
Nach vier Wochen endet seine Zeit in Kamerun. Mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck geht es auf die mehrtägige Rückreise – viel Zeit, um Gedanken zu ordnen. „Mich berühren die Schicksale der Menschen sehr, wie das des kleinen Junge mit einem chronischen beidseitigen Paukenerguss, der aufgrund seiner Schwerhörigkeit nie sprechen gelernt hat, obwohl die Therapie so denkbar einfach gewesen wäre, zumindest in unseren Breiten“ so der zweifache Vater. „Die Reise war für mich sehr lehrreich und relativiert meine leistungsorientierte Denkweise und die Probleme unseres westlichens Gesundheitswesens. Vor allem die große Dankbarkeit der Menschen vor Ort wird mir immer in Erinnerung bleiben.“