Herr Dr. Korebrits, war die Kindererziehung vor Beginn der Pandemie einfacher?
Einfacher sicher nicht, aber wer da schon überfordert war, für den hat sich die Situation seit Anfang 2020 erheblich verschlimmert. Andere wiederum, die es gut machten, standen vor den Herausforderungen durch Homeoffice, Homeschooling, Isolation oder dem Abbruch von sozialen Kontakten.
Welche Folgen hat das für die junge Generation?
Das ist noch nicht abschätzbar. Ich befürchte aber, dass sich das Ergebnis dessen langfristig in vielen Krankheitsbildern abzeichnen wird. Aktuell sehen wir, dass Kinder kränker als üblich und immer öfter äußerlich und mental vernachlässigt zu uns in die Klinik kommen. Gerade für Kinder aus sozial schwachen Familien waren die letzten zwei Jahre eine gigantische Erfahrung. Sie besitzen kaum Struktur im Leben, können nicht wirklich zuhören, so zumindest erlebt es unser Therapieteam.
Betrifft das nur die sozial Schwachen?
Dieses Problem trifft alle Schichten der Gesellschaft. Nehmen Sie zum Beispiel den Schulbetrieb, der durch Corona komplett aus den Fugen geraten ist. Auch wenn sich die Situation wieder etwas beruhigt, der Stress ist geblieben. Vor allem für jene, die in diesem Jahr Prüfungen ablegen mussten. Verglichen mit 2019 ist das eine komplett andere Sachlage. Seit dieser Zeit sind Bildungslücken entstanden, die nicht alle Jugendlichen schließen können.
Bedingt durch das Homeschooling nahm während der Pandemie der Internetkonsum vieler Kinder erheblich zu.
Das ist richtig. Hier sind einmal mehr die Eltern gefragt. Sie müssen das Internetverhalten der Kinder im Blick behalten, wenn nötig einschreiten und einschränken. Allerdings setzt das auch eigene Vorbildwirkung voraus.
Was sollten Eltern ihrer Ansicht nach bei der Erziehung ihrer Kinder beachten?
Heutzutage ein Kind zu erziehen, gleicht einer Mammutaufgabe. Themen, die Erwachsene beschäftigen, wie etwa der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine oder die steigenden Preise beim Einkauf oder für Strom, Benzin und Gas, kommen zwangsläufig auch bei den Kindern an. Umso wichtiger ist ein intaktes Familienleben. Miteinander reden, gemeinsame Unternehmungen helfen ebenso wie die Kinder und Jugendlichen ernst zu nehmen mit ihren Ängsten. Zudem sehe ich aber auch den Staat und die Sozialarbeit stärker als bisher gefordert.
Herr Dr. Korebrits, vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Andries Korebrits ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Helios Park-Klinikum Leipzig. Gemeinsam mit seinem Team behandelt er seelisch und psychosomatisch erkrankte Kinder und Jugendliche. Im Umgang mit dem Leben der Heranwachsenden appelliert der Fachmann an die Eltern, Vorbild zu sein. Dies betrifft den Medien- und Genussmittelkonsum ebenso wie das soziale Verhalten. Noch wichtiger ist ein ehrliches Vertrauen miteinander, um eine stabile Beziehung aufrechtzuerhalten.