In unserem Fokusthema Migräne beantwortet Dr. Martin Bästlein, Chefarzt der Neurologie, die fünf wichtigsten Fragen zum Thema Migräne.
1. Wie häufig tritt Migräne in der Bevölkerung auf und welche Personengruppen sind besonders betroffen?
„Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Etwa 10-15 % der Bevölkerung sind betroffen, Frauen etwa dreimal häufiger als Männer. In der Regel beginnt die Migräne im Jugend- und im frühen Erwachsenenalter, kann aber auch Kinder betreffen. Insbesondere bei Schülern ist eine Zunahme von Migräne zu beobachten. Begünstigende Faktoren sind beispielsweise Stress oder auch hormonelle Schwankungen, erfreulicherweise ist in einer Schwangerschaft die Migräne seltener. Patienten berichten häufig über eine Zunahme bei Wetterwechsel.“
2. Welche verschiedenen Formen von Migräne gibt es und wie unterscheiden sich diese in ihren Symptomen?
„Die häufigsten Formen sind die einfache Migräne (70-80 %) und die Migräne mit Aura (20-30 %). Bei der einfachen Migräne treten starke, oft einseitig und pulsierende Kopfschmerzen auf, begleitet von Übelkeit und oder Erbrechen und Lärm- und Lichtempfindlichkeit. Die Symptomatik nimmt häufig bei körperlicher Aktivität zu. Bei der Migräne mit Aura treten oft vor den Kopfschmerzen neurologische Symptome, wie flimmernde Sehstörungen, Gesichtsfeldausfälle, Missempfindungen, Sprachstörungen oder dergleichen auf. Diese Symptome sind Schlaganfallsymptomen vergleichbar und bedürfen beim ersten Mal einer weiteren Abklärung. Es gibt auch seltenere Formen der Migräne, wie die chronische Migräne, die vestibuläre Migräne (mit Schwindel) oder die hemiplegische Migräne mit ausgeprägten Lähmungen.“
3. Welche aktuellen Behandlungsmöglichkeiten stehen im Akutfall zur Verfügung, sowohl medikamentös als auch nicht medikamentös?
„Als nicht-medikamentöse Maßnahmen beim Migräneanfall sind – auch bei Kindern und Jugendlichen - häufig ein kaltes Tuch auf der Stirn und Ruhe hilfreich, auch Schlaf ist in diesem Alter ausgesprochen gut wirksam.
Medikamentös werden in der akuten Behandlung Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol oder Aspirin erfolgreich eingesetzt, Letzteres nicht bei Kindern. Bei mittelstarken bis starken Migräneattacken können spezifische Migränemedikamente, sogenannte Triptane verwendet werden.“
4. Gibt es präventive Maßnahmen, die Migräneanfälle verhindern oder zumindest reduzieren können?
„In der Prophylaxe werden nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie Entspannungstechniken (Meditation, progressive Muskelrelaxation), regelmäßiger Schlaf, und Ausdauersport erfolgreich angewendet. Auch eine gesunde Ernährung kann die Häufigkeit und Intensität der Anfälle deutlich verringern. Dazu zählt auch die Vermeidung von auslösenden Faktoren wie Alkohol oder auch Flüssigkeitsmangel. Patientinnen und Patienten sollten auf eine ausreichende Trinkmenge pro Tag achten sowie auf ein regelmäßiges Frühstück.
Eine medikamentöse Vorbeugung kann beispielsweise mit Betablockern und Antidepressiva, sowie spezifischen, sog. CGRP-Antikörpern eingeleitet werden. Ziel ist jeweils eine Reduktion der Migränefrequenz, der Kopfschmerzdauer und -intensität.“
5. Wie sehen die Erfolgsaussichten für Betroffene aus – kann Migräne langfristig geheilt oder effektiv kontrolliert werden?
„Migräne ist leider nicht heilbar, aber durch moderne Therapieansätze gut behandelbar. Viele Betroffene erleben mit der richtigen Kombination aus Medikamenten und Lebensstiländerungen eine deutliche Reduktion der Anfälle. Das dazu benötigte Wissen über Kopfschmerzerkrankungen sollte nach meiner Ansicht bereits in der Schule vermittelt werden, um einer Chronifizierung vorzubeugen. Insgesamt hängt der Therapieerfolg stark von der individuellen Anpassung der Behandlung beispielsweise durch einen Neurologen und der konsequenten Umsetzung präventiver Maßnahmen ab.“