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Experte im Sommerinterview: Magen-Darm-Beschwerden als Corona-Spätfolgen

Die meisten von uns überstehen eine Corona-Erkrankung ohne spürbare Folgen. Immer mehr Menschen leiden allerdings auch unter Post-Covid-Symptomen. Besonders Magen-Darm-Beschwerden machen vielen Betroffenen auch lange nach einer überstandenen Covid-Infektion noch zu schaffen. 

30. Juli 2024
Experte im Sommerinterview: Magen-Darm-Beschwerden als Corona-Spätfolgen

Dr Jürgen Tudyka ist Chefarzt für Innere Medizin und Gastroenterologie sowie Ärztlicher Direktor der Helios Klinik München Perlach. Er behandelt regelmäßig Post-Covid-bedingte Verdauungsprobleme und kennt den aktuellen Stand der Forschung zu Ursachen, Symptomen und Risikofaktoren.

Herr Dr. Tudyka, Post-Covid ist in aller Munde. Wie häufig klagen Patientinnen und Patienten nach einer Covid-Infektion über Verdauungsprobleme?

Dr. Tudyka: Nach meiner Erfahrung klagt etwa jeder fünfte bis zehnte Patient über fortbestehende oder neu aufgetretene Verdauungsbeschwerden im Verlauf nach einer überstandenen Covid-Infektion. Manchmal verschlechtern sich auch vorbestehende Erkrankungen. Wenn diese Symptome 12 Wochen nach Infektionsbeginn anhalten und mindestens zwei Monate bestehen, sprechen wir vom „Post-Covid-Syndrom“ oder PCS. Dabei müssen wir sicherstellen, dass keine anderen Erkrankungen die Ursache sind.

Welche Art von Magen-Darm-Beschwerden treten typischerweise nach einer Covid-Infektion auf?

Dr. Tudyka: Die Beschwerden können die Lebensqualität und Alltagsfunktion erheblich beeinträchtigen und wirken sich negativ auf das soziale Umfeld und das Arbeitsleben aus. Die Symptome betreffen oft verschiedene Organe. Besonders häufig ist es eben der Magen-Darm-Trakt. Betroffene berichten über Übelkeit, Sodbrennen, Durchfall, manchmal sogar blutigen Stuhlgang, Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen. Diese Symptome können dauerhaft oder phasenweise auftreten.

Was sind die Ursachen für diese langanhaltenden Magen-Darm-Beschwerden nach einer Covid-Infektion?

Dr. Tudyka: Die Beschwerden entstehen durch verbleibende Viren oder Virusbestandteile in den Zellen der Magen-Darmschleimhaut, besonders im unteren Dünndarm. Dies führt zu einer lang anhaltenden Zellschädigung und Entzündung der Schleimhaut sowie gestörter Darmtätigkeit. Viele Patienten entwickeln auch Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln, die entweder seit der Infektion oder danach auftreten. Diese Unverträglichkeiten sind meist keine typischen allergischen Reaktionen oder durch Enzymmangel bedingt, sondern durch eine vorübergehende Störung des Darmmikrobioms und eine erhöhte Abwehraktivität der Darmschleimhaut ausgelöst. Je stärker die Covid-Infektion war, desto ausgeprägter sind die Veränderungen der Mikroorganismen im Verdauungstrakt. Zudem konnten wir bei PCS-Patienten erhöhte Entzündungszeichen im Blut nachweisen.

Gibt es bestimmte Risikofaktoren für Magen-Darm-Beschwerden nach einer Covid-Infektion?

Dr. Tudyka: Ja, es gibt einige Risikofaktoren. Frauen, Menschen mittleren Alters, stark übergewichtige Personen, Patienten mit Diabetes mellitus, Lungenerkrankungen, Bluthochdruck und psychischen Vorerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko. Auch eine schwere Covid-Infektion mit hoher Viruslast, begleitendem Durchfall und ungeimpfte Personen mit multiplen Beschwerden zeigen ein höheres Risiko für länger anhaltende Beschwerden.

Was möchten Sie Betroffenen noch auf den Weg mitgeben?

Dr. Tudyka: Suchen Sie sich bei anhaltenden Beschwerden ärztlichen Rat. Am besten dort, wo es einen Behandlungsschwerpunkt für post-Covid-Beschwerden im Magen-Darm-Trakt gibt, wie hier bei uns in der Helios Klinik München Perlach. Eine frühzeitige Diagnostik und Behandlung können helfen, die Lebensqualität wieder deutlich zu verbessern. Und natürlich bleibt die Vorbeugung durch Impfung ein wichtiger Schritt, um schwerwiegende Verläufe und mögliche Langzeitfolgen zu vermeiden.