Eine große Wunde am Kopf in Folge einer Hautkrebs-OP ist für Betroffene belastend. „Bei besonders großen Hauttumoren im Kopfbereich ist die Wundheilung eine komplexe und monatelang dauernde Herausforderung“, erklärt Dr. Alexandros Paschos, Leitender Oberarzt Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen. „Das neue Verfahren mit Kabeljau-Haut ist für unsere Patient:innen eine echte Innovation und schenkt Lebensqualität.“
Vom Nordatlantik in den OP-Saal
Bei dem Verfahren wird Fischhaut vom Nordatlantischen Kabeljau (Gadus morhua) zur Wundheilung eingesetzt. Dafür werden dünne Hautschichten von frisch gefangenem Kabeljau in Speziallaboren für den medizinischen Einsatz aufbereitet und im Krankenhaus auf eine Wunde am menschlichen Körper transplantiert. In einem 30 bis 45-minütigen Eingriff in Lokalanästhesie wird die Kabeljau-Haut für die individuelle Wunde angepasst, das Transplantat mit der Kopfhaut vernäht und alles mit einer nässenden Kompresse abgedeckt. Nach sieben bis zehn Tagen bildet sich neues Kollagen aus der menschlichen und der Fischhaut.
Fischhaut bietet Patient:innen viele Vorteile
„Die Idee, tierische Haut zum Beispiel vom Rind zur Hauttransplantation einzusetzen, ist nicht neu“, erläutert Dr. Paschos. Hauttransplantate von Säugetieren müssen jedoch einen sehr aufwendigen Aufbereitungsprozess durchlaufen, um das Krankheitsübertragungsrisiko und Abstoßung zu vermeiden. Eine Transplantation von körpereigenen Hautlappen auf den tumorbedingten Defekt bedeutet wiederum eine zweite Wunde, ein zweiter potenzieller Infektionsherd und auch eine zweite Narbe am Körper. Diese Nachteile hat das innovative Verfahren mit Fischhaut nicht.
Der Dermatologe erklärt: „Kabeljau-Haut ist in der Struktur und Porung sehr ähnlich zur menschlichen Oberhaut. Gleichzeitig gibt es keine bekannten übertragbaren Krankheiten vom Fisch auf den Menschen. Dadurch kann die medizinische Aufbereitung schonender erfolgen und die für die Wundheilung wichtigen Eigenschaften bleiben erhalten.“ Etwa wirken die für Fisch typischen Omega-3-Fettsäuren antientzündlich und epithelisierend, fördern also die Gefäßneubildung. Ein täglicher, meist schmerzhafter Wechsel der Wundauflage, wie bei herkömmlichen Wundtherapien üblich, ist bei Fischhauttransplantationen nicht erforderlich. Erste Erfahrungen zeigen, dass deshalb mit Fischhaut vor allem tiefe und chronische Wunden besser und schneller heilen. In der Oberhausener Hautklinik konnten bisher 15 Patient:innen von dem innovativen Verfahren profitieren.
Einer von Ihnen ist Dr. Franz Robertz. Im Oktober bemerkte der Essener eine auffällige Wölbung an seinem Kopf. Seine Hautärztin schickte ihn in die spezialisierte Hautklinik der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen, dort wurde der Befund bestätigt: ein bösartiges Atypisches Fibroxanthom, eine seltene Hautkrebs-Form. In zwei Operationen wurde der Knoten inklusive eines 1cm großen Sicherheitsabstandes chirurgisch entfernt und hinterließ eine 7x5cm große und bis zum Schädelknochen tiefe Wunde. Als das Oberhausener Behandlungsteam ihm dann eine Kabeljau-Haut zur Wundheilung vorschlug, war der Essener zunächst überrascht. „Aber die Vorteile haben mich überzeugt“, erinnert sich der Patient. Drei Tage später erfolgte der Eingriff – mit Erfolg. Die Behandlung schlug an, die Wundheilung trat ein. Es folgten zweimal wöchentlich ambulante Termine in der Wundsprechstunde. Heute, wenige Wochen nach dem Eingriff, ist die Wunde nahezu verheilt und es kam zu keiner Infektion. „Bei einer so großen Wunde, mit meinem Diabetes und der damit verbundenen Wundheilungsstörung ist das ein echtes Wunder“, sagt Dr. Robertz. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und dem Team um Dr. Paschos sehr dankbar.“