Ich habe Schmerzen, möchte aber nur sehr ungerne Schmerzmittel nehmen, da ich gehört habe, dass zu viele davon schädlich sind. Ist das richtig?
Dr. Markus Neef: Grundsätzlich müssen Vor- und Nachteile einer Medikamenten-Therapie immer gegeneinander abgewogen werden. Schmerzen sind eine sehr belastende Körperempfindung, die zu starker psychischer Belastung führt. Schmerzen zu reduzieren ist deshalb sehr nützlich und ein wichtiges Therapieziel - unabhängig von der Behandlung der Ursache. Gleiches gilt für die Vermeidung von schmerzbedingten Krankheitskomplikationen. Bei einer Rippenfellentzündung zum Beispiel trägt es sehr zur Heilung bei, wenn die Atmung nicht durch Schmerzen eingeschränkt ist.
Demgegenüber stehen die unerwünschten Wirkungen von Schmerzmitteln. Grundsätzlich können sie - wie alles, was man zu sich nimmt - schlecht verträglich sein und zum Beispiel Übelkeit und Bauchschmerzen auslösen. Einfache Schmerzmittel, wie Paracetamol oder Ibuprofen, sind aber meistens gut verträglich. Die von vielen Menschen befürchtete Schädigung von Magen, Leber oder Nieren tritt bei diesen Medikamenten erst auf, wenn sie zu hoch dosiert oder zu lange eingenommen werden. Nutzen und Risiko stehen hier also meist in einem guten Verhältnis.
Starke Schmerzmittel vom Morphin-Typ, sogenannte Opioide, aktivieren den körpereigenen Mechanismus zur Schmerzreduktion. Dieser ist unter dem Schlagwort ‚Endorphine‘ allgemein bekannt. Schmerztherapien mit diesen Medikamenten beruhen also auf einem natürlichen Prinzip und sind sehr effektiv. Unerwünschte Wirkungen kommen hier häufiger vor, weil verschiedene Teile des Gehirns und auch andere Organe mit diesem System verbunden sind. Typisch sind Müdigkeit und Konzentrationsstörungen, die jedoch meist nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Wegen ihrer hemmenden Wirkung auf die Darmbeweglichkeit muss eine längere Therapie mit Opioiden immer mit einer Unterstützung des Darms einhergehen.
Generell lässt sich sagen: Starke Schmerzen sollten immer behandelt werden. Das ‚Aushalten‘ von Schmerzen, um Schmerzmittel zu vermeiden oder einzusparen ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen - kein medizinisch sinnvolles Konzept.
Kann ich von Schmerzmitteln auf Dauer abhängig werden?
Dr. Markus Neef: Diese Sorge haben viele Patientinnen und Patienten. Und auch bei Ärzt:innen und Pflegenden ist sie verbreitet. Dabei spricht die praktische Erfahrung sehr dagegen. Wichtig ist, dass eine Schmerztherapie wieder beendet wird, wenn die Ursache vorbei ist. Dann kann keine psychische Abhängigkeit entstehen. Die Angst vor der Opiat-Abhängigkeit und ihren schlimmen psychischen Folgen stammt ja aus den Bereichen, in denen Opioide entweder nicht korrekt oder – missbräuchlich - gar nicht zur Schmerztherapie eingesetzt werden.
Wenn ich einmal Schmerzmittel nehme, brauche ich dann mit der Zeit nicht eine immer höhere Dosis?
Dr. Markus Neef: Auch das ist eine häufige, aber meist unbegründete Befürchtung. Denn der Schmerz ist sogar auf molekularer Ebene der direkte Gegenspieler des Schmerzmittels und umgekehrt, sodass im Idealfall ein Gleichgewicht eintritt. Wenn einmal eine wirksame Schmerzmitteleinstellung vorgenommen wurde, kann diese meistens mit der gleichen Dosierung fortgeführt werden. Wenn der Bedarf an Schmerzmitteln immer weiter steigt, sollte die Therapie auf jeden Fall überprüft werden.
Herr Dr. Neef, vielen Dank für das Gespräch.