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Hintergrundwissen zum Maßregelvollzug

Die Forensische Psychiatrie am Helios Hanseklinikum Stralsund ist eine von drei Einrichtung des Maßregelvollzugs in Mecklenburg-Vorpommern.

Nicht jeder Mensch, der eine Straftat begeht, kann dafür strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, denn eine Bestrafung des Täters setzt voraus, dass der Betreffende für sein Tun voll verantwortlich, das heißt schuldfähig ist.

 

Bei psychisch kranken oder suchtkranken Menschen kommt es vor, dass Gutachter sie nach sorgfältiger Abwägung der Persönlichkeit und der Tatumstände als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig im Sinne der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches (StGB) ansehen.

 

Für diese Menschen ordnet der Richter die Unterbringung in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs an, um sie in einer Fachklinik der forensischen Psychiatrie mit hohen Sicherheitsvorkehrungen zu therapieren und zu resozialisieren. Gerade die Verbindung von sicherer Unterbringung einerseits und der therapeutischen Arbeit mit dem Patienten andererseits ist für den Maßregelvollzug prägend und soll einen dauerhaften Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten gewährleisten.

In der Forensischen Klinik Stralsund werden Straftäter behandelt, die an psychischen Krankheiten wie Psychosen oder schweren Persönlichkeitsstörungen leiden. Auch Patienten mit hirnorganischen Störungen und unterdurchschnittlicher intellektueller Funktion sind im Maßregelvollzug untergebracht.

Krankheitsbilder und Erklärungen

Das ist eine seelische Störung, eine Geistes- oder Nervenkrankheit. Bei den Betroffenen finden sich Veränderungen im Denken, im Fühlen und im Verhalten. Sie können ihre Umwelt nicht richtig wahrnehmen oder die Wahrnehmung nicht richtig verarbeiten. Andererseits kann es sein, dass sie nichtreale Dinge wahrnehmen: Sie hören beispielsweise Stimmen.

Darunter versteht man abnorme Persönlichkeitsentwicklungen, sexuelle Abweichungen, Suchterkrankungen sowie psychosomatische Krankheiten. Persönlichkeitsstörungen entwickeln sich in der Regel bereits in der frühesten Kindheit und Jugend.

 

Es sind Fehlentwicklungen, die zu stabilen Abweichungen im Denken und Verhalten eines Menschen führen. Häufig sind ungünstige Familiensituationen oder schwere Traumatisierungen wie sexueller Missbrauch Ursache einer solchen Entwicklung.

Dieses sind organische Veränderungen am Gehirn, die durch Unfälle oder durch Sauerstoffmangel vor oder während der Geburt entstehen können. Sie werden als Ursache psychischer Störungen angesehen.

 

Aber auch Infektionskrankheiten oder schwere Kopfverletzungen können Veränderungen am Gehirn hervorrufen und psychische Störungen auslösen. Drogen- und alkoholabhängige Patienten werden im Land Mecklenburg-Vorpommern in der Forensischen Klinik in Rostock behandelt. 

Gesetzliche Voraussetzungen nach Strafgesetzbuch (StGB) und Strafprozessordnung (StPO)

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.

Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(1) Hat jemand den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und er wird wegen einer rechtswidrigen Tat, die er im Rausch begangen hat oder die auf seinen Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, wenn die Gefahr besteht, dass er infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

 

(2) Die Anordnung unterbleibt, wenn eine Entziehungskur von vornherein aussichtslos erscheint.

 

Therapieziele, Therapiedauer, Nachsorge

Die Maßregel hat zwei Ziele: Besserung und Sicherung. Das bedeutet: Die Patienten lernen in unserer Klinik ihre Störungen zu akzeptieren und zu beherrschen, sie erlernen neue Verhaltensweisen, um später ein straffreies Leben zu führen und in die Gesellschaft eingegliedert werden zu können.

 

Niemand kann zur Behandlung gezwungen werden. Die Unterbringung erfolgt für alle Patienten unter strengen Sicherheitsbedingungen. In der Forensischen Klinik Stralsund werden die Betroffenen auf verschiedenen Stationen behandelt. Entscheidend ist nicht das Unterbringungsdelikt, sondern die Störung.

 

Auf den Therapiestationen leben die Patienten in Wohngruppen zusammen. Hier ist es Ziel, dass sie so weit wie möglich den ganz normalen Alltag erlernen: das pünktliche Aufstehen am Morgen, für das tägliche Essen zu sorgen, die Wäsche zu waschen, ihr Zimmer und die Station in Ordnung zu halten und ihre Freizeit zu gestalten.

 

Dies ist notwendig, da psychisch kranke Rechtsbrecher in ihrem bisherigen Leben nur selten eine klare Tagesstruktur erlebt haben. Sie haben oftmals keine Verhaltensregeln erlernt, die für gesunde Menschen ganz selbstverständlich sind. Eingebettet in diese Tagesstruktur sind sämtliche Therapieangebote.

 

Zur Behandlung der Krankheitsbilder werden - wie in allgemeinpsychiatrischen Kliniken auch - häufig Medikamente eingesetzt. Nicht immer führt diese Behandlung zum Erfolg, die Krankheit kann aber abhängig vom Schweregrad oft gebessert werden. In der Gruppen- und Einzeltherapie erfolgt mit den Patienten eine Erarbeitung von Zusammenhängen zwischen ihren Erkrankungen und den von ihnen begangenen Straftaten, um unter Berücksichtigung der persönlichen Stärken des Patienten Faktoren und Strategien abzuleiten, die das Risiko neuer Straftaten reduzieren.

 

Die notwendigen Fertigkeiten werden im weiteren Behandlungsverlauf eingeübt und erprobt. Wesentliche Schwerpunkte sind die Übernahme von Verantwortung, die Wahrnehmung und das Ausdrücken von Gefühlen und die gewaltfreie Bewältigung von Frustrationen und Konflikten untereinander.

 

Zusätzlich unterstützt wird das Erreichen dieser Behandlungsziele über Therapieformen, wie Ergotherapie und Arbeitstraining, Sport-, Musik-, Tanz- und Bewegungstherapie.

 

Die gesetzliche Grundlage für die Ausgestaltung der Unterbringung bildet das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (Psychischkrankengesetz – PsychKG M-V) in seiner jeweils gültigen Fassung. Bei Tätern, die nach § 126a StPO vorläufig in der Klinik untergebracht sind, steht der Sicherungsauftrag im Vordergrund.

 

Es erfolgt noch keine reguläre Behandlung. Allerdings sind bei Erfordernis eine medikamentöse Therapie wie auch stützende Gespräche mit Psychotherapeuten möglich. Komplementäre Therapieangebote (z.B. Ergo-, Sporttherapie) werden bei entsprechender Kapazität zur Tagesstrukturierung angeboten.

Im Gegensatz zum Strafvollzug ist die Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung von vornherein nicht zeitlich befristet. Ein verurteilter Straftäter weiß genau, wann er aus der Haft entlassen wird. Ein psychisch kranker Rechtsbrecher weiß es nicht. Lockerungen werden einzig und allein an individuellen Therapiefortschritten gemessen.

 

Voraussetzung für die Gewährung von Lockerungen ist, dass der Patient einschätzbar ist und sich mit seiner Krankheit wie auch seinem Delikt auseinander gesetzt hat. Die Lockerungen können nach folgenden Stufen gewährt werden:

 

Stufe 1: Ausführung eines Patienten unter Aufsicht von mindestens zwei Mitarbeitern der Klinik.

Stufe 2: Ausführung unter Aufsicht eines Mitarbeiters der Klinik

Stufe 3: Gruppenausführung von bis zu drei Patienten unter Aufsicht mindestens eines Mitarbeiters der Klinik.

Stufe 4: Ausgang in Begleitung eines Mitarbeiters der Klinik und/ oder eines geeigneten Dritten.

Stufe 5: Gruppenausgang bis zu vier Patienten in Begleitung mindestens eines Mitarbeiters der Klinik und/ oder eines geeigneten Dritten.

Stufe 6: Ausgang bis zu sechs Stunden.

Stufe 7: Tagesausgang (d.h. Verlassen der Klinik für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Kalendertages). Diese Stufe umfasst auch den Fall, dass der Patient die Klinik an bestimmten Tagen regelmäßig verlässt, um einer Beschäftigung nachzugehen oder an einer arbeitstherapeutischen Maßnahme teilzunehmen.

Stufe 8: Kurzurlaub bis zu drei Tagen (d.h. Übernachtung außerhalb der Klinik an bis zu drei aufeinanderfolgenden Tagen).

Stufe 9: Urlaub bis zu zwei Wochen

Stufe 10: Langzeiturlaub über zwei Wochen (z.B. Probewohnen)

 

Die Anbindung an das medizinisch-therapeutische Personal bleibt dabei bestehen.

 

Nicht ein Therapeut oder Krankenpfleger allein entscheidet über eine Lockerung: Zunächst berät das gesamte Behandlungsteam über einen derartigen Schritt. Eine weitere Fachgruppe, die nicht mit dem Patienten arbeitet, überprüft die Einzelentscheidungen des Behandlungsteams. Sie kann bei der Kontrolle auch zu einem anderen Ergebnis als die Behandler kommen.

 

Erfolg und Dauer der Maßregel hängen allein von der Mitarbeit des einzelnen ab. Im Durchschnitt bleibt ein Patient derzeit knapp acht Jahre in einer Forensischen Klinik. Es gibt allerdings auch Patienten, die bereits mehr als zehn Jahre in der Einrichtung leben. Etwa acht Prozent aller seelisch gestörten Straftäter sind mit den heutigen Methoden nicht zu therapieren. Diese Menschen bleiben hinter den Klinikmauern.

Verschiedene Lockerungsstufen, von der Ausführung bis hin zum unbeaufsichtigten Ausgang und der zeitlich befristeten Beurlaubung stehen vor der bedingten Entlassung. Nur wenn ein Patient sämtliche Schritte ohne Zwischenfälle meistert und große therapeutische Fortschritte gemacht hat, werden ihm weitere Freiheiten gewährt.

 

Im Idealfall findet der Betroffene schnell eine Wohneinrichtung, die bereit ist, ihn aufzunehmen. Bereits während eines Urlaubs leitet der Patient, unterstützt von seinen Therapeuten, die wichtigsten Schritte für seine Rückkehr in den Alltag draußen ein. Gerade die ersten Schritte allein in der Freiheit bergen für den Entlassenen das Risiko, erneut Straftaten zu begehen.

 

Deshalb sind Nachbehandlung und Betreuung eines Patienten durch verschiedene Organisationen und Einrichtungen sowie ambulante Therapeuten von großer Bedeutung. Dort soll der entlassene Patient Ansprechpartner finden, die ihm zur Seite stehen. Über die bedingte wie auch die endgültige Entlassung aus dem Maßregelvollzug entscheidet ein Gericht.

 

Es kann den Betroffenen in dieser Übergangsphase zum Beispiel anweisen, den Wohnort nicht ohne Zustimmung zu wechseln oder zu verlassen, sich regelmäßig in medizinische Behandlung zu begeben oder keine Tätigkeiten auszuüben, die er zu Straftaten missbrauchen könnte. Das Gericht ordnet zudem Führungsaufsicht an. Sie dauert mindestens zwei und höchstens fünf Jahre. In bestimmten Fällen kann sie auch unbefristet angeordnet werden. Das Gericht hebt die Führungsaufsicht auf, wenn keine neuen Straftaten mehr erwartet werden.