Sich mit den eigenen Lebens- und Essgewohnheiten auseinander zu setzen wird als wahre Bereicherung erlebt. Auch unser Körper und unsere Gesundheit können von einer Zeit des Verzichts stark profitieren. So steht bei Fastenkuren, bei denen über einen definierten Zeitraum völliger oder teilweiser Nahrungsmittelverzicht geübt wird, die Regeneration und Entgiftung des Körpers im Fokus. Eine solche Fastenkur trägt auch bei vielen Krankheiten nachweislich zu einer Besserung bei - etwa bei rheumatoider Arthritis.
Für Dr. Thomas Häupl, Rheumatologe in der Helios Fachklinik Vogelsang-Gommern, kann Fasten deshalb ein effektiver Baustein im Therapieplan seiner Patient:innen sein. Im Interview spricht er über die positiven Effekte des Fastens und gibt Tipps zur richtigen Fastenkur.
Normalerweise nehmen wir mit dem Essen stetig Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße auf und scheiden Abfallstoffe aus. Idealerweise stehen Aufnahme und Abgabe im Gleichgewicht. Mitunter essen wir aber zu viel und stören dieses Gleichgewicht. Wir belasten unseren Körper mit Speicherstoffen wie Fett an der falschen Stelle oder häufen Schadstoffe aus ungesunder Nahrung an.
Wenn wir nun fasten, legen wir praktisch den Rückwärtsgang ein. Wir schränken die Nahrungszufuhr stark ein und aktivieren den Stoffwechsel, der das Zuviel an Speicherstoffen mobilisiert. Damit werden auch die falsch abgelagerten Fette und die Schadstoffe wieder in den Kreislauf gebracht und letzten Endes aus dem Körper entfernt.
Geeignet ist Fasten mehr oder weniger bei jedem Menschen, um eine Verbesserung des Allgemeinbefindens zu erreichen. Es gibt jedoch einige Situationen und Vorerkrankungen, bei denen sich Interessierte von ihrem Arzt beraten lassen sollten, wenn sie eine Fastenkur ausprobieren wollen. Da Fasten einige Stoffwechselsituationen wie den Blutzuckerspiegel verändert, sollten beispielsweise Diabetiker aufpassen. Auch Patienten, die an einer Gicht leiden, haben eine erhöhte Gefahr, mit einem Gichtanfall auf eine Fastenzeit zu reagieren. Beim Fasten nimmt zudem der Blutdruck regelmäßig ab. Deshalb empfehle ich auch Patienten mit erhöhtem Blutdruck, die Medikamente dagegen erhalten, sich vorher ärztlich beraten zu lassen.
Schwangere oder Patienten mit einer fortgeschrittenen Herzschwäche sollten von einer Fastenkur eher Abstand nehmen.
Aus medizinischer Sicht sehe ich großes Potenzial im Fasten und in diätetischen Maßnahmen insbesondere bei den entzündlichen Gelenkerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis und anderen einschließlich der reaktiven Arthritis. Auch bei Krankheiten, die bislang weitgehend ungeklärt sind und für die ein veränderter Stoffwechsel bereits bekannt ist, ob generell im Körper oder in bestimmten Organen, kann Fasten sich als hilfreich erweisen.
Ja! In den letzten 10 bis 15 Jahren wurden immer mehr Untersuchungen durchgeführt, um die Darmflora des Menschen besser zu verstehen. Bei zahlreichen Erkrankungen wurden Veränderungen beschrieben und nicht wenige gehören dazu, bei denen Menschen durch Fasten einen positiven Effekt beobachtet haben. Das kann bei dermatologischen Erkrankungen wie der Neurodermitis oder bei neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Demenz Erkrankungen und Migräne von Bedeutung sein. Aber auch bei Stoffwechselstörungen wie dem metabolischen Syndrom mit Bluthochdruck, erhöhten Blutfetten und entgleistem Zuckerhaushalt wird empfohlen zu fasten beziehungsweise Diät einzuhalten. Schließlich sind auch Erkrankungen des Darms wie das Reizdarmsyndrom oder auch entzündliche Darmerkrankungen bedeutsam. Auch die Leber scheint davon zu profitieren und sich zu regenerieren.
Generell lässt sich sagen, wer fastet und bei seiner Erkrankung dadurch eine Verbesserung verspürt, sollte sich mehr mit seinem Essverhalten auseinandersetzen und versuchen, Nahrungsmittel auszuwählen, die zu einem Rückgang der Symptome führen.
Bei der rheumatoiden Arthritis ist bekannt, dass Fasten einen günstigen Effekt hat. Dazu haben wir bereits intensive Studien durchgeführt.
Sicher ist hier die beim Fasten erfolgende Entgiftung für die entzündeten Gelenke nicht unbedeutend. Auch wird ein Prozess diskutiert, der beim Fasten durch Phasen mit Hunger und Unterzuckerung entsteht: das ist die Ausschüttung des Stresshormons Cortison. Wir wissen, dass Cortison beziehungsweise Steroide eine starke entzündungshemmende Wirkung besitzen, die wir bei diesen Gelenkerkrankungen auch als Medikamente einsetzen. Beim Fasten ist diese vom Körper freigesetzte Menge jedoch viel zu klein, um die beobachteten Effekte zu erklären. Was aber viel bedeutender ist: Nicht nur wir Menschen erhalten beim Fasten zu wenig Energie und Nährstoffe, sondern auch unsere Darmflora und darin vorkommende schädliche Keime.
Wenn wir diesen Effekt noch verstärken und durch eine optimale Reinigung des Darms zu Beginn des Fastens ergänzen, dann führt das nachfolgende Fasten über eine Woche mit weniger als 250kcal pro Tag zu einer raschen Verbesserung des Krankheitsbildes bei mehr oder weniger allen Patienten mit dieser Erkrankung! Insbesondere verringern sich Entzündungsfaktoren, die für das Krankheitsbild typisch sind. Wir müssen sogar davon ausgehen, dass bei diesem Krankheitsbild die Ursache im Darm sitzt in Form von einer Fehlbesiedelung! Bei einer günstigen Auswahl von Nahrungsmitteln nach dem Fasten kann diese Verbesserung über lange Zeit stabil gehalten werden.
Die ideale Fastenkur schlechthin gibt es sicherlich nicht. Es hängt von der Situation ab, unter der gefastet werden soll, also berufsbegleitend oder im Rahmen eines Urlaubs, und natürlich auch von der Erkrankung. Nicht jeder Patient reagiert gleich.
Fasten können wir periodisch, das heißt zum Beispiel eine ganze Woche lang, oder intermittierend beispielsweise über 16 Stunden jeden Tag beim 16:8 Intervallfasten. Wir können mit beiden Methoden versuchen, abzunehmen und zu entschlacken. Allerdings beeinflussen die beiden Methoden unter anderem sehr unterschiedlich unsere Stoffwechselfunktionen. Bei rheumatoider Arthritis empfehle ich periodisches Fasten, auch Heilfasten genannt, in Form von reinem Tee-Fasten ohne Kalorienzufuhr über mindestens eine Woche. Ein längerer Fastenversuch mit bis zu zwei oder gar drei Wochen sollte nur bei entsprechender Konstitution und guter Verträglichkeit erfolgen. Eine Wiederholung kann prinzipiell mehrfach im Jahr erfolgen, wird aber bei den meisten Patienten nicht häufiger als ein bis zweimal pro Jahr praktizierbar sein.
Grundsätzlich sollte die Nahrungsaufnahme nach dem Fasten sehr langsam beginnen. Ziel muss es sein, eine günstige Darmflora zu stabilisieren, da sich sonst Verdauungsstörungen ziemlich rasch abzeichnen. Verträglich ist meistens zu Beginn eine kleine Menge gekochter Naturreis. Eventuell kann dazu eine Gemüsebrühe den Geschmack aufbessern und Mineralstoffe ergänzen. Vermeiden sollte man zu Beginn Milchprodukte, zuckerhaltige Nahrungsmittel und Fleisch, insbesondere Schweinefleisch. Auch sollten individuelle Unverträglichkeiten zum Beispiel gegenüber Laktose oder Gluten berücksichtigt werden. Der Nahrungsaufbau sollte über mehrere Tage bis zu einer Woche in langsamen Schritten erfolgen. Die jetzt zugeführten Nahrungsmittel sollten hinsichtlich möglicher Unverträglichkeit beobachtet und hinterfragt werden! Eventuell können auch Probiotika wie Laktobazillen und Bifidobakterien als Zusatz hilfreich sein.
Beim Fasten kann ein sehr unangenehmer Geschmack im Mund entstehen. Hier können Mundwasser, Kaugummi, zuckerfreie Bonbons mit angenehmen Geschmacksstoffen, ausspülen des Mundes mit Wasser oder auch Öl Abhilfe schaffen.
Die meisten Patienten klagen auch über anfängliches Hungergefühl, Unwohlsein, Kopfschmerzen und Kreislaufstörungen. Wahrscheinlich trägt ein veränderter Flüssigkeitshaushalt zu diesen Symptomen bei. Grundsätzlich sollte beim Fasten eine hohe Flüssigkeitszufuhr von 3 bis 4 Liter pro Tag angestrebt werden, um die Entgiftung über die Niere zu verbessern. Allerdings sollte dies auch angepasst an die Herz-Kreislauf-Funktion erfolgen.