Als langjähriger Chefarzt der Urologie und Berater der Deutschen Kontinenz Gesellschaft setzt sich Dr. Vassilios Vradelis seit vielen Jahren für Forschungs- und Aufklärungsarbeit rund um urologische Themen ein. Seit Kurzem verstärkt er das Team der Urologie an der Deutschen Klinik für Diagnostik (DKD Helios Wiesbaden) unter der Leitung von Dr. Mario Domeyer vor allem im Bereich der operativen Urologie. Dr. Domeyer leitet die Urologie an der DKD seit 2016 und ist Experte auf dem Gebiet der Diagnostik, Prävention und Früherkennung sowie der konservativen Therapie inklusive medikamentöser Tumortherapie. Im Interview erläutern die beiden Mediziner, in welchen Fällen eine vergrößerte Prostata unbedingt behandelt werden muss und warum viele Männer trotz Beschwerden den Gang zum Urologen meiden.
Bedeutet eine vergrößerte Prostata zwangsläufig eine Krebserkrankung?
VRADELIS: Nein, die Vergrößerung hat nichts mit Prostatakrebs zu tun. Um das 35. Lebensjahr herum setzt bei den meisten Männern erneut ein Wachstum der bis dahin kastaniengroßen Prostata ein. Dieses Wachstum ist generell gutartig, man spricht von einer benignen (gutartigen) Prostatahyperplasie.
DOMEYER: Die meisten Männer über 50 haben eine mehr oder weniger vergrößerte Prostata. Gleichzeitig ist Prostatakrebs bei uns Männern mittlerweile der häufigste Krebs. Viele der Männer mit Prostatakrebs haben daher meist auch gleichzeitig eine vergrößerte Prostata, ein direkter Zusammenhang besteht aber nicht. Auch das Risiko für ein Prostatakarzinom erhöht sich nicht durch eine vergrößerte Prostata.
Wie macht sich eine vergrößerte Prostata bemerkbar? Auf welche Signale sollte Mann achten?
DOMEYER: Je nachdem wie sich die Prostata vergrößert, kann dies zu mehr oder weniger funktionellen Einschränkungen beim Wasserlassen führen. Typische Veränderungen sind Nachträufeln nach dem Wasserlassen, ein abgeschwächter Harnstrahl, ein plötzlich einsetzender Harndrang, das Gefühl, die Blase nicht richtig entleeren zu können oder auch vermehrtes nächtliches Wasserlassen.
Wie wird eine vergrößerte Prostata diagnostiziert?
VRADELIS: Zunächst klären wir, seit wann welche Beschwerden bestehen. Außerdem wird der subjektive Leidensdruck ermittelt. Darüber hinaus erfolgen Urin- und Blutuntersuchungen, bei denen unter anderem Entzündungswerte, Eiweiße und Zucker bestimmt werden.
DOMEYER: Im Rahmen der körperlichen Untersuchung kann der Urologe die Prostatagröße leicht mittels Ultraschall bestimmen. Das kann über den Bauch von außen, oder - genauer - über den After erfolgen. So kann die Prostata gleichzeitig auch auf Prostatakrebs abgetastet werden.
Diagnose: Gutartige Vergrößerung. Ist hier in jedem Fall eine Behandlung nötig? Und wenn ja, welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
DOMEYER: Eine Prostatavergrößerung alleine ist noch keine Krankheit. Erst durch funktionelle Einschränkungen wird sie als gutartiges Prostatasyndrom bezeichnet und dann ggf. auch behandelt.
Einen Grenzwert, ab dem eine vergrößerte Prostata behandlungsbedürftig ist, gibt es nicht. Es gibt einige objektive Kriterien die eine Behandlung ratsam machen. Oft ist aber der subjektive Leidensdruck des Patienten entscheidend.
VRADELIS: Die persönlichen Wünsche des Patienten spielen bei der Wahl der Therapie eine große Rolle. Ein gesünderer Lebensstil kann manchmal schon eine Verbesserung der Symptome bewirken. Der nächste Schritt ist dann eine medikamentöse Therapie, sowohl mit pflanzlichen als auch mit chemischen Medikamenten.
Wann muss operiert werden? Und welche Optionen gibt es hier?
DOMEYER: Operative Verfahren kommen zum Einsatz, wenn Medikamente nicht mehr ausreichen, aufgrund von selteneren Nebenwirkungen nicht toleriert werden oder der Patient Operationen einer Dauereinnahme von Medikamenten vorzieht. Neben der Art der Prostataveränderung und den resultierenden Symptomen sind die persönlichen Vorstellungen und Wünsche des Patienten bei der Wahl der Operationsmethode ausschlaggebend. Letztendlich besprechen wir Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren und entscheiden gemeinsam mit dem Patienten, was gemacht wird.
VRADELIS: Im Rahmen der Operation wird die Prostata verkleinert und so der Engpass in der Harnröhre behoben – der Harnabfluss wird wiederhergestellt.
Aktuell haben wir das urologisch operative Spektrum an der DKD ausgebaut und setzen hier verschiedene Operationsmethoden ein, stets in enger Abstimmung mit den Kolleg:innen der Helios HSK.
Der Goldstandard zur Behandlung einer vergrößerten Prostata, den wir auch an der DKD einsetzen, ist die sog. transurethrale Resektion der Prostata (TURP). Dabei wird das überschüssige Prostatagewebe mittels einer Elektroschlinge und hochfrequentem Strom abgetragen. Der Eingriff erfolgt minimalinvasiv über die Harnröhre und ist somit besonders schonend und komplikationsarm. Bereits zwei bis drei Tagen nach der Operation können die Patienten das Krankenhaus wieder verlassen.
Kann man einer Prostatavergrößerung vorbeugen? Und welche Rolle spielen in diesem Kontext Vorsorgeuntersuchungen?
VRADELIS: Die Zusammenhänge zur Entstehung der Prostatavergrößerung sind sehr komplex und in vielen Teilen noch nicht zu einhundert Prozent verstanden. Wachstumshormone, erbliche Faktoren und Entzündungsreaktionen spielen eine Rolle.
DOMEYER: Einer der wichtigsten Faktoren in der Entstehung der Prostatavergrößerung ist das männliche Geschlechtshormon Testosteron. Da wir Testosteron aber brauchen und dies nicht unterdrücken wollen, bleibt dieser Faktor als Einfluss bestehen. Eine effektive Vorbeugung der Prostatavergrößerung existiert daher nicht.
Die Vorsorgeuntersuchung dient der Einordnung von Veränderungen und Symptomen, Besprechung der Behandlungsmöglichkeiten und vor allem auch der Erkennung eines möglicherweise gleichzeitig bestehenden Prostatakrebses. Sie beugt leider nicht im eigentlichen Wortsinne vor – daher spreche ich auch lieber von Früherkennungsuntersuchung.
Nur rund 15 Prozent der Männer ab 45 Jahren nehmen Vorsorgeuntersuchungen wahr. Viele Männer meiden trotz Beschwerden den Besuch beim Urologen. Woran liegt das?
DOMEYER: Das Gebiet ist natürlich mit einer gewissen Scham behaftet. Auch kostet die Untersuchung der Prostata durch den Po Überwindung. Ein bisschen wandelt sich aber langsam das Bewusstsein der Männer – vielleicht auch durch Zutun ihrer Frauen. Aber die klassische Denkweise, erst zum Arzt zu gehen, wenn spürbare Einschränkungen vorliegen, herrscht immer noch vor.
Nicht alle Veränderungen im Körper bemerkt man selbst, insbesondere was die Entstehung eines Prostatakrebsherdes angeht.
VRADELIS: Ein Prostata-Tumor ist heutzutage nahezu in 100 Prozent der Fälle heilbar, wenn er rechtzeitig festgestellt wird. Das bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Beschwerden bestehen. Umgekehrt: Ein Tumor, der schon Probleme verursacht, ist häufig nicht mehr zu heilen. Und deshalb heißt Früherkennung: Einmal im Jahr zum Urologen gehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Vita:
Der Kreis schließt sich…
Rückkehr in vertrautes Terrain für Dr. Vassilios Vradelis: Seit Mai praktiziert der erfahrene Facharzt für Urologie in der Deutschen Klinik für Diagnostik (DKD Helios Klinik). Bereits vor knapp 40 Jahren begann sein beruflicher Werdegang in Wiesbaden an der Helios HSK, wo er rund 15 Jahre zunächst als Assistenzarzt, später als leitender Oberarzt und Chefarztvertreter in der Urologie tätig war. Danach wirkte er lange Jahre als Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Urologie im GPR Klinikum Rüsselsheim. Jetzt verstärkt er das Team der Urologie an der DKD vor allem im operativen Bereich und arbeitet dabei in engem Austausch mit seinen ehemaligen Kolleg:innen an den Helios HSK. Zum Leistungsspektrum des Facharztes für Urologie gehören unter anderem endoskopische Eingriffe an den Urogenitalorganen, Prothetik-Chirurgie an Penis, Harnröhre und Harnblase sowie mikrochirurgische Eingriffe an Harnröhre, Penis und Hoden. Auch die Behandlung von Erektionsstörungen, Hodenhochstand, Harnsteinleiden und Harninkontinenz bietet er in der DKD an. Vor allem die individuelle Behandlung seiner Patienten in einer angenehmen, angstfreien Atmosphäre steht für den erfahrenen Mediziner im Vordergrund. Seine Philosophie: Nur wenn der Patient sich wohlfühlt, kann die Behandlung gelingen.