Frau Dr. Kölling, was ist Rheuma?
Dr. Kölling: Der Name Rheuma stammt aus der Medizin des griechischen Altertums. Es wird von „rheo“, das heißt „ich fließe“, abgeleitet und bezeichnet alle durch den Körper ziehenden Schmerzen. Man nennt Rheuma auch „Die Erkrankung mit den tausend Gesichtern“. Rund 100 verschiedene Erkrankungen zählen wir zum sogenannten rheumatischen Formenkreis. Bekannt sind die entzündlich rheumatischen Erkrankungen im engeren Sinne wie etwa rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew oder Lupus erythematodes. Aber auch Verschleißerkrankungen wie Arthrose, Stoffwechselerkrankungen wie Gicht und oder Knochenerkrankungen wie Osteoporose zählen zum Krankheitsbild Rheuma. Vielen davon liegt eine Entzündung zugrunde, die sowohl Gelenke und Knochen als auch Organe und Weichteile betreffen kann. Fehlgesteuerte Autoimmunprozesse werden hier als Auslöser vermutet. Dabei reagiert der Körper gegen körpereigenes Gewebe und das Immunsystem stuft Gelenkstrukturen als fremd ein. Betroffene leiden unter Bewegungseinschränkungen und Schmerzen, die die Lebensqualität oftmals stark einschränken. Und Rheuma ist keineswegs eine ‚Alte-Leute‘-Krankheit, auch jüngere Erwachsene und Kinder können betroffen sein.
Welche Symptome deuten auf eine rheumatische Erkrankung?
Gerade im Anfangsstadium sind die Beschwerden diskret und vielseitig. Patienten klagen über allgemeine Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Unwohlsein. Die Körpertemperatur kann erhöht sein. Im weiteren Verlauf sind meistens Gelenksymptome wie Schwellung, Überwärmung, Bewegungsschmerz und Bewegungseinschränkung auffällig. Die Symptome der Erkrankung bleiben häufig nicht nur auf eine Körperregion beschränkt. Die chronische Erkrankung verläuft zudem in Schüben und kann neben allen großen Gelenken wie Hüft-, Knie-, Sprung-, Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk auch kleine Finger- und Zehengelenke sowie Kiefergelenke und die Wirbelsäule betreffen. Eine Beteiligung innerer Organe wie Herz, Leber, Niere oder Lunge kommt bei einigen Sonderformen rheumatischer Erkrankungen vor. Darüber hinaus haben Menschen mit rheumatoider Arthritis zum Beispiel ein um etwa 50 Prozent erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Auch psychische Erkrankungen wie Depression, Entzündungen der inneren Organe oder der Augen können zu den Begleiterkrankungen zählen.
Welche Therapieverfahren gibt es?
Rheuma ist bislang nicht heilbar. Dank moderner Therapien ist es jedoch möglich, Symptome zu unterdrücken und die Erkrankung in vielen Fällen zu stoppen. Die Therapie richtet sich ganz nach Art und Schwere der rheumatischen Erkrankung. Neben medikamentöser Therapie gehören physikalische Therapie, Krankengymnastik, Ergotherapie sowie eventuell eine orthopädietechnische Versorgung zum Behandlungsspektrum. Voraussetzung für eine optimale Behandlung ist eine frühe und eindeutige Diagnostik. Neben der umfassenden Erhebung der Krankengeschichte sind Labor-, Sonographie-, Röntgenbefunde sowie ggf. weitere ärztliche Berichte Grundlage für ein fundiertes und individuell auf den Patienten zugeschnittenes Therapiekonzept. Unsere Patienten profitieren hier insbesondere von der engen Vernetzung innerhalb unserer Klinik. So bieten wir neben einer ambulanten Sprechstunde im MVZ Anhalt auch die stationäre Behandlung der Beschwerden an. Des Weiteren kommt unseren Patienten die enge Zusammenarbeit mit der Fachklinik Vogelsang-Gommern, die als Rheumazentrum Sachsen-Anhalt über eine ausgezeichnete und hochspezialisierte Behandlung verfügt, zugute.
Welche Rolle spielt Bewegung für Rheuma-Patienten?
Regelmäßige Bewegung und sportliche Betätigung sind für jeden von uns wichtig und neben Medikamenten und Krankengymnastik auch wichtigster Bestandteil in der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen. Sportarten mit langsamen Bewegungsabläufen, bei denen die Muskeln gestärkt und die Gelenke schonend bewegt werden, sind besonders empfehlenswert, etwa Schwimmen, Radfahren, Yoga, Pilates, oder Nordic Walking. Bewegung allgemein beeinflusst den Krankheitsverlauf in vielerlei Hinsicht positiv. Indem die Gelenkfunktionen gefördert werden, wird die Entwicklung der Erkrankung verzögert! Bewegung wirkt auch schmerzlindernd, beugt dem Knochenschwund vor und verbessert die Herz-Kreislauf-Funktion.
Referentin: Dr. med. Ursula Kölling,
Oberärztin Zentrum für Innere Medizin
17. März 2021, 15 – 17 Uhr
Tel.: (03923) 739-330