Menü
Schließen
Dr. Irit Nachtigall

Reduktion von Einweghandschuhen

Jeder von Ihnen nutzt sie täglich im Arbeitsalltag in der Klinik – die Einmalhandschuhe. Doch warum man sie öfter besser weglassen sollte, darüber sprechen wir im Interview mit unserer Expertin Priv.-Doz. Dr. med. Irit Nachtigall, Fachgruppenleiterin Infektiologie bei Helios.

Frau Dr. Nachtigall, Sie haben zusammen mit den Bereichen Klinische Hygiene, Arbeitssicherheit und Nachhaltigkeit ein Projekt zur Reduzierung von Einmalhandschuhen initiiert, warum?

Dr. Nachtigall: „Als erstes möchte ich betonen, dass es natürlich Situationen gibt, in denen das Tragen von Handschuhen sein kann. Das heißt, bei der Arbeit mit Blut, Sekreten und Ausscheidungen. In vielen Fällen ist der Handschuh jedoch überhaupt nicht notwendig. Das Weglassen bedeutet eben nicht, dass es bei uns unhygienischer zugeht – im Gegenteil: Die Mitarbeitenden desinfizieren sich stattdessen gründlicher ihre Hände. Das ist viel besser. Es gibt zahlreiche Gründe, die gegen den Einsatz von Einmalhandschuhen sprechen. Oft tragen wir sie aus falsch verstandenem Infektionsschutz. Dabei wären sie gar nicht notwendig. Statt einer ordentlichen Händedesinfektion steigt die Übertragung von Erregern.“

 

 

Das heißt, die Arbeit mit der bloßen Hand ist hygienischer als mit dem Einweghandschuh?

„Ja, genau. In einer Studie wurde mit der Hand eine Hühnerbrust angefasst und anschließend noch mit derselben Hand nach Salat gegriffen. Im zweiten Schritt wurde das wiederholt, nur diesmal mit der behandschuhten Hand. Das Ergebnis war eindeutig: Die Übertragung des Erregers Enterobacter aerogenes von Huhn zu Salat war 1.000 Mal höher mit Handschuhen als ohne!“

 

 

Gibt es auch Gründe jenseits der Hygiene?

„Durch das Tragen von Handschuhen entstehen Hautschäden durch eine feuchte Kammer, in der die Haut aufweicht. Das kann zu einem richtigen Problem werden. Es ist auch wichtig zu wissen, dass viele Patient:innen, vor allem Kinder, es als unangenehm empfinden, wenn sie statt mit der bloßen Haut mit Handschuhen berührt werden. Das kann zur Verschlechterung des Patientenkomforts führen.“

 

 

Das Projekt wird von der Geschäftsführung unterstützt und im Nachhaltigkeitsboard entschieden.

„Der Einweghandschuh ist mit 175 Millionen Stück pro Jahr bei Helios der Top-Verbraucher im Bereich der Einwegmaterialien. Durch die Produktion, den Transport und die Entsorgung der Handschuhe werden in hohem Maße Ressourcen verschwendet und die Umwelt belastet. Auch hier haben wir eine Verantwortung, unseren CO2-Fußabdruck weiter zu senken.“

 

 

Wann ist das Tragen von Handschuhen wichtig und wann überflüssig?

„Nicht notwendig sind Einmalhandschuhe zum Beispiel beim Bettenschieben, bei der Mobilisation und dem Transport der Patient:innen, beim Essen austeilen oder beim Abhören des Körpers bei der Anamnese, wenn die Haut intakt ist. Selbst beim Infusionswechsel oder bei Injektionen ist das Tragen von Handschuhen häufig nicht notwendig und es reicht aus, sich die Hände vorher gründlich zu desinfizieren. Definitiv weiterhin getragen werden sollte der Handschuh beim Kontakt mit scharfen Desinfektionsmitteln und beim Kontakt mit Sekreten.“

 

 

Und wann wollen Sie das Projekt starten?

„Seit Juli 2023 gibt es Schulungen für alle Mitarbeitenden an allen Standorten von Helios. Wir klären über unser Hygienepersonal auf, wann es Handschuhe wirklich braucht. Unterstützend gibt es Plakate, Flyer und Sticker, die auf alle Anwendungsfälle hinweisen.“

 

 

Was verändert sich für Patientinnen und Patienten?

„Wir machen hier keine Abstriche in der Patientensicherheit! Wir lassen Handschuhe in Situationen weg, in denen sie eher schaden als nützen und desinfizieren stattdessen sorgfältig unsere Hände. Sollten Patient:innen sich wundern und nachfragen, dann klären unser Mitarbeitenden auf, warum wir auf Handschuhe verzichten. Dafür steht allen Mitarbeitenden über den Bereich MKT Informationsmaterial zur Verfügung. Außerdem hängen wir an exponierten Stellen unsere Plakate zum Thema auf, um für ein besseres Verständnis zu werben. Gleichzeitig begleiten wir das Infektionsgeschehen tagesaktuell und berichten über die Veränderungen in unseren medizinischen Einrichtungen weiterhin transparent.“

 

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!