Fragen rund um das Leben mit Brustkrebs
Bei Brustkrebserkrankungen stellen sich vielen Frauen zusätzlich ganz praktische Fragen, die das Leben mit der Angst und den Alltag mit der Krankheit betreffen: Wie gehe ich mit Haarausfall um? Wie beeinflusst die Diagnose meine Familienplanung? Und wie gelingt später der Wiedereinstieg in den Job? Bettina Aldenkirchs, Breast Care Nurse aus dem Brustzentrum im Helios Klinikum Krefeld, beantwortet diese und weitere Fragen rund um das Leben mit Brustkrebs.
Positive Wirkung von Sport und gesunder Ernährung
Ein normales Körpergewicht und eine gesunde Ernährung tragen nicht nur zur Vorbeugung von Krebserkrankungen bei. Sie verbessern auch die Heilungschancen von Patientinnen, die an Krebs erkrankt sind.
Dagegen erhöhen Adipositas und Übergewicht das Risiko für eine Krebserkrankung in der Brust. Zugleich verschlechtert Übergewicht die Prognose für eine Genesung. Es gibt zwei wirksame Mittel, um das eigene Gewicht auf ein normales Level zu bringen: gesunde Ernährung und sportliche Betätigung.
Gesund ernähren: pflanzlich mit wenig Fleisch
Grundsätzlich empfehlen wir bei Brustkrebs eine ausgewogene, mediterrane Ernährung. Dabei liegt der Fokus auf pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten. Fleisch und Wurst sollten dagegen ebenso reduziert werden wie Alkohol, Zucker und Weißmehl.
Sport treiben: Ausdauer und Entspannung
Auch Sport und ein aktives Leben tragen zur Vorsorge gegen Krebs bei und unterstützen den Genesungsprozess. Wir empfehlen zum Beispiel Gerätetraining und Ausdauersport, etwa Walken, Schwimmen und Fahrradfahren. Auch Entspannungsmethoden wie Yoga, Meditation und Chi Gong können den Körper beim Kampf gegen den Krebs unterstützen.
Zusätzlich können Sie alternative und komplementäre Methoden nutzen, die nicht auf dem schulmedizinischen Ansatz beruhen. Kombiniert mit Sport, Ernährung oder Mind-Body-Medizin zur Förderung der Achtsamkeit und Selbstfürsorge, können diese Maßnahmen die konventionelle Krebsbehandlung ergänzen, ersetzen können sie diese allerdings nicht.
Was tun bei Haarausfall, Hautproblemen, Erschöpfung?
Wer an Krebs erkrankt, hat während der Therapie mit diversen Begleiterscheinungen zu kämpfen. Neben Schmerzen und starker Erschöpfung sind einige dieser Nebenwirkungen auch äußerlich sichtbar, etwa Haarausfall und Hautprobleme. Gerade für junge Frauen können diese Erfahrungen sehr belastend sein.
Haarausfall nach Chemotherapie verhindern
Der mögliche Verlust des Haupthaars macht fast jeder Frau zu schaffen. In den letzten Jahren wurden jedoch Methoden entwickelt, die dabei helfen können, Haarausfall infolge einer Chemotherapie zu verhindern oder deutlich zu reduzieren.
„Eine solche Methode ist das sogenannte „Scalp Cooling“, auch Kopfhautkühlung. Dabei wird die Temperatur der Kopfhaut mithilfe einer sogenannten Kältekappe, der „Cool Cap“, gesenkt“, erklärt Bettina Aldenkirchs aus dem Brustzentrum im Helios Klinikum Krefeld. Durch die Kühlung verringert sich die Durchblutung der Haarfollikel, die somit von der Chemotherapie weniger angegriffen werden. Der Haarausfall kann durch eine Kältehaube gemindert oder sogar ganz verhindert werden.
Leben mit Krebs: Lösungen bei Haarverlust
Nicht immer helfen allerdings solche Methoden. „Betroffene sollten sich daher gedanklich auf die Möglichkeit eines Haarverlustes einstellen. Die gute Nachricht: In den meisten Fällen wachsen die Haare etwa vier bis sechs Wochen nach einer überstandenen Therapie wieder nach“, erläutert Bettina Aldenkirchs.
Wer den kahlen Kopf bis dahin kaschieren möchte, dem bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Klarheit kann eine Beratung in einem Perückenstudio oder Haarsalon des Vertrauens schon im Vorfeld verschaffen. Inzwischen gibt es gutsitzende und individuell angepasste Perücken, die wie echtes Haar aussehen. Auch Kopfbedeckungen wie Kopftücher empfinden viele Patientinnen als gute Lösung, um sich in der Öffentlichkeit wohler zu fühlen.
Schmerzen nach einer Operation lindern
Die wichtigste Information vorweg: Patientinnen müssen bei einer Operation nicht unter Schmerzen leiden. Bei Eingriffen aller Art werden starke körperliche Beschwerden effektiv nach einem Medikamentenplan behandelt, so auch bei der Tumor-Operation.
Auch andere während der Therapie auftretende Beschwerden können gezielt und wirksam behandelt werden. Dafür arbeiten die Ärzt:innen oft mit einem sogenannten „Schmerzteam“ zusammen, das auf die Behandlung von Schmerzen spezialisiert ist.
Hautprobleme in den Griff bekommen
Während einer Behandlung kann die Haut angegriffen werden, etwa bei einer Bestrahlung. Da Hautprobleme oftmals gut sichtbar sind, erleben viele Betroffene sie als ähnlich belastend wie Haarausfall.
Zwar können schwere Hautschäden dank moderner Bestrahlungsgeräte heute weitgehend vermieden werden. Jedoch kann die Bestrahlung des Krebses auch der Haut zusetzen und Rötungen, Schwellungen sowie andere Reizungen hervorrufen, die längere Zeit sichtbar bleiben.
„Mit der richtigen Pflege lassen sich solche Hautprobleme häufig lindern. Das Klinikpersonal informiert daher vor einer Strahlentherapie eingehend, wie die Haut währenddessen und danach gepflegt werden sollte – zum Beispiel mit Wasser und einer rückfettenden Lotion“, erklärt Bettina Aldenkirchs.
Leben mit Krebs: Müdigkeit akzeptieren
Eine Krebstherapie ist anstrengend und ruft bei vielen Patientinnen schwere Erschöpfung hervor. Hält die Müdigkeit trotz körperlicher Schonung und langem Schlafen an, spricht man von „Fatigue“. Die akute Fatigue während einer Krebsbehandlung kann sich zu einer chronischen Fatigue entwickeln, wenn die starke Erschöpfung noch Monate oder sogar Jahre nach der Behandlung anhält.
Patientinnen sollten versuchen, diesen Zustand in ihrem Leben vorübergehend zu akzeptieren und ihren Alltag entsprechend einzurichten. Das bedeutet, alle Art von Aktivitäten langsam anzugehen, Prioritäten zu setzen und den Tagesablauf nach dem eigenen körperlichen Vermögen zu planen.
Wichtig ist auch ein guter Schlaf. Möglichen Schlafproblemen können Sie mit verschiedenen Techniken begegnen. Eine angenehme, störungsfreie Schlafumgebung kann ebenso zu einem gesunden Schlaf beitragen wie allabendliche Einschlafrituale – etwa Meditation, Musik oder Techniken zur Entspannung. „Auch sportliche Aktivitäten befördern das Einschlafen, wenn diese nicht zu knapp vor dem Schlafengehen ausgeübt werden. Stress sollte dagegen unbedingt vermieden werden“, sagt Bettina Aldenkirchs.
Sexualität, Familienplanung, Wechseljahre: Besonderheiten bei Brustkrebs
Eine Krebsbehandlung kann den Körper verändern. Diese Veränderungen und die angeschlagene Gesundheit können das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl und damit die Lebensqualität eines Menschen stark beeinträchtigen.
Sexualität und Verhütung bei Brustkrebs
Nach einer Krebsdiagnose sollten Frauen, die mit der Antibabypille verhüten, auf alternative Verhütungsmittel umsteigen. Hormonelle Verhütungsmethoden wie Pille, Hormonpflaster oder Hormonspirale können das Wachstum des Tumors anregen.
Einer normalen Sexualität steht ansonsten in der Regel nichts im Wege. Körperliche Veränderungen, etwa infolge einer Operation oder einer Chemotherapie, können jedoch eine psychische Barriere hervorrufen. Viele Frauen müssen sich erst umgewöhnen und ein neues Gefühl für ihren Körper entwickeln. Einige schämen sich anfangs vor ihrem Partner oder der Partnerin. Das wiederum kann sich negativ auf das Intimleben auswirken.
Wer in seiner Partnerschaft Scham empfindet, sollte möglichst offen über das Thema sprechen. Das fällt leichter, wenn der Partner von Anfang an in die Erkrankungssituation einbezogen wurde. Manchmal sind jedoch beide Partner durch die Situation so verunsichert, dass der Weg zu einer Paarberatung helfen kann.
Familienplanung und Fruchtbarkeit
Im Vorfeld einer Krebstherapie sollte die Familienplanung geklärt werden. Wer sich ein Kind wünscht, muss den Traum, Mutter zu werden, keinesfalls aufgeben. Beim Thema Nachwuchs bestehen heute verschiedene Möglichkeiten, um die Fruchtbarkeit etwa bei einer Chemotherapie zu erhalten. Eine dieser fertilitätsprotektiven (die Fruchtbarkeit schützenden) Maßnahmen ist die sogenannte Kryokonservierung. Dabei werden Eizellen oder Ovarialgewebe in flüssigem Stickstoff eingefroren.
Die behandelnde Frauenärztin oder der Arzt arbeitet dabei mit FertiPROTEKT zusammen, einem Zusammenschluss von Kliniken und Praxen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, um Müttern den Wunsch nach einem (weiteren) Kind auch nach der Diagnose Brustkrebs zu erfüllen.
Beschwerden durch Hormonentzug
Bei einer Erkrankung mit hormonabhängigem Brustkrebs können spezielle, hormonhemmende Medikamente verabreicht werden. Durch den Hormonentzug können Wechseljahresbeschwerden auftreten wie Hitzewallungen, Gelenkschmerzen sowie Unruhe, geistige Abwesenheit und depressive Verstimmungen. Auch die Knochendichte kann sich verringern (Osteoporose).
Bestimmte pflanzliche Arzneimittel oder Vitamin E können helfen, solche Beschwerden zu lindern, ebenso Akupunktur und körperliche Aktivität. Wird eine Osteoporose diagnostiziert, können Bisphosphonate helfen. Dabei handelt es sich um Medikamente, die einen übermäßigen Knochenabbau hemmen sollen. Wichtig: Die Einnahme von Medikamenten oder zusätzlichen Vitaminen sollte immer mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt abgestimmt werden.
Der Kampf gegen den Krebs findet nicht nur im Körper statt, sondern auch im Kopf. Die psychische Belastung ist für Patientinnen wie Angehörige oft gleichermaßen hoch. Betroffenen stehen daher zahlreiche Anlaufstellen und Angebote zur Verfügung, bei denen sie sich beraten lassen können.
Informationen rund um die Krebserkrankung
Nach einer Brustkrebsdiagnose beantworten Hausärztinnen oder –ärzte erste allgemeine Fragen rund um die Erkrankung und die Therapie. Nach der Diagnose sollten sich Patientinnen an ein zertifiziertes Brustzentrum wenden. Hier informieren spezialisierte Frauenärztliche Praxen (Senologen) und Fachpflegeschwestern (Breast Care Nurses) über die vielfältigen Möglichkeiten und Abläufe der Brustkrebs-Behandlung.
Schriftliches Informationsmaterial in verständlicher Form bieten die sogenannten „blauen Ratgeber“. Sie können auf der Website der Deutschen Krebshilfe kostenlos bestellt oder heruntergeladen werden. Im Internet finden sich weitere Informationen, etwa auf den Seiten der Deutschen Krebsgesellschaft, beim Deutschen Krebsforschungszentrum oder der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie.
Bleiben Fragen offen, stehen Ihnen im Behandlungsverlauf Ärzt:innen und Fachkräfte aus verschiedenen Fachbereichen zur Seite. Sie sind auf die Behandlung von Brustkrebs spezialisiert und wissen die Antworten auf alle wichtigen Fragen.
Psychologische Unterstützung
Die psychologischen Unterstützungsmaßnahmen bei Brustkrebs sind ebenfalls vielfältig. Doch Psychoonkolog:innen können Krebspatientinnen dabei helfen, mit ihrer Angst umzugehen und die psychischen Herausforderungen der Krankheit zu bewältigen.
Die Frauenselbsthilfe Krebs bietet ebenfalls umfassende Hilfestellung und Beratung im gesamten Krankheitsverlauf an. Hier werden auch psychologische und sozialrechtliche Fragen beantwortet. Und Seelsorgeangebote, bei denen Erkrankte und Angehörige Trost finden, können auch telefonisch und inzwischen zumeist sogar digital genutzt werden.
Vielen Krebspatientinnen hilft es ganz besonders, mit Menschen in der gleichen Lage zu sprechen. Denn so sehr Angehörige und Freunde auch unterstützen: Andere Betroffene können nicht nur Tipps und eigene Erfahrungen weitergeben. Sie können auch die eigene Situation besser verstehen. Solche Selbsthilfegruppen tauschen sich heute ebenfalls vermehrt online in sozialen Netzwerken aus. Man findet sie aber auch in vielen Städten ganz klassisch vor Ort.
Viele Erkrankte möchten nach der Genesung schnell wieder in ihren Beruf zurückzukehren, um mit dem Start in ihr neues Leben ein „Stück Normalität“ zurückzugewinnen.
Der Sozialdienst in zertifizierten Brustzentren berät daher auch über die Wiedereingliederung in den beruflichen Alltag. Wie die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit genau aussehen kann, wird individuell abhängig vom Alter und von der Schwere der Erkrankung ermittelt.
Beratung für Patientinnen ohne Heilungschance
Während ein Tumor in der Brust im frühen Stadium und ohne Metastasen gut behandelt werden kann, ist fortgeschrittener Brustkrebs bis heute leider nicht heilbar. In der letzten Zeit wurde jedoch eine ganze Reihe von Verfahren und Medikamenten entwickelt, die die Lebenszeit in diesem fortgeschrittenen Stadium bei guter Lebensqualität deutlich erhöhen können.
Über Behandlungsmöglichkeiten bei metastasiertem Brustkrebs wie Antihormontherapie, PARP-Inhibitoren, die eine Reparatur der Erbsubstanz in Krebszellen verhindern, oder Immuntherapie informieren die medizinischen Spezialisten direkt im Brustzentrum.
Patientinnen, die eine unheilbare Diagnose erhalten, können eine Zweitmeinung in einem anderen Brustzentrum einholen. Betroffene Frauen haben auch die Möglichkeit, in einer klinischen Studie zum ersten Mal neue Medikamente noch vor ihrer Zulassung zu testen.