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Sicher arbeiten während der Schwangerschaft – mit Unterstützung der Arbeitsmedizin

Der Schutz von Schwangeren und ihrer ungeborenen Kinder ist im Mutterschutzgesetz verankert. Was Arbeitgeber:innen im Rahmen des Mutterschutzes beachten sollten und wie die Arbeitsmedizin dabei unterstützen kann, erklärt unser Experte Dr. med Kareem Khan im Interview. 

29. Januar 2024

Herr Dr. Khan, welche Rolle spielt die Arbeitsmedizin beim Mutterschutz?

Aufgabe von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten ist, sowohl Arbeitgeber:innen, als auch Schwangere zu allen Maßnahmen des Arbeitsschutzes aufzuklären und bei der Umsetzung zu unterstützen. So helfen wir bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung sowie bei Maßnahmen zum Schutz der Schwangeren und zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes. Bei Bedarf prüfen wir auch die Arbeitsbedingungen direkt vor Ort im Betrieb. 

Bei welchen Branchen spielt Mutterschutz eine wichtige Rolle?

Dies betrifft grundsätzlich alle Berufsgruppen. In der Verwaltung muss beispielsweise das Verbot der Mehrarbeit beachtet werden. Beim gewerblichen Tätigkeiten geht es zum oft um Zwangshaltungen, das Heben und Tragen von Lasten oder auch um Umweltfaktoren, wie Hitze, Kälte, Vibrationen oder Lärmbelastung.

Darüber hinaus spielt der Mutterschutz für Arbeitsplätze, in denen Unfallgefahr besteht und in denen mit Gefahrenstoffen umgegangen wird, eine wichtige Rolle. Ebenso müssen Schwangere die beruflich einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind, wie beispielsweise Erzieher:innen oder Beschäftigte im Gesundheitswesen, geschützt werden. Im Rahmen der vorgeschriebenen arbeitsmedizinischen Vorsorge prüfen wir die individuelle Infektionsgefährdung dann bereits vor der Schwangerschaft und bieten die entsprechenden Schutzimpfungen an, damit die Arbeit dann gefahrlos fortgeführt werden kann.

Schwangere Geschäftsfrau

Was müssen Arbeitgeber:innen im Rahmen des Mutterschutzes beachten?                                                                                                                                             

Schon bevor eine Mitarbeitende überhaupt schwanger wird, sind Arbeitgeber:innen dazu verpflichtet eine sogenannte anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung zu erstellen – selbst wenn zum Zeitpunkt dort keine Frauen beschäftigt sind. Dabei muss der Arbeitsplatz unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob eine Schwangere dort weiterhin arbeiten könnte. Der Gesetzgeber möchte, dass Schwangere nach Möglichkeit an ihrem Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. In vielen Fällen ist dies möglich, allerdings müssen oftmals dann auch Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Ebenso ist ein Wechsel des Arbeitsplatzes denkbar, zum Beispiel vom Außendienst in den Innendienst. Erst wenn das alles nicht funktioniert greift das betriebliche Beschäftigungsverbot.

Wird eine Schwangerschaft bekannt, so ist dann eine anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dazu gehört auch ein Gesprächsangebot an die Schwangere. Innerhalb des Gespräches werden Schutzmaßnahmen und Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen besprochen. Wichtig dabei sind die schriftliche Dokumentation sowie die regelmäßige Prüfung, ob die besprochenen Schutzmaßnahmen noch so funktionieren wie sie angedacht waren.

Abgesehen davon müssen Arbeitgeber:innen Schwangeren einen Ruheraum zur Verfügung stellen, sodass sie sich hinlegen und ausruhen können, falls es ihr mal nicht gut gehen sollte. Um zusätzliche Belastungsfaktoren zu vermeiden, sind Mehr-, Nacht-, sowie Sonn,- und Feiertagsarbeit in der Regel verboten.

Welche Rolle spielen psychische Belastungen bei Schwangeren und wie werden diese beurteilt?

Diese werden im Rahmen der psychischen Gefährdungsbeurteilung erhoben, die bereits im Vorfeld von Arbeitgeber:innen im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz durchgeführt werden muss.

Es gibt eine Reihe an belastenden Faktoren, die vermieden werden sollten. Hierzu gehören zum Beispiel Arbeiten unter Zeitdruck oder Überstunden. Individuelle Faktoren spielen dabei eine große Rolle und müssen berücksichtigt werden. 

Helios Arbeitsmedizin - Institut Rhein-Main

Institutsleiter Helios Arbeitsmedizin Rhein-Main

Während die physische Belastung offensichtlich ist, ist die psychische meist schwieriger zu beurteilen. 

Wann gilt ein Beschäftigungsverbot?

Zwar ist es stets das Ziel, dass die Schwangere ihre Tätigkeit weiterhin ausüben kann, allerdings gibt es auch Fälle, in denen dies nicht möglich ist. Ob Schutzmaßnahmen oder die Umgestaltung des Arbeitsplatzes ausreichen oder es doch eines Beschäftigungsverbots bedarf, muss im Einzelfall evaluiert werden und hängt sehr von der jeweiligen Tätigkeit ab. Wenn die Gesundheit der Schwangeren oder die ihres ungeborenen Kindes durch die Tätigkeit gefährdet wird, gilt kraft Gesetztes ein betriebliches Beschäftigungsverbot.

Es kommt immer wieder vor, dass Schwangere, die gefährdenden Tätigkeiten durchführen, sagen, dass sie gerne weiterarbeiten möchten und ihnen bestimmte Risiken nichts ausmachen. Der Arbeitgeber darf diesem Wunsch jedoch nicht nachgeben und muss die Beschäftigungsverbote zwingend achten. Dr. Kareem Khan, Betriebsarzt

Unabhängig davon kann ein sogenanntes ärztliches Beschäftigungsverbot erfolgen. Hat eine Frau beispielsweise einen problematischen Schwangerschaftsverlauf oder eine Risikoschwangerschaft, kann die betreuende Ärztin oder der betreuende Arzt ihr ein ärztliches Beschäftigungsverbot attestieren. Es kann auch sein, dass die Schwangere beispielsweise gar nicht mehr im Stehen oder nur noch eine bestimmte Stundenzahl am Tag arbeiten darf. Das muss die betreuende Ärztin oder der betreuende Arzt entscheiden und attestieren. Für Arbeitgeber:innen ist das ärztliche Beschäftigungsverbot obligatorisch zu beachten.