Menü
Schließen

Regeneration bei der Schichtarbeit

Sie arbeiten nachts während andere schlafen? Dann sind Sie besonders gefordert! Denn unserem Körper fällt es deutlich schwerer, die gleiche Leistung nachts zu erbringen wie am Tag. Unsere Expertin Ann-Christin von Ehr erklärt im Interview, wie Sie Ihren Körper dabei bestmöglich unterstützen und worauf Sie achten sollten, um trotz Nachtdienst in Balance zu bleiben. 

04. Juni 2024
Junger Mann hat erholsamen Schlaf

Was sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei der Schichtplanung beachten?

Wenn es möglich ist, sollten Sie individuelle Wünsche von Mitarbeitenden bei der Schichtplanung berücksichtigen. Denn es gibt Personen, denen eher die Frühschicht liegt, andere wiederum präferieren die Nachschicht. Wichtig ist auch, dass die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten möglichst klein ist und dies nicht mehr als drei Nächste hintereinander sind. Am besten funktioniert für den menschlichen Biorhythmus ein vorwärts rotierendes Schichtmodel: Auf eine Frühschicht folgt eine Spätschicht, dann eine Nachschicht und dann ein freier Tag. Nach der Nachtarbeit folgt eine Freizeitphase, die möglichst länger als 24 Stunden sein sollte. 

Wichtig ist auch, dass Sie Mitarbeitenden die Arbeitsmedizinische Vorsorge in regelmäßigen Abständen anbieten. Nachtarbeiterinnen und Nachtarbeiter sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren, arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Darüber hinaus müssen die Erholungszeiten für Mitarbeitende gewährleistet sein. Nach Beendigung der täglichen Arbeit muss eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden bestehen. Vereinzelt kann dies in manchen Branchen, beispielsweise in Krankenhäusern, um eine Stunde verkürzt werden. 

Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg

Betriebsärztin und Fachärztin für Innere Medizin

Wenn möglich sollte die Frühschicht nicht zu früh beginnen und die Nachtschicht nicht zu spät enden, da dies sonst noch herausfordernder für den menschlichen Biorhythmus ist. 

Wie läuft die Arbeitsmedizinische Vorsorge ab?

Im Rahmen der Arbeitsmedizinischen Vorsorge prüfe ich mögliche Auswirkungen der Schichtarbeit, wie Übergewicht, Bluthochdruck oder auch Demenz. Zudem überprüfe ich das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel und die Blutfettwerte. Je nachdem, wie hier die Ergebnisse sind, spreche ich unterschiedliche Handlungsempfehlungen aus. 

Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg

Betriebsärztin und Fachärztin für Innere Medizin

Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist sehr individuell und unter anderem von der jeweiligen Tätigkeit und den körperlichen Voraussetzungen abhängig.

Wie schwierig ist Schichtarbeit für unseren Körper?

Schichtarbeit ist für den menschlichen Körper schwierig umzusetzen, da der Tag-Nacht-Rhythmus biologisch in uns festgelegt ist. Wir sind darauf ausgerichtet am Tag aktiv zu sein und nachts zu schlafen. Auch unser Hormonsystem ist darauf eingestellt. Daher kann es für den Körper schwierig sein, wenn man immer wieder aus dem eigenen Rhythmus herausgerissen wird, wie beispielsweise bei Schichtarbeit. Dies kann den eigenen Körper durcheinanderbringen. Daher sind Ruhe- und Schlafzeiten umso wichtiger. 

Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg

Betriebsärztin und Fachärztin für Innere Medizin

Jeder Mensch hat seinen eigenen Biorhythmus und seine eigene innere Uhr. Für manche ist Schichtarbeit kein Problem, andere wiederum haben damit ihre Schwierigkeiten. 

Was passiert mit unserem Körper, wenn wir nachts arbeiten?

Zwischen 1.00 Uhr und 3.00 Uhr nachts haben fast alle ein deutliches Leistungstief. In dieser Zeit steigt die Unfallgefahr am Arbeitsplatz deutlich an. Zum Morgen hin kommt es zur natürlichen Kortisol- und auch Adrenalinausschüttung, die den Körper aktiviert und aufweckt. Dies erschwert das Einschlafen am Morgen nach der Nachtschicht. Hinzu kommt, dass unser Magen- und Darmtrakt nachts auf Pause eingestellt ist und weniger Verdauungssäfte ausgeschüttet werden. Durch den Schlafmangel sinkt unser Sättigungshormon Leptin, während hingegen das Appetithormon Ghrelin vermehrt ins Blut abgegeben wird. Außerdem nimmt die Wirksamkeit von Insulin ab, was bewirkt, dass wir höhere Blutzuckerspiegel haben und damit das Risiko von Übergewicht sowie Diabetes mellitus Typ 2 deutlich gesteigert wird. Durch die unregelmäßigen Essenszeiten verändert sich das Hungergefühl meist auch. Personen, die wenig schlafen, greifen vermehrt zu Kohlenhydraten und fettreichen Lebensmitteln. 

Welche gesundheitlichen Probleme entdecken Sie bei Schichtarbeitenden?

Viele Menschen im Schichtdienst schlafen in der Summe zu wenig. Schlaf ist allerdings essentiell für unsere Regeneration. Fehlt guter und ausreichender Schlaf, kann es zu Demenz, Bluthochdruck, Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen kommen. Übergewicht beobachte ich dabei am häufigsten. Schichtarbeitende haben häufig einen höheren Cortisolspiegel, weil sie immer wieder gegen den eigenen Biorhythmus arbeiten. Dies hat auch Auswirkungen auf andere Organsysteme unseres Körpers, wie beispielsweise unser Blutdrucksystem, unseren Hormonhaushalt und damit auch unser Hungergefühl oder unsere Insulinempfindlichkeit. 

Welche Tipps können Sie Schichtarbeitenden mit auf den Weg geben?

Meine sechs Tipps für Schichtarbeitende:

1)      Nehmen Sie Ihren Schlaf wichtig: Planen Sie Ihre Schlafzeiten bewusst ein und priorisieren Sie diese.

2)      Kommen Sie vor dem Zubettgehen zur Ruhe: Nehmen Sie eine Dusche oder gehen Sie ein wenig spazieren, bevor Sie sich ins Bett legen.

3)      Schaffen Sie sich eine ruhige Schlafumgebung: Das Schlafzimmer sollte dunkel und kühl sein. Schalten Sie Haustürklingel und Handy ab und nutzen Sie Ohropax, damit es ruhig ist.

4)      Nehmen Sie möglichst keine koffeinhaltigen Getränke mehr sechs bis acht Stunden vor dem Schlafengehen zu sich.

5)      Verzichten Sie auf Alkohol sowie auf eine Schlafmedikation vor dem Schlafengehen, da beides die Schlafqualität verschlechtert und einen Hangover- Effekt machen kann, was zu Gefährdungen am Arbeitsplatz führen kann.

6)      Bleiben Sie in Bewegung: Trotz Schichtarbeit sollten Sie versuchen, regelmäßige Bewegung in Ihren Alltag zu integrieren.

7)      Work-Life-Balance: Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte.

8)      Verzichten Sie auf Zucker vor dem Schlafengehen, da dies den Insulinspiegel steigert.