Frau Gerdes, was macht die Helios Arbeitspsychologie?
Typische Fragen, die sich Mitarbeitende im Arbeitskontext stellen, sind:
• Mit wem arbeite ich heute zusammen?
• Kann ich meine Aufgaben mit den vorhandenen Ressourcen bewältigen?
• Welche Störungen oder Unterbrechungen könnten auftreten, und wie gehe ich damit um?
• Wie viel Unterstützung erhalte ich vom Team und den Vorgesetzten?
Im Arbeitskontext gibt es viele Aspekte, die entscheidend für die eigene Gesundheit sind.
Diese bearbeiten wir im Rahmen der Arbeits- und Organisationspsychologie.
Wie unterstützen Sie Unternehmen dabei, gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen?
Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Beurteilung von Arbeitsbedingungen im Hinblick auf eine menschengerechte Gestaltung.
Wir überprüfen, ob Arbeitsaufgaben und -bedingungen so gestaltet sind, dass die Beschäftigten sowohl körperlich als auch psychisch gesund bleiben, ihre Potenziale entfalten und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können.
Eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber – sie ist auch ein wertvolles Instrument, um Arbeit für alle Beteiligten besser zu gestalten.
Welchen Mehrwert hat die Arbeits- und Organisationspsychologie für Unternehmen?
Der größte Mehrwert liegt in der Prävention. Ich möchte das kurz erläutern:
Primärprävention bedeutet, aktiv zu handeln, bevor es zu gesundheitlichen Problemen kommt. Wir bringen unsere Expertise bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und bei Strukturänderungen ein.
Sekundärprävention zielt darauf ab, Missstände frühzeitig zu erkennen und zu handeln.
Dies gilt sowohl für die Organisation als auch für Führungskräfte und Mitarbeitende. Dadurch können wir rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, bevor längere Ausfälle entstehen, die hohe Kosten verursachen.
Tertiärprävention umfasst die Wiedereingliederung von Mitarbeitenden mit gesundheitlichen Einschränkungen in den Arbeitsalltag.
Dabei geht es darum, eine Verschlechterung der Erkrankung zu vermeiden und Führungskräfte in solchen Situationen zu unterstützen.
Mit welchen Themen kommen Unternehmen auf Sie zu?
In den letzten zehn Jahren haben wir in vielen Lebensbereichen tiefgreifende Veränderungen erlebt. Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeitende legen heute mehr Wert auf psychische Gesundheit und suchen unsere Unterstützung.
Typische Anfragen betreffen die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, psychologische Beratung für Mitarbeitende oder die Begleitung von Teams, zum Beispiel im Rahmen von Supervision.
Auch bei Krisen wie eskalierten Konflikten, schweren Arbeitsunfällen, Übergriffen oder Todesfällen stehen wir als Ansprechpartner zur Seite und unterstützen Unternehmen, sich für akute und kommende Krisen zu wappnen.
Welche Vorteile ergeben sich aus Ihrer Arbeit für die verschiedenen Akteure?
Wir schaffen eine Situation, in der alle Beteiligten profitieren. Arbeit gibt unserem Leben Struktur, Sinn und ermöglicht es uns, unsere Selbstwirksamkeit zu erfahren.
Sie sichert zudem unseren Lebensunterhalt. Wenn Arbeit gut gestaltet ist, trägt sie entscheidend zur Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden bei.
Gesunde, motivierte Mitarbeitende können in einem optimalen Arbeitsumfeld bessere Leistungen erbringen, was sich wiederum positiv auf die Ergebnisse auswirkt – ein Vorteil für Kunden, Klienten, Patientinnen und nicht zuletzt für den Arbeitgeber.
Begegnen Ihnen auch Vorbehalte und Skepsis und wenn ja, wo?
Ja, wir stoßen durchaus auf Vorbehalte, und diese sind je nach Branche oder bisherigen Erfahrungen unterschiedlich stark ausgeprägt. Eine gesunde Skepsis ist jedoch auch wichtig. Oft möchten die Menschen zunächst wissen: Was bringt es mir, eine Psychologin oder einen Psychologen hinzuzuziehen? Welche Kosten entstehen? Und wie wird mein Unternehmen davon profitieren? Manchmal tritt Skepsis auch auf, wenn es um die verschiedenen Sichtweisen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern geht. Es wird dann kritisch hinterfragt, ob und wie wir beiden Seiten beratend zur Seite stehen können. Als überbetrieblicher Dienstleister haben wir hier jedoch einen klaren Vorteil: Wir sind der Fachkompetenz verpflichtet und arbeiten unabhängig. Mit unserem neutralen Blick von außen – auf das Unternehmen, auf das Team und auf die Einzelpersonen – sind wir bestens in der Lage, alle Seiten zu unterstützen und lösungsorientierte Ansätze zu bieten.
Welche Voraussetzungen müssen für einen erfolgreichen arbeitspsychologischen Beratungsprozess erfüllt sein?
Ein erfolgreicher Beratungsprozess setzt voraus, dass der Auftraggeber bereit ist, sich aktiv einzubringen. Zudem ist es wichtig, dass ein professioneller Dienstleister mit psychologischer Expertise zur Seite steht. Zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen sind erforderlich, um einen nachhaltigen und lohnenden Prozess zu gewährleisten. Zu Beginn braucht es eine klare Auftragsklärung und eine verlässliche Planung, die gleichzeitig flexibel genug ist, um Unvorhergesehenes zu berücksichtigen. Ebenso entscheidend ist eine gute und kontinuierliche Kommunikation – sowohl zwischen Unternehmen und Dienstleister als auch innerhalb des Unternehmens, damit alle Beteiligten eingebunden sind und auf dem Laufenden gehalten werden. Die Einbeziehung aller Interessensgruppen ist essenziell, damit nicht eine Einzelperson oder ein Team allein die gesamte Last trägt. Wir sind auch Experten für Prozessbegleitung. Das bedeutet, dass wir unsere Auftraggeber Schritt für Schritt durch den Beratungsprozess führen, individuell auf auftretende Fragen eingehen und Lösungen anbieten.
Wo liegen gegebenenfalls Grenzen?
Veränderungen müssen im System selbst entstehen. Wir können sie nicht von außen erzwingen. Wenn es an Ressourcen, Bereitschaft, Zeit, Geduld oder Mitteln mangelt, können auch wir keine Wunder bewirken. Dennoch sind wir überzeugt, dass selbst kleine Veränderungen an einer Stelle das Gesamtsystem beeinflussen können – das nennen wir den Mobile-Effekt.
Steckbrief Pia Gerdes
Seit 2023 ist Pia Gerdes als Arbeits- und Organisationspsychologin bei der Helios Arbeitsmedizin tätig. In dieser Rolle berät und begleitet sie Unternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen, bei der Planung, Durchführung und nachhaltigen Umsetzung geeigneter Maßnahmen im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen, im Betrieblichen Eingliederungsmanagement sowie der Durchführung von Schulungen und Workshops. Ergänzt wird dieser ganzheitliche Ansatz durch psychologische Beratung, die eine individuelle Unterstützung für Einzelpersonen bietet.
Weshalb sie sich für einen Werdegang in der Arbeits- und Organisationspsychologie entschieden hat, beantwortet sie wie folgt: „Es ist ein abwechslungsreiches Feld, das zentrale Themen des Arbeitslebens adressiert und die täglichen Herausforderungen vieler Menschen betrifft. Meine Arbeit ermöglicht mir, verschiedene Menschen kennenzulernen und sie bei der Entwicklung nachhaltiger Lösungen zu unterstützen.“