Change bedeutet Stress – mit messbaren Folgen
Ob Fusionen, Umstrukturierungen oder die Einführung neuer Technologien – jeder Wandel erfordert von den Mitarbeitenden Anpassungsleistungen. Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) können ständige Veränderungen am Arbeitsplatz zu erhöhtem Stress und psychischen Erkrankungen führen. Der DAK-Gesundheitsreport 2024 zeigt: Psychische Belastungen gehören mittlerweile zu den häufigsten Ursachen für Krankschreibungen – Tendenz steigend.
Dr. Jens Walkowiak ist Diplom-Psychologe bei Helios Arbeitsmedizin und begleitet seit vielen Jahren Unternehmen bei der Neuausrichtung. Seine Erfahrungen bestätigen die Studienergebnisse.
Neuerungen in Unternehmen müssen übrigens nicht immer belastend sein, denn „Change kann auch Freude bereiten“, so Walkowiak weiter. „Vor allem, wenn man lange auf eine Verbesserung gewartet hat. Ein Beispiel: Der Umzug aus einem veralteten Krankenhausgebäude in einen modernen Neubau mit besseren Arbeitsbedingungen kann Mitarbeitende motivieren und zufrieden machen“, ergänzt der Psychologe.
Widerstand gegen Wandel: Warum Mitarbeitende Veränderungen als Bedrohung empfinden
Die Mehrheit steht Change-Prozessen jedoch skeptisch gegenüber – ein Phänomen, das psychologisch erklärbar ist. Die sogenannte „Loss-Aversion-Theorie“ (deutsch: Theorie der Verlustaversion) aus der Verhaltensökonomie besagt, dass Menschen Verluste stärker gewichten als Gewinne.
"Wenn Beschäftigte mit Veränderungen konfrontiert werden, denken sie oft zuerst an das, was sie verlieren könnten: Sicherheit, Vertrautheit oder gewohnte Arbeitsweisen. Das kann als Bedrohung empfunden werden“, erklärt Dr. Jens Walkowiak.
Veränderungen reißen Mitarbeitende oft aus ihrer gewohnten Sicherheit – ein großer Stressfaktor im Arbeitsalltag. Plötzlich ist nichts mehr, wie es war: Die gewohnte Struktur bricht weg, das Team verändert sich, und niemand weiß genau, was kommt. Kein Wunder, dass viele bei Veränderungen innerlich auf Alarmmodus schalten und eine negative Haltung einnehmen.
Dieser Widerstand kann verschiedene Formen annehmen:
- Offene Ablehnung durch Kritik und Beschwerden.
- Passive Resignation, die sich in Motivationsverlust und „Dienst nach Vorschrift“ äußert.
- Psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen, Erschöpfung und langfristig sogar Depressionen.
Wie Resilienz dabei hilft, Veränderungen zu meistern
Die gute Nachricht: Betroffene sind Change-Prozessen nicht hilflos ausgeliefert. Die menschliche Psyche hat die Kraft, Ungewohntes zu bewältigen. Statt Veränderungen als Bedrohung zu sehen, können sie auch eine Chance sein, die innere Widerstandskraft bzw. Resilienz zu stärken.
Resiliente Mitarbeitende sind weniger anfällig für die psychischen Belastungen, die Change-Prozesse mit sich bringen. Sie gehen proaktiver mit Unsicherheiten um und können Rückschläge besser verkraften.
„Viele Menschen setzen sich jedoch erst dann mit dem Thema Resilienz auseinander, wenn der Leidensdruck bereits spürbar ist. Dann wird es schwierig, Resilienz aufzubauen. Idealerweise sollte man präventiv Strategien zur Stärkung der Resilienz entwickeln“, weiß Dr. Walkowiak aus der Praxis.
Um Resilienz zu fördern, sollten Unternehmen ein Umfeld schaffen, das Sicherheit, Transparenz und Mitgestaltungsmöglichkeiten bietet. Diese Maßnahmen ermöglichen es Mitarbeitenden, mit neuen Situationen umzugehen, eigene Ressourcen zu aktivieren und Veränderungen als Chance und nicht als Bedrohung wahrzunehmen.
So können Firmen Veränderungsprozesse gesund gestalten
Eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 2023 zeigt, dass Führungskräfte, die individuell auf Mitarbeitende eingehen (= situativer Führungsstil) sowie klar und empathisch kommunizieren, erfolgreicher bei Transformationen sind als Unternehmen, die Veränderungen einfach „von oben“ anordnen.
Dazu gehören:
- Transparente Kommunikation: Mitarbeitende müssen frühzeitig in den Veränderungsprozess eingebunden werden.
- Partizipation: Je mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten es gibt, desto eher akzeptieren Mitarbeitende Neuerungen.
- Psychologische Sicherheit: Führungskräfte sollten Ängste ernst nehmen, Unterstützungsangebote schaffen und aufkommende Frustration kooperativ managen.
Jens Walkowiak betont: „Ein gesundes Maß an Transparenz ist entscheidend. Nicht jede Information muss sofort weitergegeben werden, insbesondere wenn Entscheidungen noch nicht final sind. Die Belegschaft braucht aber ausreichend Informationen, um sich auf Veränderungen einstellen zu können. Wichtig ist auch, dass Führungskräfte nicht nur Informationen weitergeben, sondern aktiv den Austausch mit ihren Teams suchen.“
Unterstützung durch betriebliche Gesundheitsförderung
Um psychische Belastungen bei Umstrukturierungen zu reduzieren, setzen immer mehr Unternehmen auf präventive Maßnahmen. Helios Arbeitsmedizin bietet beispielsweise gezielte Unterstützungsangebote, darunter:
- Psychische Gefährdungsbeurteilungen, um Belastungen frühzeitig zu erkennen.
- Workshops zu gesunder Führung, in denen Führungskräfte lernen, Veränderungsprozesse gesund zu gestalten.
- Employee Assistance Programs (EAP+), die Mitarbeitenden individuelle psychologische Beratung bieten.
Fazit: Veränderung braucht Begleitung
Veränderungen gehören zur modernen Arbeitswelt. Doch Unternehmen, die den psychischen Faktor ignorieren, riskieren nicht nur Widerstände, sondern auch hohe Krankenstände und Produktivitätsverluste. Erfolgreiches Change-Management bedeutet, nicht nur Prozesse zu verändern, sondern auch die Menschen mitzunehmen – durch Kommunikation, psychologische Sicherheit und gezielte Unterstützung.